Ende der Klebe-Blockaden: Strategiewechsel bei der Letzten Generation

Stand: 11.03.2024, 19:40 Uhr

Nicht mehr kleben, aber stören - die Klimabewegung Letzte Generation ändert ihre Taktik und will so auch mehr Menschen dazu bewegen bei Klimaprotesten mitzumachen.

Von Catharina Coblenz

"Ein neues Kapitel im Widerstand wird beginnen" – das kündigt die Letzte Generation auf ihrer Website an. Gemeint ist damit ein Strategiewandel im Protest, den vier Vertreter der Letzten Generation heute vor dem Schloss Bellevue vorgestellt haben. Das Festkleben soll ein Ende haben, weiter gestört wird aber weiterhin.

Bereits für diesen Samstag hat die Letzte Generation neue Proteste in zehn deutschen Städten angekündigt. Geplant seien "ungehorsame Versammlungen" in Berlin, Bremen, Köln, Leipzig, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Regensburg, München und auf Rügen, teilte die Gruppe am Montag mit. Was genau steckt hinter dem Strategiewechsel? Fragen und Antworten.

Was bedeutet der Strategiewechsel?

Bereits Ende Januar kündigte die Letzte Generation ein Ende der Klebe-Proteste an. Die neuen Proteste sollen "deutlich ungehorsamer" sein als angemeldete Demonstrationen, aber "absolut friedlich". Wie diese Versammlungen genau aussehen sollen und wie lange sie dauern, blieb jedoch offen. Bis heute.

Es geht um ein ungehorsames Handlungsangebot für maximal viele Menschen, teilte die Klimabewegung mit. Ziel der Aktionen sei es, mit Menschenmengen Gehwege und Straßen zu blockieren. Am Samstag soll beispielsweise ab 12 Uhr auf der Warschauer Brücke in Berlin demonstriert werden. Alle können dazukommen. Denn: Die Aktivisten wollen für ihre Ziele zukünftig nicht mehr einzeln den Kopf hinhalten, sondern es soll im besten Fall Massenproteste geben.

Die direkte Konfrontation mit unbeteiligten Bürgern oder der Polizei sucht die Letzte Generation dabei nicht mehr. Stattdessen soll es darum gehen mithilfe der Massenproteste ein Gesamtversagen der Bundesregierung aufzuzeigen.

Kleber Adieu: Strategiewechsel der Letzten Generation WDR 5 Mittagsecho 11.03.2024 12:08 Min. Verfügbar bis 11.03.2025 WDR 5

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Inwiefern soll der Widerstand über den Protest auf der Straße hinausgehen?

Dabei will sich die Letzte Generation jedoch nicht allein auf die Wirkung der Straßenproteste verlassen. Zukünftig sei auch geplant Politiker und Entscheidungsträger medienwirksam zur Rede zu stellen.

Pressekonferenz vor Schloss Bellevue | Bildquelle: IMAGO/Metodi Popow

In der heutigen Pressekonferenz vor dem Schloss Bellevue wandte sich die Klimagruppe mit einem Appell an Präsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser solle in einer Rede an die Nation auf die Klimakrise hinweisen und eine Debatte über Sofortmaßnahmen anstoßen, darunter der sofortige Ausstieg aus allen fossilen Energien wie Öl, Kohle und Gas.

Was sind die Gründe für den Strategiewechsel?

Mit ihren Blockaden und Klebeaktionen im Straßenverkehr war die Letzte Generation sehr präsent. Aber viele Menschen waren von den Protestaktionen eher genervt, die Themen der Bewegung rückten immer weiter in den Hintergrund. Die neue Form des Protestes soll dagegen mehr Menschen zum Mitmachen animieren.

Ein weiterer Grund ist laut Protestforscher Vincent August ein "Erschöpfungsgefühl". Gegenüber dem WDR sagte er, dass sich die Protestform erschöpft hat, da sie die Aktivisten erschöpft und "auch immer weniger Aufmerksamkeit" generiert hat. Die Erschöpfung komme auch daher, dass schon viele Mitglieder der Letzten Generation zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden.

"Natürlich bringt uns das auch dazu, dass wir uns überlegen müssen, wo finden wir andere Proteste, wo wir wirklich nachhaltig, unterbrechend, störend, wachrüttelnd protestieren können, aber am Ende nicht alle im Gefängnis sitzen. Weil das bringt uns auch nicht weiter." Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, im WDR-Interview
Sprecherin der Bewegung Carla Hinrichs | Bildquelle: IMAGO/Metodi Popow

Laut Protestforscher August haben die Mitglieder der Letzten Generation "viel abbekommen". Damit hätten sie auch gerechnet, aber sie hätten auch gehofft, dadurch mehr Unterstützung zu bekommen. "Das ist ausgeblieben und verbindet sich mit diesem Erschöpfungsgefühl", so August.

Kann der Strategiewechsel funktionieren?

Es sei wichtig "einen stark institutionalisierten Partner" zu haben. Dass die Letzte Generation nun auf breitere Massenproteste und auf eine stärkere Institutionalisierung, in Richtung Bundespräsident abziele, sei daher folgerichtig, so August.

Der Protestforscher bezweifelt jedoch, dass die Umstellung der Proteste so leicht funktioniert. "Man hat sich jetzt im Grunde über zwei Jahre auch selbst stilisiert, zu einer radikalen Flanke und damit mobilisiert man typischerweise nicht die breite Bevölkerung."

Grundsätzlich kann Stören, laut Vincent August, aber eine gute Strategie sein. "Sie setzt dann meistens darauf, dass es daneben auch noch Überzeugen, im Grunde als zweite Strategie gibt."

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur DPA
  • Protestforscher Vincent August gegenüber WDR 5
  • Carla Hinrichs gegenüber WDR 5
  • Website der Letzten Generation