Thyssenkrupp: Fördermillionen trotz Stellenabbaus?

Stand: 26.11.2024, 14:29 Uhr

700 Millionen Euro Fördergeld hat NRW Thyssenkrupp für neue Anlagen zugesagt. Jetzt baut der Konzern massiv Stellen ab. Was passiert mit dem Geld?

Von Nina Magoley

Wenn Thyssenkrupp künftig noch Chancen haben will, in Duisburg gewinnbringend Stahl zu produzieren, muss der Konzern auf neue, "grüne" Technologien umrüsten. Für den Bau einer sogenannte Direktreduktionsanlage, die mit Wasserstoff betrieben wird, hatte die Landesregierung Thyssenkrupp daher rund 700 Millionen Euro Förderung zugesagt. Weitere 1,3 Milliarden Euro sollen vom Bund kommen. Insgesamt ist das Projekt mit drei Milliarden Euro veranschlagt.

Bis Oktober waren von der Förderung bereits rund 500 Millionen Euro an Thyssenkrupp Steel geflossen, hieß es beim Unternehmen. Das NRW-Wirtschaftsministerium sprach damals von einem "hohen zweistelligen Millionenbetrag" aus NRW.

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Am Montag sorgte der Stahlkonzern dann allerdings für Schockwellen mit der Ankündigung eines Kahlschlags: Bis 2030 werden insgesamt 11.000 Stellen gestrichen. Das Werk in Kreuztal wird komplett geschlossen.

Was bedeutet das für die Millionen, die schon vom Land an Thyssenkrupp geflossen sind?

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur | Bildquelle: WDR

Offenbar musste sich das Unternehmen nicht verpflichten, Arbeitsplätze zu erhalten, um die Fördermillionen zu bekommen - immerhin die größte Fördersumme, die das Land einem Unternehmen je gewährt hat. "Eine Arbeitsplatzgarantie im Rahmen des Zuwendungsbescheids für das Projekt wäre nicht zielführend gewesen", sagte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) im Wirtschaftsausschuss am Dienstagmorgen. "Weil es die notwendigen unternehmerischen Spielräume in dem dynamischen Marktumfeld stark eingeschränkt hätte".

Immerhin räumte die Ministerin ein: Die angekündigten Zahlen des Stellenabbaus "werfen viele Fragen auf, die in den kommenden Wochen und Monaten in gemeinsamen Gesprächen zwischen Vorstand und Gewerkschaften erörtert werden müssen".

Die Landesregierung setze jetzt "auf die umfassende Begleitung des Transformationsprozesses um sicherzustellen, dass die Interessen der Beschäftigten gewahrt bleiben und sozialverträgliche Lösungen im Fokus stehen". Sie erwarte, dass Thyssenkrupp Stahl "seiner sozialen Verantwortung gerecht werden und Arbeitsplätze so weit wie möglich sichern" werde, so Neubaur.

Wie kam es zur Rekord-Beihilfe für Thyssenkrupp?

Im Juli 2023 hatte die EU-Kommission die staatliche Beihilfen für die "Dekarbonisierung der Stahlproduktion und raschere Umstellung auf Wasserstoff" bei Thyssenkrupp Steel genehmigt: Mit einem "Direktzuschuss" von bis zu 550 Millionen Euro soll demnach der Bau einer Anlage gefördert werden, die einen bestehenden Hochofen ersetzen wird. Weitere 1,54 Milliarden Euro sollen in Form eines "an Bedingungen geknüpften Zahlungsmechanismus" bereit gestellt werden: In den ersten zehn Jahren, die die neue Anlage läuft, soll diese Summe nach Bedarf ausgezahlt werden und Thyssenkrupp helfen, die Mehrkosten zu decken, die erstmal bei der Beschaffung von erneuerbarem Wasserstoff anfallen.

Die neue Anlage soll planmäßig 2026 in Betrieb genommen werden und jährlich 2,3 Millionen Tonnen Roheisen produzieren - die gleiche Menge, die bisher konventionell im Hochofen hergestellt wird, allerdings mit geringerem CO2-Fußabdruck.

Eine weitere Bedingung der EU: Sollte das Projekt "sehr erfolgreich sein und zusätzliche Nettoeinnahmen generieren", muss Thyssenkrupp die erhaltenen Beihilfen teilweise an Deutschland zurückzahlen.

Was passiert, wenn Thyssenkrupp die Anlage nicht baut?

Im Oktober hatte Thyssenkrupp angekündigt, die Direktreduktionsanlage möglicherweise nicht zu bauen. In einer Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses am 10. Oktober sagte Ministerin Neubaur: Man gehe im Ministerium "weiterhin davon aus, dass das Projekt in der bisher geplanten Form umgesetzt wird". Die Landesregierung werde sich nicht "an Spekulationen beteiligen, was passiert, falls das Projekt nicht umgesetzt wird".

Für den Fall, dass die Direktreduktionsanlage nicht gebaut wird, gebe es im Förderbescheid Bedingungen, erklärte Neubaur jedoch auch: "Es ist sichergestellt, dass auch im Insolvenzfall die Rückforderung für diese Projektsumme möglich sein wird, dass auch der Mutterkonzern bei der Rückzahlung einspringen muss und dass die Rückzahlung die Projektförderung plus Verzinsung umfasst."

Bislang sei ein hoher zweistelliger Millionenbetrag an Thyssenkrupp geflossen, sagte Neubaur, "und zwar entlang tatsächlich erfolgter Arbeit". Zum Beispiel liefen "schon lange Fundamentarbeiten" auf dem Baugelände.