Prämie gegen Krankmeldung: Arbeitsrechtler und Gewerkschaft skeptisch

Stand: 07.09.2024, 14:11 Uhr

Das Kieler Verkehrsunternehmen KVG zahlt seinen Beschäftigten bis zu 1.000 Euro Prämie im Jahr. Dadurch soll der Krankenstand sinken, denn die Prämie gibt es nur bei Anwesenheit. Doch das Modell birgt Risiken.

Busfahrerinnen und Busfahrer der Kieler KVG erhalten die Prämie, wenn sie wenig bis gar nicht krank sind. Pro Quartal gibt es 250 Euro. Wer in drei Monaten an keinem Tag krankheitsbedingt fehlt, erhält die volle Prämie.

Bei bis zu zwei Krankheitstagen gibt es noch 200 Euro, bei drei und vier Tagen 125 Euro. Wer länger krank ist, geht leer aus. Maximal können so 1.000 Euro im Jahr zusammenkommen.

Mehr als 300 Mitarbeitende leer ausgegangen

Viele Verkehrsunternehmen in Deutschland haben Personalmangel und mit einem hohen Krankenstand zu kämpfen. Die Düsseldorfer Rheinbahn beispielsweise ist so unpünktlich wie seit Jahren nicht, unter anderem weil der Krankenstand hoch ist.

In Kiel soll die Prämie dabei helfen, Fehlzeiten zu reduzieren. Laut KVG haben jetzt rund 500 Beschäftigte die erste Prämie für Mai bis August bekommen - mehr als 300 Mitarbeitende sind leer ausgegangen, berichtet der NDR.

Prämie könnte Krankenstand erhöhen

Der Arbeitsrechtler Michael Felser rechnet nicht damit, dass sich Situation in Kiel durch die Prämie nachhaltig verbessern wird. "Solche Prämien haben sich in der Praxis nicht durchgesetzt", sagt er dem WDR. Er kenne kaum Unternehmen, die davon Gebrauch machen. Diese Form der Prämie sei nicht zu Ende gedacht.

Für den Arbeitgeber könnte das Experiment sogar nach hinten losgehen, argumentiert der Jurist. Wer wegen einer kurzen Krankheit keine Aussicht mehr auf die Prämie hat, sei nicht motiviert, schnell wieder zur Arbeit zu kommen. Viel wirksamer wäre ein gutes Arbeitsklima.

Belastung bei der Arbeit senken

Die einfache Formel: "Wenn Arbeitnehmer sich freuen, zur Arbeit zu gehen, machen sie weniger 'blau'", sagt Felser. "Sie feiern nicht nur weniger krank, sie werden auch seltener krank." Ähnlich sehen es die Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaft Verdi.

Aus ihrer Sicht müssen sich die Arbeitsbedingungen in den Verkehrsbetrieben ändern. Ungünstige Dienste und Arbeitszeiten seien das Problem, sagt Peter Büddicker, Branchenkoordinator Busse und Bahnen bei Verdi NRW. Eine nachhaltige Senkung des Krankenstandes würde sich durch Prämien nicht erreichen lassen. "Aus unserer Sicht also ein Irrweg", so Büddicker.

Unsere Quellen:

  • Norddeutscher Rundfunk
  • Gewerkschaft Verdi NRW
  • Rechtsanwalt Michael Felser