WDR: Was erwarten Sie von der Klimakonferenz in Dubai?
Lorenz Beckhardt: Es stehen ein paar überschaubare Verhandlungsthemen an. Wie bei allen Konferenzen wird das wichtigste Thema aus Sicht der Mehrheit der Staaten die Finanzierungsfrage sein. Am Ende dreht sich vieles ums Geld. Für die meisten Länder im globalen Süden ist die Transformation von den fossilen zu den erneuerbaren Energien nur durch finanzielle Hilfen aus den Industrieländern und großen Schwellenländern möglich. Es gibt da verschiedene Fonds, die aufgefüllt werden müssen, sowohl für Klimaschäden als auch Klimaschutz- und anpassung.
WDR: Sind abseits dessen noch große Entscheidungen zum Klimaschutz zu erwarten?
Beckhardt: Ich glaube nicht, dass da in Dubai wahnsinnig viel Neues rauskommt. Das Wesentliche ist bekannt. Der Pariser Klimavertrag sieht vor, dass die Länder in Fünf-Jahres-Abständen ihre eigenen Klimaziele auf den Tisch legen müssen. Das haben sie vor der Konferenz getan. Es ist unwahrscheinlich, dass während dieser Konferenz einer der großen Player wie die USA oder China oder auch die EU sagen, sie legen noch mal nach.
Im Moment sieht es so aus, dass die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts bei drei Grad liegen wird - trotz der bislang geplanten Klimaschutzmaßnahmen der Staaten. Das ist deutlich mehr als die 1,5 Grad, die im Pariser Abkommen als Ziel genannt sind. Es ist aber auch deutlich weniger, als es ohne die Maßnahmen wäre, die bei den vielen Klimakonferenzen verabredet wurden.
WDR: Klingt so, als könne man von dieser Klimakonferenz nicht viel erwarten.
Beckhardt: Das würde ich nicht sagen. Man darf zum Beispiel nicht vergessen, dass diese Klimakonferenzen auch immer einen Rahmen setzen als Orientierung für die Weltwirtschaft. Die Unternehmen orientieren sich für die kommenden Jahre daran, was dort vereinbart wird an Zielen.
In Deutschland etwa investieren Unternehmen bereits in eine neue Energieinfrastruktur auf der Basis von Wasserstoff. Dafür hat das Pariser Abkommen den Rahmen gesetzt. Und es geht immer noch darum, einen kompletten Ausstieg aus den fossilen Energiequellen mit einem Datum festzuhalten, möglichst zur Mitte des Jahrhunderts. Das ist schon im vergangenen Jahr in Ägypten gescheitert und wird jetzt wieder versucht.
WDR: Wie realistisch ist das denn, wenn man bedenkt, dass die Verhandlungen in Dubai von den Vereinigen Arabischen Emiraten geführt werden - einem großen Öl-Exporteur. Ist es nicht eine Fehlentscheidung, solch eine Konferenz dort stattfinden zu lassen?
Beckhardt: Am Ende spielt der Ort, an dem das Treffen ausgerichtet wird, gar nicht so eine wahnsinnig große Rolle. Klimaschützer sagen natürlich, man macht den Bock da zum Gärtner. Aber wenn die Staatengemeinschaft etwas entscheiden will, dann macht sie das auch in Dubai. Und die Gastgeber selbst wollen ja keine Konferenz, die auf der ganzen Linie scheitert, denn das fällt immer auch auf sie zurück.
WDR: Wie kommt es überhaupt dazu, dass in der Wüste eine Klimakonferenz ausgetragen wird?
Beckhardt: Das liegt an den Modalitäten der UN. Es gibt mehrere Ländergruppen, die abwechselnd im Rotationsprinzip Ausrichter sind. Jetzt ist Asien dran. Natürlich hätte es auch Vietnam oder Thailand werden können. Eine solche Konferenz kostet aber viel Geld, und man muss die Infrastruktur haben. Ein Land wie Laos hätte das womöglich gar nicht auf die Beine stellen können.
WDR: Trotzdem steht die Frage im Raum, was diese gigantischen Klimakonferenzen überhaupt bringen. Haben sie noch einen Nutzen?
Beckhardt: Die Fakten sprechen schon dafür. Natürlich findet Klimaschutz immer vor Ort im Kleinen statt, wenn zum Beispiel im Sauerland ein Windrad aufgestellt wird. Aber der Rahmen dafür, dass so was global angegangen wird, kann nur auf solchen Konferenzen gesetzt werden. Ohne die Maßnahmen, die die Staaten jetzt schon realisiert und zugesagt haben, würden wir eher auf ein Plus von fünf bis sechs Grad kommen bis zum Ende des Jahrhunderts.
Man darf diese Klimakonferenzen nicht so verstehen, dass da wie im Bundestag Gesetze beschlossen werden. Es geht um Abstimmung zwischen den Staaten der Welt, um diplomatischen Druck und internationale Zusammenarbeit nach dem Motto: Man sieht sich immer mehrmals. Das ist mehr als nur Palaver auf öffentlicher Bühne.
WDR: Das heißt, die großen Auftritte der Staats- und Regierungschefs jetzt sind eigentlich nur Show?
Beckhardt: Ja, das was jetzt zu Beginn stattfindet, das ist nur ein Schaulaufen. Wichtig ist aber, was danach passiert, wenn auf der Ebene der Fachleute diskutiert wird. Das Erfolgsrezept der Pariser Konferenz war es, dann, wenn es ums Ganze geht in den Verhandlungen, dann die Regierungschefs rauszuhalten.
WDR: In letzter Zeit konnte man den Eindruck bekommen, dass der Kampf gegen den Klimawandel ins Stocken geraten ist. Gibt es denn auch positive Entwicklungen, die Hoffnung machen?
Beckhardt: Die gibt es! Beim Ausbau der Elektromobilität und der Photovoltaik liegen wir global gesehen auf dem Pfad des Pariser Abkommens. Da kommen wir also voran. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten kosten gerade viel Aufmerksamkeit und auch Geld. Aber andere internationale Prozesse in der Klimapolitik werden dadurch nicht aufgehalten. Der Klimawandel bleibt das größte Menschheitsthema für die nächsten 100 Jahre. Da kommen wir nicht raus.
Das Gespräch führte Christian Wolf.