OPEC vs. COP: Der Eklat Aktuelle Stunde 09.12.2023 UT Verfügbar bis 09.12.2025 WDR Von Meike Hendriksen

Eklat auf der Klimakonferenz: Aufruf von Öl-Kartell sorgt für Ärger

Stand: 09.12.2023, 20:15 Uhr

Kurz vor dem Ende der Klimakonferenz in Dubai sorgt ein Brandbrief der OPEC für einen Eklat. Darin warnen die Öl-Exporteure vor einem etwas anderen Kipppunkt: Sie haben Angst, dass in der Abschlusserklärung das Ende der fossilen Energien unwiderruflich festgehalten wird.

Berichte über einen Brief des Ölkartells OPEC haben bei der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Empörung ausgelöst. Darin ruft die OPEC dazu auf, jegliche Beschlüsse gegen fossile Energien zu blockieren. Die Umweltministerin des derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Spanien, Teresa Ribera, nannte die Intervention "widerwärtig". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, bei den Klimaverhandlungen dürfe nicht "eine Allianz der alten fossilen Welt" das letzte Wort haben.

OPEC-Generalsekretär Haitham al-Ghais | Bildquelle: AP / Kamran Jebreili

Der Verbund von Ölstaaten schreibt nach Angaben von mehreren Nachrichtenagenturen in dem Brandbrief mit "einem Gefühl höchster Dringlichkeit" an seine Mitglieder:

"Es scheint, dass der unangemessene und übertriebene Druck gegen fossile Brennstoffe einen Kipppunkt mit unumkehrbaren Konsequenzen erreichen könnte." Haitham Al Ghais, OPEC-Generalsekretär

Die OPEC-Staaten und auch andere seien aufgefordert, "proaktiv" jeden Vorschlag abzulehnen, der fossile Energieträger - und nicht nur ihre Emissionen - ins Visier nehme. Beschlüsse zum Ausstieg aus Öl und Gas gefährdeten "Wohlstand und die Zukunft".

Lorenz Beckhardt am Samstag auf der COP28 in Dubai. | Bildquelle: WDR / Lorenz Beckhardt

Für den WDR ist Klimaexperte Lorenz Beckhardt aus der WDR-Wissenschaftsredaktion in Dubai, er hat seit 2009 fast alle Konferenzen besucht.

WDR: Wie ist der Brief vor Ort auf der COP28 in Dubai angekommen?

Lorenz Beckhardt: Natürlich als ein ganz massiver Angriff auf den Verhandlungsprozess. Hier bei dieser Klimakonferenz findet eine globale Bestandsaufnahme statt, das heißt, alle fast 200 Mitgliedsstaaten haben ihre nationalen Klimaschutz-Maßnahmen auf den Tisch gelegt und dann wurde zusammengerechnet und abgerechnet inwiefern man auf dem berühmten 1,5-Grad-Pfad des Pariser Abkommens liegt. Und da liegen wir sehr weit davon entfernt, wir sind irgendwo in der Nähe von drei Grad Temperatur-Erhöhung zum Ende des Jahrhunderts. Damit ist klar, dass man noch schneller als bisher aus den fossilen Energien aussteigen muss.

Klimaaktivisten aus Europa protestieren am Samstag auf dem COP28-Gelände. | Bildquelle: IMAGO/Achille Abboud

Und es gibt eine sehr, sehr große Mehrheit der Staaten hier auf der Klimakonferenz, die in einer Abschluss-Erklärung irgendwas davon drin stehen haben will, dass es einen Komplett-Ausstieg von allen fossilen Energieträgern geben wird. Nicht nur von der Kohle, das ist bereits verabredet, sondern auch von Öl und Gas. Wie scharf das formuliert wird, das ist jetzt noch Teil des Verhandlungsprozesses. Aber dann platzt plötzlich dieser Brief der OPEC hier rein und legt dreizehn Staaten, die hier mitverhandeln, nahe, dass sie eben auf keinen Fall einer solchen Erklärung zustimmen sollen und torpedieren damit im Grunde genommen das Verhandlungsergebnis und den Erfolg dieser Klimakonferenz. Wenn sich diese OPEC-Position durchsetzt, dann wird diese Konferenz ganz sicher total scheitern.

WDR: Wieviel Macht haben die OPEC-Staaten denn auf dieser Konferenz?

Beckhardt: Also grundsätzlich herrscht hier bei den Vereinten Nationen das Konsens-Prinzip. Das heißt, so eine völkerrechtlich verbindliche Erklärung kann nur von allen Staaten im Konsens verabschiedet werden. Wenn es nun in den nächsten Tagen nicht gelingt, die dreizehn OPEC-Staaten wieder von dieser Maximalposition runter zu bringen, dann kann diese Konferenz nichts anderes beschließen und dann wird es ein Scheitern.

WDR: Wie bedeutsam ist so eine Abschlusserklärung überhaupt, wie verbindlich ist sie?

Eine Blockade der OPEC-Länder wird möglicherweise das Pariser Klimaziel gefährden. | Bildquelle: AFP

Beckhardt: Sie ist natürlich nicht rechtlich zwingend verbindlich für jeden nationalen Staat. Trotzdem sendet das ein Signal. Jede dieser Klimakonferenzen ist immer ein ganz kleines Stück in den Abschlusserklärungen nach vorne geschritten. Aber eine Blockade der OPEC-Staaten würde das Ganze möglicherweise noch einmal um ein paar Jahre zurückwerfen. Stoppen kann es den globalen Klimaschutz nicht, aber es wird das Pariser Klimaziel möglicherweise gefährden.

WDR: In dem Brief der OPEC wird auch vor einem "tipping point", also einem Kipppunkt gewarnt. Diesen Begriff kennt man im Klimaschutz sonst unter einer anderen Bedeutung.

Ein Kipppunkt für das Klima: Das Auftauen des Permafrost-Bodens. | Bildquelle: BR

Beckhardt: Gewöhnlicher Weise versteht man im Klimaschutz darunter zum Beispiel, dass das antarktische oder das grönländische Eis schmilzt oder dass der Permafrost-Boden in Sibirien auftaut. Und dass dies dann zu unwiederbringlichen und nicht wieder rückgängig zu machenden Schäden und zu einer Verschärfung des Klimawandels führt.

In der Klimawissenschaft spricht man aber mittlerweile auch von sozialen Kipppunkten. Und so wie es soziale Kipppunkte geben kann, wenn sich zum Beispiel eine Bevölkerung eines Landes massiv und einheitlich dafür entscheidet, aus den fossilen Energieträgern aus- und in die erneuerbaren einzusteigen und man sagt, dass ist ein unumkehrbarer gesellschaftlicher Prozess.

Und so spricht jetzt umgekehrt die OPEC davon, dass es einen sozialen Kipppunkt geben könnte, wenn die Weltgemeinschaft sich gemeinsam dafür entscheidet, aus den fossilen Brennstoffen komplett auszusteigen, weil das dann womöglich nie wieder rückgängig zu machen ist. Und das ist ganz offensichtlich ein Schreckensszenario für die Öl und Gas produzierenden Länder und deswegen dieser Appell an die OPEC-Mitgliedsstaaten: Verhindert das auf dieser Klimakonferenz, egal was passiert. Wenn sich die Weltgemeinschaft einmal in so einer Klimakonferenz-Erklärung ganz klar von fossilen Energien verabschiedet hat, dann wird das nicht mehr rückgängig zu machen sein.

WDR: Hat sich der Präsident der COP28, Sultan Ahmed al-Dschaber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, schon zu dem Brief geäußert?

Beckhardt: Bisher noch nicht, aber er sitzt jetzt natürlich ganz eng zwischen zwei Stühlen: Er hat auf der einen Seite die Mehrheit der Staaten auf dieser Klimakonferenz, allen voran die EU und Deutschland, die ihn dazu drängen, dass es zu einer harten Abschlusserklärung kommt, in der drin steht: Raus aus den Fossilen und zwar komplett - und auf der anderen Seite sind die Vereinigten Arabischen Emirate natürlich auch Mitglied der OPEC. Und das heißt, seine engsten Vertrauten, seine engsten Partnerstaaten wollen jetzt in eine gegensätzliche Richtung gehen.

Und damit sitzt er ziemlich in der Klemme. Zu Beginn dieser Konferenz hat er sich geschworen, und hat das immer wieder betont, dass diese Konferenz ein Erfolg werden muss. Das heißt, er will unbedingt eine brauchbare und für den Klimaschutz gute Erklärung am Ende dieser Konferenz haben. Und wie er das Problem lösen kann - oder will - das ist noch völlig unklar.

Das Gespräch führte Meike Hendriksen.

Über dieses Thema berichtete der WDR am 09.12.2023 auch im Fernsehen in der Aktuellen Stunde.

Unsere Quellen:

  • dpa
  • Reuters
  • AFP