Der Medikamentenmangel in Deutschland spitzt sich offenbar weiter zu. Von den Lieferengpässen sind nicht nur Medikamente wie Fiebersäfte, Asthmamittel und Antibiotika betroffen. Es fehle zum Teil auch an Notfall-Medikamenten in Kliniken, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Wie gehen Ärzte und Apotheker damit um? Auf welche Alternativen greifen sie zurück? Und was können Patientinnen und Patienten tun?
Hoffnungen auf einfache Tipps und Alternativen bei fehlenden Medikamenten muss Axel Gerschlauer enttäuschen. Der NRW-Sprecher des Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat eine eigene Praxis in Bonn. Auch er sieht sich gezwungen zu Alternativen zu greifen, obwohl das "frustrierend" sei, wie er dem WDR sagt.
Erwachsenen-Arznei für Kinder - aber geringer dosiert
Eine Alternative zu Fiebersäften seien bei kleinen Kindern Zäpfchen, aber auch diese seien mittlerweile knapp, ist Gerschlauers Erfahrung. Manchen Kindern verschreibe er daher Arznei für Erwachsene. Zum Beispiel Schmerztabletten: Da rechne er notgedrungen die Dosierung runter. Und zum Teil müssten Apotheker die Tabletten dann noch mörsern. Selbst bei einem Medikament für einen Mukoviszidose-Patienten sei das schon erforderlich gewesen.
Hausmittel - aber nicht in jedem Fall
In manchen Krankheitsfällen würden auch Hausmittel helfen, aber nicht generell, so Gerschlauer. Bei Fieber zum Beispiel könnten Wadenwickel nur dann helfen, wenn die Beine heiß seien. Außerdem gebe es auch keine einheitliche Temperatur, ab der man Fieber medikamentös behandeln sollte. Nicht die Zahl auf dem Thermometer sei entscheidend, sondern, wie es dem Patienten oder der Patientin gehe.
Tipps zum Umgang mit Fieber bei Kindern gibt Gerschlauers Verband über seine Website "Kinder- und Jugendärzte im Netz". Fieber sei eine "Schutzreaktion des Körpers", heißt es dort, grundsätzlich also nichts Schlechtes. Um es trotzdem zu behandeln, könnten außer Wadenwickeln und fiebersenkenden Zäpfchen oder Säften zum Beispiel auch helfen:
- Viel trinken, damit der Körper nicht austrocknet
- Feuchter, lauwarmer Waschlappen auf die Stirn
- Bettwäsche, Handtücher etc. häufig wechseln
- Bettruhe einhalten
- Bei hohem Fieber das Kind nicht zu warm einpacken, damit es nicht noch mehr überhitzt
Antibiotika vorhanden - aber nicht die gewünschten
Bei Antibiotika gebe es grundsätzlich immer Alternativen, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein dem WDR. "Es gibt für jede Erkrankung mehrere Möglichkeiten antibiotisch zu behandeln. Bisher sind ausreichend Alternativen vorhanden."
Nike Strobelt von Kinder- und Jugendärztenetz beklagt jedoch, dass Ärztinnen und Ärzte mittlerweile auf "Antibiotika der zweiten oder dritten Wahl" zurückgreifen müssten. Bedeutet: Sie wirken nicht so gut oder nicht so schnell.
Außerhalb der Schulmedizin gibt es natürlich noch viele andere Alternativen zu fehlenden Medikamenten. Allerdings kommen Homöopathie und heilpraktische Behandlungen für viele Menschen nicht in Betracht, weil sich ein Nutzen gemeinhin nicht nachweisen lässt.
Auch Apotheken bemühen sich um Alternativen
"Aktuell ist die Lage so problematisch wie noch nie", teilt der Apothekerverband Westfalen-Lippe auf WDR-Anfrage mit.
Die Apotheken-Teams seien stets um Alternativen und Lösungen bemüht, so der Verband. Welche das sein könnten, hänge vom Einzelfall ab. Wenn Rezepte neu ausgestellt werden müssten, würden Apotheken zum Teil auch direkt mit den Praxen Rücksprache halten.
Rechtzeitig Folgerezept ausstellen lassen
"Patienten, die dauerhaft auf ein Arzneimittel angewiesen sind, sollten nicht bis zur letzten Tablette warten, sondern sich rechtzeitig ein Folgerezept ausstellen lassen", rät der Apothekerverband. "Allerdings sollten Patienten auch keine Arzneimittel hamstern, weil dies die Lieferengpässe noch verschärft."
Die Alternativen bei fehlenden Medikamenten sind also begrenzt. Daher brauche es vor allem eine politische Lösung, sagen Ärzte und Apotheker. Sowohl langfristig als auch sofort.
Über dieses Thema berichtete am 16.12.2022 um 12.45 Uhr auch "WDR aktuell" im WDR Fernsehen.