Waldzustandsbericht 2024: Mehr kranke Bäume - aber sie wachsen nach

Stand: 25.11.2024, 14:42 Uhr

Vielen Bäumen geht es weiter schlecht - trotz eines regenreichen Sommers. Die gute Nachricht: Der Wald wächst wieder nach. Und der Borkenkäfer hat sich zurückgezogen.

Von Nina Magoley

Dass der Zustand der Wälder auch ein wichtiger Indikator dafür ist, wie der Klimawandel voranschreitet, ist mittlerweile unbestritten: Zunehmend trockenere und heißere Sommer haben den Bäumen zugesetzt. Deren Feinwurzeln und Leitungsbahnen, die für die Nährstoffversorgung zuständig sind, verkümmern. Der Borkenkäfer hatte bei den so geschwächten Fichten in den vergangenen Jahren leichtes Spiel.

Zwar hat es in den letzten beiden Sommern wieder mehr geregnet als in den Jahren davor - doch der Wald braucht offenbar mehr Zeit, um sich von den Auswirkungen der vorausgegangenen Dürre- und Hitzejahre zu erholen. Das sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Montag bei der Vorstellung des neuen Waldzustandsberichts 2024.

Nur noch ein Drittel der Bäume gesund

Jährliche Kontrolle der Baumkronen | Bildquelle: WDR/Magoley

Für den Waldzustandsbericht untersuchen Experten jährlich 10.000 Bäume in den Wäldern NRWs - immer dieselben. Das Ergebnis ist bislang von Jahr zu Jahr kümmerlicher. Inzwischen hätten nur noch 27 Prozent der Bäume gesunde, dichte Baumkronen aus Blättern oder Nadeln, sagte Gorißen. 34 Prozent haben demnach eine leicht verlichtete und 39 Prozent eine stark verlichtete Krone.

Eichen geht es schlecht

Besonders die Eichen, die bislang immer als robust gegolten hätten, machten den Experten mittlerweile Sorgen, sagte Tim Scherer vom Landesbetrieb Wald und Holz: Nur noch sechs Prozent des Eichenbestands seien gesund. Bei den Fichten dagegen habe sich die Lange verbessert: Mehr als die Hälfte der untersuchten Exemplare hätten dichte Kronen.

Dieses Ergebnis komme vor allem dadurch zustande, dass die alten, stark angegriffenen Fichten mittlerweile nicht mehr da seien, dafür aber viele junge Bäume nachwüchsen. Die hätten auch von den Regenmengen des vergangenen Sommers profitiert.

Borkenkäfer geht, Eichenprachtkäfer kommt

Und: Der berüchtigte Borkenkäfer, der seit 2017 für heftigen Kahlschlag in den Wäldern gesorgt habe, sei auf dem Rückzug. "Er mag so viel Feuchtigkeit nicht", erklärte Scherer. Außerdem hätten die Fichten jetzt wieder mehr Harz unter der Rinde, was sie widerstandfähiger mache.

Im Auge behalten müsse man jetzt allerdings den Eichenprachtkäfer, der vor allem in Hessen und Sachsen-Anhalt auf Vormarsch sei und dort schon große Schäden in Eichenwäldern angerichtet habe.

Ministerin: Wiederbewaldung geht voran

Vom Borkenkäfer zerstörter Fichtenwald | Bildquelle: Julian Stratenschulte/dpa

Die Landwirtschaftsministerin hatte noch eine weitere positive Nachricht: Bei der gezielten Wiederbewaldung mache NRW Fortschritte. Auf rund der Hälfte der von Dürre und Borkenkäfer kahlgeschlagenen Flächen, etwa 59.000 Hektar, wachsen offenbar wieder junge Bäume. Zu zwei Dritteln sorge die Natur selbst dafür. Auf einem Drittel der Flächen seien neue Bäume gezielt angepflanzt worden. Waldbauern erhalten dafür im Rahmen des Wiederbewaldungskonzepts NRW Förderungen und Unterstützung bei der Auswahl der Baumarten.

"Grundsätzlich sind wir auf gutem Wege", so die Bilanz der Ministerin.

Optimistisch hatte sich Gorißen kürzlich auch gegeben, als sie das NRW-Ergebnis der Bundeswaldinventur vorstellte. Dieser Bericht kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass der Wald, der bislang immer als Klimaschützer galt, weil er CO2 bindet, seit 2017 mehr CO2 abgebe als aufzunehmen. "Der Wald ist in diesem Zeitraum zu einer CO2-Quelle geworden", heißt es in dem Bericht, unterlegt mit Zahlen.

"Verlust an Bäumen nicht überbewerten"

Während Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) diese Erkenntnis als alarmierend bezeichnete, hatte seine Amtskollegin in NRW erklärt, sie sehe das anders. Bäume seien und blieben "immer" CO2-Speicher, sagte Gorißen auch am Montag noch einmal - unspezifisch, und ohne die Rechnung aus der Bundeswaldinventur mit eigenen Fakten zu widerlegen.

Ralf Petercord, Referatsleiter aus dem Umweltministerium, pflichtete ihr am Montag bei: Man dürfe den "reinen Verlust an Bäumen nicht überbewerten". Mehr als 100 Millionen Kubikmeter Holz wachsen jedes Jahr nach in den Wäldern des Landes.

Wiederbewaldungsprämie nicht gestoppt

Kritik kam schnell aus der Opposition: "Ministerin Gorißen verwaltet schlicht den Mangel", sagte René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion – "mit fatalen Folgen". Es fehlten "ausreichend gezielte Maßnahmen, in einzelnen besonders gefährdeten Baumbeständen Verbesserungen herzustellen", auch die Wiederbewaldung komme nur langsam voran.

Zudem habe Gorißen der Aufforstung in diesem Jahr "mit dem kurzfristigen Stopp der Wiederbewaldungsprämie einen Bärendienst erwiesen", so Schneider. Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums stellte auf WDR-Nachfrage klar: Dieser "kurzfristige Stopp" sei im Frühjahr nötig gewesen, nachdem im Ministerium hunderte von Anträgen für die Wiederbewaldungsprämie eingegangen waren. Zwei Wochen später sei die Förderung aber uneingeschränkt wieder angelaufen.

Quellen:

  • Pressekonferenz am 25.11.24 zum Waldzustandsbericht 2024 u.a. mit Ministerin Gorißen
  • Bericht zur Bundeswaldinventur
  • Sprecher des NRW Landwirtschaftsministeriums