Erstes LNG-Terminal eröffnet: Wie wichtig ist es für die Gasversorgung?

Stand: 17.12.2022, 20:19 Uhr

Das erste deutsche Terminal für Flüssiggas ist eröffnet. Mit den LNG-Terminals will die Regierung eine Gasmangel-Lage verhindern. Kritiker warnen, dass die Pläne langfristig überdimensioniert sind.

Zu der Eröffnung des LNG-Terminals gab es in Wilhelmshaven am Samstagvormittag einen Festakt. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) waren dabei.

Die Höegh Esperanza, eine schwimmende Speicher- und Wiederverdampfungsanlage, am 17.12.2022 in Wilhelmshaven | Bildquelle: ddp/Lars-Josef Klemmer

LNG bedeutet liquefied natural gas, also Flüssigerdgas. Das schwimmende LNG-Terminal vor der Nordseeküste soll dazu beitragen, die entstandene Lücke bei der Gasversorgung zu schließen. Doch kann das funktionieren? Und was passiert in Zukunft mit den Terminals? Fragen und Antworten.

Wie funktioniert das Terminal?

Zum Festakt in Wilhelmshaven hat das Spezialschiff Höegh Esperanza angelegt. Es ist das technische Herzstück der Anlage. Es soll künftig das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen. Das soll erstmals am Donnerstag geschehen. Künftig sollen jährlich rund sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs über das Terminal gedeckt werden.

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen läuft auf einem Pier. In Wilhelmshaven wurde der erste Anleger für die Ankunft von Schiffen mit Flüssigerdgas fertiggestellt. | Bildquelle: dpa / Sina Schuldt

Die deutschen Importe sollen auch die Energieversorgung anderer Länder wie Polen, Österreich, Tschechien, der Slowakei und der Ukraine absichern. Das Gas soll aus Norwegen, den USA, aus der Golfregion und den Niederlanden kommen. Betrieben wird das Terminal vom Gas-Importeur Uniper.

Kann die Gas-Lücke so geschlossen werden?

Für diesen Winter sei nicht gesagt, dass wir überhaupt in eine Gasmangellage kommen, betont Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (Saale) gegenüber dem WDR am Samstag. Für ein Worst Case-Szenario müsse es den ganzen Winter "knackig kalt" sein. Doch schon für nächste Woche sei mit milderen Temperaturen zu rechnen.

Oliver Holtemöller, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung | Bildquelle: dpa/Fabian Sommer

Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven sei aber ein "wichtiger Beitrag" um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Allerdings: "Die zusätzliche Anlieferstelle erhöht nicht das weltweite Angebot an Gas. Die Menge, die es auf den Weltmärkten insgesamt gibt, ist begrenzt." Man hätte bereits gesehen, wie schwierig es für die deutsche Regierung war, zusätzliche Gas-Lieferverträge im Ausland abzuschließen.

Das Terminal erhöhe aber die Möglichkeit, sich eigenständig aus dem Ausland zu versorgen. Bislang sei man hier auf Belgien und die Niederlanden angewiesen gewesen. Das Terminal sei daher ein Schritt in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck | Bildquelle: REUTERS

Grundsätzlich würde Deutschland nach dem Wegfall der Nord-Stream-1-Pipeline rund die Hälfte des benötigten Gases fehlen, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck in den Tagesthemen am Freitagabend. Daher sind bereits weitere Terminals in Planung.

Bis Ende nächsten Jahres sollen Anlagen in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, in Stade in Niedersachsen und in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern entstehen. Sie können nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zusammen aber nur ein Drittel der für die Versorgung benötigten Erdgasmenge aufnehmen.

Daher will die Regierung noch weitere Terminals in Auftrag geben. Insgesamt elf Anlagen soll es dann in Deutschland geben. Kritiker bezeichnen das als deutlich überdimensioniert.

Drohen Gas-Überkapazitäten durch die geplanten Terminals?

Sind in vier Jahren sämtliche Anlagen in Betrieb, wird ihre Jahreskapazität bei 73 Milliarden Kubikmetern Erdgas liegen - das sei viel zu viel, kritisiert eine aktuelle Studie des NewClimate Institute, einer Energiewende-Denkfabrik.

"Dann können wir 1,5 Mal so viel Gas importieren, wie wir vor dem Krieg aus Russland bekommen haben." Niklas Höhne vom NewClimate Institute
"Brauchen nicht so viel Gas": Niklas Höhne | Bildquelle: imago images/Eibner

Das Terminal in Wilhelmshaven sei "nicht schlecht", sondern die hohe Zahl der geplanten Terminals, sagte Institut-Mitbegründer Niklas Höhne am Samstag dem WDR. "Wir brauchen gar nicht so viel Gas, denn wir wollen ja langfristig klimaneutral werden." Es drohten erhebliche Fehlinvestitionen, die zum Teil aus Steuergeldern beglichen werden müssten.

Laut Habeck sind die Kapazitäten indes nicht zu hoch. Er verwies in den Tagesthemen darauf, dass die Terminals lediglich ein Drittel des deutschen Verbrauchs sicherstellten.

"Von einer Überkapazität kann gar keine Rede sein." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Wie lange sollen die Terminals in Betrieb gehen?

Bisher wurde die Betriebsgenehmigung nicht begrenzt. Niklas Höhne vom NewClimate Institute befürchtet daher, dass es mit den LNG-Terminals ähnlich wie mit dem Kohle- oder Atomausstieg laufen könnte. "Das Wichtige ist, dass man die Betriebsgenehmigung nur für kurze Zeit erteilt und nicht für immer." Man habe in der Vergangenheit gesehen, wenn Betreiber eine "unendliche" Genehmigung hätten, würden sie "alles versuchen, die auch zu nutzen". Das fürchtet auch die Deutsche Umwelthilfe und will weitere rechtliche Schritte einleiten, um eine Befristung des Betriebs zu erreichen. Eine erste Klage läuft bereits.

Habeck glaubt, dass die Genehmigung Klagen standhalten werde - obwohl für die LNG-Terminals Beteiligungsprozesse eingekürzt wurden. "Die Gerichte werden klug genug sein, die Abwägung immer so vorzunehmen, dass die Alternative mit berücksichtigt wird." Und die Alternative wäre laut Habeck "kein Gas im Winter".

Was bedeutet das für die Energiewende?

Die neue Infrastruktur sei so gebaut worden, dass die Klimaschutzziele bis 2045 erreicht werden könnten, betonte Habeck. Perspektivisch solle der Gasverbrauch reduziert werden, die Terminals seien ein "notwendiger Zwischenschritt" auf dem Weg dahin. Sie könnten zudem auf Wasserstoff umgeswitcht werden, sobald genügend davon vorhanden sei.

Diese Umstellung wird nach Einschätzung von Niedersachsens Ministerpräsident Weil allerdings noch Jahre dauern. Der Vorteil sei aber, dass man mithilfe der Terminals "einen Übergang organisieren" könne. Weil betonte, die Energiewende müsse aus seiner Sicht beschleunigt werden, um die Klimaziele zu erreichen. "Bis wir vollständig auf Erdgas verzichten können, werden noch einige Jahre vergehen. Entscheidend ist, dass wir im Bereich grüner Wasserstoff jetzt schnell Fortschritte erzielen."

"Klimakrise und Energiekrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", betont Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe. "Auch wenn der schnelle Bau der ersten LNG-Projekte für die Versorgungssicherheit wichtig war: Die LNG-Terminals müssen sich an alle Umweltgesetze halten, dürfen nur befristetet und im Einklang mit den rechtlich verbindlichen Pariser Klimazielen genehmigt werden", so Müller-Kraenner. Doch dies sei nicht der Fall. Obwohl der Gas-Verbrauch in Deutschland sinken müsse, drohten nun massive Überkapazitäten.