Verwirrung um Greta Thunberg: Nachdem die Polizei Dortmund die Klima- und Pro Palästina-Aktivistin zuerst als gewaltbereit eingestuft hatte, hat sie die Formulierung inzwischen in einer aktualisierten Version ihrer Pressemitteilung herausgenommen. Es habe bei der ersten Version der Pressemitteilung einen "internen Fehler" gegeben, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
Mit antisemitischen Straftaten gerechnet
Auf einer Pressekonferenz hat die Polizei Dortmund am Mittwochnachmittag ihre Vorgehensweise erläutert. Der Besuch von Thunberg sei erst kurz vorher angekündigt worden und hätte eine erhebliche Veränderung des bislang friedlich verlaufenden Camps bedeutet. "Als einzige Maßnahme blieb da der Verbot dieser neuen Versammlung und die Auflösung des Protestcamps, um die Sicherheit allgemein herzustellen und die Sicherheit aller Beteiligten zu gewähren", erklärte der Pressesprecher der Dortmunder Polizei, Kay Becker.
Man habe mit antisemitsichen Straftaten gerechnet. Hintergrund waren umstrittene Auftritte Greta Thunbergs in den vergangenen Tagen. So war sie am Montag, dem Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel, auf einer propalästinensischen Demonstration in Berlin. Teilnehmer haben nach Polizeiangaben auch Flaschen auf Polizisten warfen und israelfeindliche Parolen skandierten. Dabei sei sie selber nicht als gewalttätig aufgefallen, betont der Polizeisprecher.
Protestcamp verboten
Greta Thunberg hatte indirekt ein Auftritt-Verbot durch die Polizei Dortmund erhalten. Die schwedische Aktivistin hatte für gestern Abend (08.10.) angekündigt, nach Dortmund kommen zu wollen, um an der Kundgebung eines Palästina-Protestcamps teilzunehmen. Daraufhin schritt die Polizei erstmals seit Monaten gegen das Protestcamp ein, das neben dem Universitätsgelände in Dortmund errichtet worden war.
Die Teilnehmenden des Protestcamps hatten bei der Polizei die geplante Kundgebung mit Thunberg angemeldet. In einer Mitteilung der Polizei Dortmund hieß es am späten Abend, durch den Besuch von Thunberg hätten sich mehr Menschen als in der Versammlungsmeldung angegeben in dem Protestcamp aufgehalten können. Thunberg war in einer ersten Mitteilung außerdem als gewaltbereit eingestuft. Eine Gefahrenanalyse habe gegeben, dass das Protestcamp insgesamt verboten werden müsse.
Vorwürfe gegen Deutschland
In einem Videostatement bei Instagram zeigte Greta Thunberg Unverständnis für das Vorgehen der Dortmunder Polizei. Sie sagte, dass ihr die Polizei mit Verhaftung gedroht habe, wenn sie das Camp besucht hätte. Sie erhebt auch schwere Vorwürfe gegen Deutschland. "Deutschland bringt Aktivisten zum Schweigen und bedroht sie, wenn sie sich gegen den Genozid und die Besatzung in Palästina aussprechen. Die Deutsche Polizei behauptet, es sei Antisemitismus, zu sagen, dass Israel aufhören soll, Kinder zu bombardieren."
Protestcamp bestand über mehrere Monate
Das Protestcamp am Universitätsgelände hatten Studenten im Mai dieses Jahres errichtet, es sollte nur wenige Tage bestehen. Jedoch wechselte es mehrfach den Platz und wurde schließlich zu einer dauerhaften Einrichtung. Die Hochschulleitungen von Technischer Universität und der Fachhochschule Dortmund hatten sich in einem Statement dazu geäußert, dass Hochschulen Orte für einen offenen Diskurs und Dialog sein müssten - allerdings mit einer Einschränkung: "Protestformen müssen jedoch rechtskonform und frei von Diskriminierung sein. Niemand darf sich auf unserem Campus bedroht fühlen. Jede Form von Antisemitismus oder Rassismus ist eine rote Linie, deren Überschreitung wir nicht dulden werden."
Letztlich wechselte das Protestcamp im Juli auf eine grüne Wiese, neben dem Universitätsgelände. "Da es sich bei dieser Wiese um öffentlichen Raum handelt, hat die Universität keinen Einfluss darauf, ob und wie lange das Camp dort bestehen bleiben darf. Gemäß Versammlungsrecht liegt diese Entscheidung bei der Polizei." Diese schritt dann gestern Abend ein, mit der Ankündigung des Thunberg-Auftritts: das Camp musste umgehend abgebaut werden.
Früher Klima, jetzt Palästina
Die 21 Jahre alte Thunberg kann bereits auf eine wechselhafte Karriere zurückblicken. Ursprünglich wurde sie durch ihren "Schulstreik fürs Klima" weltweit bekannt. Aus ihrer Protestaktion ist die internationale Klimabewegung Fridays for Future entstanden. Seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel vor einem Jahr und dem darauffolgenden militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen hat sie sich mehrfach mit den Palästinensern solidarisiert und Israel Völkermord vorgeworfen.
Kritiker werfen der Schwedin Einseitigkeit vor. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte Thunbergs Äußerungen zum Nahostkonflikt im vergangenen Jahr "israelfeindlich und durch die verklausulierte Aberkennung des Existenzrechts Israels auch antisemitisch".
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, forderte in einer ersten Reaktion eine Einreisesperre für Greta Thunberg. "Wer hier einreist, um gegen Israel zu hetzen und unsere Polizei zu verunglimpfen, hat in Deutschland nichts zu suchen", sagte der CDU-Politiker der Bild-Zeitung. "Ich halte es nicht nur für angebracht, sondern sogar für notwendig, dass die Bundesinnenministerin für die Zukunft eine Einreisesperre gegen diese Antisemitin erlässt."
Unsere Quellen:
- Polizei Dortmund
- dpa
- TU Dortmund & FH Dortmund
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Greta Thunberg habe durch die Polizei Dortmund ein Auftrittsverbot erhalten. Tatsächlich hat die Polizei das Protestcamp, bei dem Thunberg auftreten sollte, verboten.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 08. Oktober auch in den Hörfunk-Nachrichten von WDR aktuell.