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So hat Brandenburg gewählt:
Zum achten Mal in Folge hat die SPD die Landtagswahl in Brandenburg gewonnen. Die Partei von Ministerpräsident Dietmar Woidke erzielte nach Angaben des Landeswahlleiters 30,9 Prozent. Die AfD kam nach Auszählung aller Stimmen auf 29,2 Prozent. Auf Rang drei landete das erstmals angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13,5 Prozent, die CDU erzielte 12,1 Prozent. Grüne, Linke, FDP und Freie Wähler scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde und gewannen auch kein einziges Direktmandat, das ihnen zum Einzug in den Landtag verholfen hätte. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,9 Prozent - so hoch wie noch nie bei Landtagswahlen in Brandenburg.
Landtagswahlen mit großer Bedeutung
Mit Spannung wurde nicht nur in Brandenburg auf das Ergebnis der Wahl geschaut. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte angekündigt, nicht wieder als Ministerpräsident zur Verfügung zu stehen, sollte seine SPD nicht stärkste Kraft werden. Den Wahlkampf hatte er komplett darauf zugeschnitten - und genau darauf geachtet, nicht zusammen mit Parteifreund und Kanzler Olaf Scholz aufzutreten. Denn das momentan schlechte Licht, in dem die Ampel-Regierung unter Scholz in Berlin gerade dasteht, sollte nicht auf Brandenburg abstrahlen.
Wäre Woidkes SPD damit hinter der AfD gelandet, hätte Scholz ihm diese Taktik vorwerfen können. So aber dürfte Woidkes gutes Abschneiden nun den Kanzler unter Druck setzen. "Der Kanzler hat heute nicht wirklich was zu gewinnen, aber viel zu verlieren", ordnet Matthias Deiß aus dem ARD-Hauptstadtstudio ein. Das Klima in der Ampel-Regierung werde weiterhin angespannt bleiben.
"Der Wahlkampf in Brandenburg ist zum Wettrennen zweier gesellschaftlicher Lager geworden", analysierte WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn im Vorfeld der Wahl. Die Stimmung sei auf beiden Seiten geprägt von Sorgen und Ängsten - Angst vor wachsender Kriminalität und der Sorge, dass Deutschland wegen der Unterstützung für die Ukraine in den Krieg hineingezogen werden könnte. Zusammen mit den Wahlen in Sachsen und Thüringen kann die Wahl in Brandenburg vielfältige Auswirkungen auf den Bund und auch NRW haben.
NRW-Entscheidung rechtzeitig vor der Wahl
Die CDU landet in Brandenburg deutlich abgeschlagen noch hinter dem BSW auf dem vierten Platz. Es sei gut für Friedrich Merz, dass er die Kanzlerkandidatenfrage vor diesem Dämpfer abgeräumt habe - und damit auch vor den anschließenden Diskussionen, meint Martin Florack, Politikwissenschaftler und Leiter des "Wissenschaftscampus NRW" (WICA) in Oberhausen.
Zu verdanken hat Merz das besonders NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Dieser hatte Anfang der Woche durch den eigenen Verzicht auf auf eine mögliche Kanzlerkandidatur den Weg für Friedrich Merz frei gemacht. Für Florack könnte sich Wüst dadurch als späterer Kanzlermacher erweisen. "Das war ein interessanter Schachzug von Wüst", so der Politikwissenschaftler.
Reaktionen aus der NRW-Politik
Die NRW-SPD wertete den Wahlausgang hingegen als "bedeutsamen Rückschlag" für Friedrich Merz. "Bei der ersten Landtagswahl nach seiner Ernennung zum Kanzlerkandidaten gehört die CDU zu den klaren Verlierern des Abends", teilten die NRW-SPD-Vorsitzenden Sarah Philipp und Achim Post mit. Dem Wahlgewinner Dietmar Woidke gratulierten sie hingegen: "Der heutige Wahlsieg zeigt, dass die SPD dann erfolgreich ist, wenn sie die soziale Sicherheit, die wirtschaftliche Entwicklung und die berufstätigen Familien fest im Blick hat." Das Ergebnis der AfD bezeichneten sie als "bedrückenden Schatten auf den Wahlausgang".
Die AfD in NRW gratulierte unterdessen ihren Parteifreunden in Brandenburg: "Erneut haben wir ein sehr gutes Wahlergebnis eingefahren. Es zeigt deutlich: Die Bürger haben genug von der Politik der anderen Parteien und wissen, nur mit der AfD wird es die dringend notwendige Politikwende geben", so Martin Vincentz, Landessprecher der NRW-AfD.
Das unterscheidet Brandenburg und NRW
Die Zahl der Landtagssitze ist in Brandenburg auf maximal 110 begrenzt. Eine derartige feste Begrenzung gibt es in NRW nicht, sie ist sogar einmalig in Deutschland. Regulär besteht der Potsdamer Landtag aus mindestens 88 Abgeordneten. 44 von ihnen werden per Erststimme in den Wahlkreisen gewählt, die übrigen über die Landeslisten.
Voraussetzung für einen Sitz im Potsdamer Landtag sind regulär mindestens 5,0 Prozent der Zweitstimmen. Ausnahmen gibt es allein für nationale Minderheiten wie die Sorben. Wird die Fünf-Prozent-Hürde nicht genommen, reicht einer Partei bereits ein errungenes Direktmandat, um entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil in den Landtag einzuziehen. Auch diese sogenannte Grundmandatsklausel gibt es in NRW nicht, aber durchaus in anderen Bundesländern. Neben Brandenburg verfügen auch Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein über eine Grundmandatsklausel.
Auswirkungen auf NRW und den Bund
Brandenburg hat im Bundesrat, also der "Länderkammer", in der die Bundesländer mitbestimmen, 4 Sitze. Auch die Bundesländer Sachsen und Thüringen, in denen Anfang September gewählt wurde, verfügen jeweils über 4 Sitze. Zusammen kommen die drei ostdeutschen Bundesländer also auf 12 Sitze in der insgesamt 69 Sitze umfassenden Länderkammer.
Das klingt nach nicht viel, könnte aber bei knappen Abstimmungen entscheidend sein. "Dann könnte eine Landesregierung mit einer Partei, die durchaus auch ein Interesse an Blockade haben könnte, womöglich den Unterschied machen. Nicht sofort, aber mittelfristig", meint der Kölner Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky. Denn die Länder im Bundesrat können ihre Stimmen nur in einer Einheit abgeben. Eine Landesregierung in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen muss sich also vorher darauf einigen, ob sie mit ihren 4 Stimmen im Bundesrat mit "Ja" oder "Nein" stimmen möchte.
Auswirkungen auf die AfD in NRW
Das gute Abschneiden der AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen muss sich nicht direkt auf die Ergebnisse der AfD in NRW auswirken. Hier kam die AfD bei der letzten Landtagswahl 2022 auf 5,4 Prozent, bei der Europawahl 2024 hingegen bereits auf 12,6 Prozent.
Die Menschen in NRW würden aber eher Parteien bevorzugen, die schon länger etabliert sind, erklärt der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky. Das Protestpotential wäre hier kleiner als etwa in Ostdeutschland. Aber: "Wenn die AfD weiter etabliert wird als Partei, dann bedeutet das auch, dass ihre Positionen legitimer werden", erklärt Lewandowsky. Denn Parteien wie die CDU würden weiter glauben, dass man die Themen und Positionen der AfD aufgreifen und kopieren müsse, um sie in Schach zu halten. Das funktioniere jedoch nicht, erklärt der Politikwissenschaftler.
"Trittbrettfahrer-Effekt" für BSW in NRW?
Noch spielt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in NRW kaum eine Rolle. Bei der Europawahl 2024 kam das BSW hier nur auf 4,4 Prozent. Doch das könnte sich bei den nächsten Wahlen ändern. Denn wenn eine Partei in anderen Bundesländern erfolgreich ist, könnte sie auch in NRW interessanter werden, vermutet Politikwissenschaftler Lewandowsky. In Sachsen kam das BSW bei den Wahlen Anfang September auf 11,8 Prozent, in Thüringen auf 15,8 Prozent. Mittelfristig sieht er auch in NRW großes Potential für die neue Partei, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. "Und das wird natürlich auch das Regieren in NRW womöglich nicht einfacher machen", so Lewandowsky.
Über dieses Thema berichten wir am Sonntag (22.09.) in den Hörfunknachrichten, WDR aktuell und in der Aktuellen Stunde.
Unsere Quellen:
- Hochrechnungen infratest dimap
- Gespräch mit Politikwissenschaftler Martin Florack
- Gespräch mit Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky
- ARD-Sondersendung "Wahlen in Brandenburg"
- Landeswahlleiter Brandenburg