Ricarda Louk, die in Israel in einem Dorf zwischen Jerusalem und Tel Aviv lebt, schildert per Video-Telefonat, wie sie die Lage erlebt. "Morgens um sechs Uhr gab es Alarm, wenig später schlugen hier Raketen ein", erzählt sie mit versteinerter Miene. Sie habe gleich versucht, ihre Tochter Shani zu erreichen. Die 22-Jährige war auf einem Musikfestival im Süden Israels, gemeinsam mit einer Touristengruppe. Shani sei etwas in Panik gewesen, weil auch sie die Raketen gehört habe und deshalb in einem Bunker Schutz suchen wollte. Doch das war der vorläufig letzte Telefonkontakt zwischen Mutter und Tochter. "Später nahm sie nicht mehr ab, und wir wussten nicht, wo sie ist", sagt Ricarda Louk.
Anstelle eines Lebenszeichens bekam die Familie eine schockierende Nachricht: Shani Louk wurde offenbar von Hamas-Terroristen als Geisel genommen. Das soll ein Video zeigen. Darauf zu sehen ist eine junge Frau, die bewusstlos und mit einer blutenden Wunde am Kopf auf der Laderampe eines Pkw liegt. Um sie herum jubeln Terroristen. Shanis Familie, die diese Bilder sieht, ist fassungslos und entsetzt. "Das war Shani", ist die Mutter sich sicher.
Familie will mit Hilfe aus Deutschland Druck aufbauen
Shani ist offenbar nicht die einzige, die von Hamas-Terroristen entführt und mit dem Auto in den Gaza-Streifen gebracht wurde. "Man spricht von mindestens 180 Leuten, alles Zivilisten", so Ricarda Louk. Bedrückt fügt sie hinzu: "Das ist verrückt, sowas haben wir hier noch nie erlebt."
Fieberhaft versuchen die Angehörigen, Unterstützung zu organisieren. Die Familie lebt seit Jahren in Israel, stammt aber aus Ravensburg in Baden-Württemberg. Hilfesuchend hat sie sich an die deutsche Botschaft gewandt. Inzwischen kümmert sich ein Vertreter des Bundeskriminalamts um den Fall. "Wir versuchen, mehr Druck auszuüben, weil Shani eine deutsche Staatsbürgerin ist", erklärt ihre Mutter. "Wir brauchen jede Hilfe. Israel ist total überfordert im Moment", fügt sie hinzu.
"Es sind Terroristen im Haus"
Auch das Leben des Israelis Yoni Asher ist von heute auf morgen ein anderes. Er will seine Frau, eine deutsche Staatsbürgerin, seine drei- und fünfjährigen Töchter und seine Schwiegermutter auf einem Entführungsvideo der Hamas erkannt haben. Die Kinder wollten in Begleitung ihrer Mutter Doron Katz-Asher die Oma besuchen, die in einem Kibbutz nahe des Gazastreifens lebt. Doch dann brach der Terror über Israel herein und die Familie wurde offenbar verschleppt.
"Es sind Terroristen im Haus", das waren die bislang letzten Worte, die Katz-Asher von seiner Frau via Telefon hörte. "Es ist alles so schwierig für mich“, sagt Yoni Asher dem WDR. Er habe das Handy seiner Frau im Gaza-Streifen lokalisieren können. "Verstehen Sie die Bedeutung, wenn Ihre Kinder von Terroristen entführt wurden?" fragt er den Tränen nahe. Er könne an nichts anderes mehr denken als an das Schicksal seiner Angehörigen. Von deutschen und israelischen Behörden fühlt er sich alleingelassen.
Das ist bei Ricarda Louk anders, sie sei in gutem Kontakt mit dem Bundeskriminalamt, sagt sie. Die Hoffnung, dass Shani wiederkommt, gibt sie nicht auf. Ihre Tochter sei so eine lebenslustige, herzliche und offene junge Frau. "Ich kann es immer noch nicht fassen", so die Mutter. Es gebe so viele Gerüchte, in einem Medienbericht sei sie sogar schon für tot erklärt worden. "Im Moment weiß aber niemand was", betont Ricarda Louk.