Computerchip im Hirn: Was Implantate können und was nicht

Stand: 31.01.2024, 17:21 Uhr

Das Start-up-Unternehmen Neuralink von Milliardär Elon Musk hat erstmals einem Patienten einen Computerchip im Gehirn eingesetzt. Auch andere Unternehmen arbeiten bereits mit Hirnimplantaten. Ein Blick auf die Entwicklungen.

Schon heute ist für viele Menschen ein Leben ohne Smartphone kaum mehr vorstellbar. Wir verschmelzen immer mehr mit der Technik - auch mit solcher, die uns bei gesundheitlichen Problemen hilft. Herzschrittmacher oder Hörimplantate gibt es schon lange. Forscher sind längst dabei, an Chips zu arbeiten, die in unserem Nervensystem eine Rolle übernehmen könnten.

Mit Gedanken das Handy steuern?

Elon Musk hinter dem Schriftzug Neuralink | Bildquelle: Reuters

Gerade sorgt Tech-Milliardär Elon Musk mit seinem Start-up Neuralink für Schlagzeilen. Das Unternehmen hat erstmals einem Patienten einen Computer-Chip im Gehirn eingesetzt, der nun an einer klinischen Studie teilnimmt. Hirnimplantate wie die von Neuralink sollen künftig Menschen mit neurologischen Krankheiten helfen und ihnen einen direkten Zugriff auf Computer und Künstliche Intelligenz ermöglichen. Im Beispielfall geht es um Querschnittsgelähmte. "Es erlaubt nur durch das Denken die Kontrolle über Handy oder Computer", schrieb Musk auf X.

Bestenfalls könnten künftig also Patienten mit ihren Hirnsignalen einen Cursor auf einem Monitor lenken. Bislang werde allerdings nur berichtet, dass Nervensignale von diesem Chip im Gehirn gemessen werden, erklärt WDR-Wissenschaftsjournalist Michael Lange.

Wie sieht so ein Chip aus und wie wird er verbaut?

Erfahrungen wurden bislang in Tierversuchen mit kleinen Affen gemacht. "Dieser Chip ist ein Computerbauteil, so groß wie eine 20-Cent Münze", so Michael Lange. Der Chip werde an die Gehirnoberfläche gepflanzt - in der Hoffnung, dass der er mit dem Gehirn Kontakt aufnimmt. Das geschehe durch sehr feine Drähte mit mehr als 1.000 Elektroden, dünner als ein menschliches Haar, die nur mit einem Spezialroboter implantiert werden könnten.

"Diese Verbindung zwischen Nervenzellen und Computerbauteilen muss ein Spezialroboter machen, weil kein Neurochirurg so fein arbeiten kann. Selbst mit einem speziellen Operationsmikroskop geht das nicht." Diese Technik sei so neu, man wisse nicht, was dabei herauskommt.

Das sieht der Neurotechnologe Rüdiger Rupp vom Universitätsklinikum Heidelberg ähnlich. Unklar sei etwa, wie viele Drähte implantiert worden seien und ob der Versuch auf eine bestimmte Frist oder dauerhaft ausgelegt sei. Dass neuronale Aktivität abgeleitet werden konnte, bedeute erst einmal wenig. "Das heißt noch keine Kontrolle eines Smartphones", betonte Rupp gegenüber der dpa.

Wie revolutionär ist das?

Musks Start-up ist nicht das einzige Unternehmen, das an Hirn-Computer-Schnittstellen arbeitet. 2019 stellte das Forschungsinstitut Clinatec im französischen Grenoble ein Implantat vor, das Querschnittsgelähmten implantiert werden soll, damit sie darüber ein Exoskelett steuern, ihre Arme wieder bewegen oder sich fortbewegen können.

Im Juli 2022 verkündete die australische Firma Synchron, sie habe erstmals einem Patienten einen Chip am Gehirn angebracht. Anders als bei Neuralink wird das Synchron-Implantat von außen mit dem Hirn verbunden, sodass die Schädeldecke des Patienten nicht geöffnet werden muss.

Im September kündigte das niederländische Unternehmen Onward an, die Kopplung eines Hirnimplantats mit einem Implantat, das das Rückenmark stimuliert, zu testen. Auf diese Weise sollen an Armen und Beinen gelähmte Menschen wieder mobil werden.

Gibt es in Deutschland vergleichbare Studien?

"Es gab auch schon in Deutschland dazu Veröffentlichungen mit einem EEG, also mit einer Haube hat man versucht, Cursor auf einem Monitor zu bewegen. Das hat in Ansätzen funktioniert. Es ist keine einfache Forschung, sie kommt sehr langsam, mit vielen Rückschlägen voran", so der WDR-Wissenschaftsjournalist Michael Lange.

Wie gefährlich ist das?

Einen Chip mal eben unter die Haut zu pflanzen, ist auch nicht ganz ungefährlich. "Die meisten Ärzte sehen das Ganze skeptisch", sagt Lange. So ein Chip sei ein Fremdkörper, auf den das Immunsystem reagiere. Entzündungen und Infektionen seien möglich.

Das Risiko sieht auch Neuroinformatiker Moritz Grosse-Wentrup von der Universität Wien: "Man ist im Gehirn drin." Das berge immer das Risiko von Infektionen, zudem setze sich Hirngewebe wie jedes andere zur Wehr, etwa mit Abkapselungsreaktionen. Wirklich beurteilen könne man Musks Neuralink darum erst in einigen Jahren. Mit ersten Zulassungen sei gegebenenfalls erst in etwa einem Jahrzehnt zu rechnen.

Unsere Quellen:

  • WDR-Interviews
  • dpa
  • AFP

Über dieses Thema berichtete der WDR am 31.01.2024 auch im Hörfunk, im WDR5-Morgenecho.