Immer wieder Messerangriffe: Sinkt dadurch bei manchen Menschen die Hemmschwelle? Aktuelle Stunde 31.08.2024 36:54 Min. UT Verfügbar bis 31.08.2026 WDR Von Andreas Moos

Messerangriffe: Gibt es einen Nachahmungseffekt?

Stand: 01.09.2024, 09:31 Uhr

Seit dem Anschlag von Solingen vor einer Woche hat es mehrere weitere Angriffe mit Messern in NRW gegeben. Nur Zufall? Oder gibt es einen Zusammenhang?

Von Andrea Moos

Die Fälle sind ganz unterschiedlich, doch immer war die Tatwaffe ein Messer und sie ereigneten sich alle innerhalb weniger Tage nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen: In Moers und Recklinghausen werden Polizisten mit Messern bedroht, in Siegen sticht eine mutmaßlich psychisch kranke Frau wahllos auf Menschen in einem Bus ein. Am Sonntagvormittag schwebten zwei 19 und 21 Jahre alte Männer immer noch in Lebensgefahr.

Für Oliver Huth vom Bund deutscher Kriminalbeamter kann das kein Zufall sein: "Ich glaube, es tritt ein Nachahmungseffekt auf", sagte er dem WDR. Menschen mit psychischen Problemen orientierten sich an solchen Taten und fänden darin ein Modell für ihr eigenes Handeln.

Berichterstattung kann Auslöser für weitere Taten sein

Gina Rosa Wollinger | Bildquelle: picture alliance / Holger Hollemann/dpa

Tatsächlich gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass eine breite Berichterstattung über bestimmte Verbrechen Nachahmer zu weiteren Taten motivieren kann. "Diesen Effekt kennen wir aus dem Bereich der Amok-Taten", sagt die Kriminologin Gina Rosa Wollinger. Ähnliche Untersuchungsergebnisse gebe es aber auch im Bereich der Suizide.

Bei Suiziden ist der Effekt also wissenschaftlich belegt. Medien sind deshalb angehalten, nur sehr zurückhaltend über Selbsttötungen zu berichten - im Zweifelsfall auch gar nicht. Bei anderen Gewaltdelikten ist dieser Nachahmungseffekt hingegen noch nicht erwiesen. Aber eben auch nicht auszuschließen.

Medien müssen berichten

Der Presserat ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien in Deutschland. Seine ethischen Regeln sind im so genannten Pressekodex festgehalten. Dort heißt es: "Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung." Dennoch hätten Medien keine andere Wahl, als ausführlich über Gewalttaten wie in Solingen zu berichten, so Manfred Protze, Sprecher des deutschen Presserats: "Weil das Ereignisse sind, die die Gesellschaft insgesamt berühren." Nicht nur, weil es um ein schweres Verbrechen geht, sondern es auch einen politischen Hintergrund gebe.

Über solche politischen Hintergründe und auch über mögliche Konsequenzen muss eine Gesellschaft öffentlich diskutieren. Damit das nicht zum Auslöser für weitere Taten wird, wünscht sich Huth daher mehr Aufmerksamkeit für Menschen mit psychischen Problemen, die potenziell zu Tätern werden könnten.

Unsere Quellen:

  • Interviews mit Oliver Huth, Gina Rosa Wollinger und Manfred Protze
  • Pressekodex