Ergebnisse Kölner Silvester-Nacht

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War es Racial Profiling oder nicht?

Stand: 03.01.2017, 13:00 Uhr

Die Kölner Polizei wird für ihr Vorgehen in der Silvesternacht, schon die Ankommenden im Hauptbahnhof nach möglichen Unruhestiftern auszusortieren, teilweise scharf kritisiert. War das Vorgehen dennoch richtig oder muss hier über einen latenten Rassismus diskutiert werden?

Im WDR 5 Morgenecho (03.01.2017) ging es in Interviews mit Alexander Bosch, Referent für Polizei und Rassismus bei Amnesty International, und mit Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, vor allem um die Frage, ob die Polizei in Köln ein Racial Profiling betrieben hat. Im Folgenden werden beide Gespräche in verkürzter Form schriftlich wiedergegeben. Über die Audiomitschnitte sind die Interviews in voller Länge zu hören.

WDR 5: Herr Bosch, warum ist "Nafri" eine herabwürdigende Bezeichnung?

Alexander Bosch, Referent für Polizei und Rassismus (Amnesty International): Herabwürdigend ist der Begriff, wenn damit pauschal gemeint wird, dass alle Menschen nordafrikanischer Herkunft Intensivstraftäter sind. Wenn der Begriff polizeiintern und bezogen auf bestimmte polizeibekannte Personen angewendet wird, ist er schon weniger diskriminierend und in Ordnung. Wenn aber der Begriff meint, dass alle Nordafrikaner aufgrund ihrer Herkunft Intensivstraftäter sind, dann ist das eine Diskriminierung und die ist abzulehnen.

WDR 5: In so einer Situation wie der Kölner Silvesternacht, wo die Polizei alles daran setzt und die Bürger das auch wollen, dass so etwas wie im vergangenen Jahr nicht mehr passiert, klingt das nach Erbsenzählerei.

Zwei Polizisten stehen einem Mann mit dunklerer Hautfarbe gegenüber

"Menschen unter gar keinen Umständen diskriminieren"

Bosch: Das ist keine Erbsenzählerei. Antidiskriminierung, Diskriminierungsschutz und der Schutz von Minderheiten, sind wichtige Grundrechte, auf die unsere Gesellschaft aufgebaut sind. Im Grundgesetz, Artikel 3, ist festgehalten, dass kein Mensch aufgrund seiner Herkunft diskriminiert werden darf. Auch in internationalen Menschenrechtsverträgen, wie der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der UNO-Antirassismuskonvention, dem UNO-Zivilpakt oder noch weiteren internationalen Menschenrechtsabkommen, denen Deutschland beigetreten ist, ist festgehalten, dass Menschen unter gar keinen Umständen aufgrund ihrer Herkunft, Nationalität, Religion, ihres Geschlechtes und anderer Gründe diskriminiert werden dürfen. Das ist ein Grundwert unserer Gesellschaft und keine Erbsenzählerei.

#Nafri

WDR 5 Politikum - Medienkolumne 04.01.2017 03:23 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 5


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WDR 5: Aber in einer solchen Situation, wie in der jetzigen Silvesternacht in Köln, in der man versucht, mögliche Verdächtige oder Kriminelle, die klauen wollen oder Frauen antatschen wollen, herauszufiltern (und offenbar gab es auch Hinweise): Was soll man da denn machen - außer nach dem Aussehen zu gehen?

Bosch: Man muss einfach feststellen, dass das ein klassischer Fall von Racial Profiling ist. Und das ist nun mal verboten! Natürlich ist es richtig, nach den Erfahrungen aus dem Vorjahr, ein neues Sicherheitskonzept aufzustellen, die Polizeipräsenz zu erhöhen. Das sind alles gewünschte und auch gute Maßnahmen, weil natürlich kein Mensch möchte, dass sich solche Vorkommnisse wie in der Silvesternacht 2015 wiederholen. Der entscheidende Punkt dabei ist nur, dass es gar keine polizeilichen Erkenntnisse gab, ob genau diese Personen, die da festgehalten wurden, vorbestrafte oder polizeilich bekannte Intensivstraftäter sind. Diese Personen wurden augenscheinlich nur festgehalten, weil sie nordafrikanischer Herkunft sein sollten. Das Merkmal war "Nordafrikanische Herkunft = Intensivstraftäter". Das ist eine Diskriminierung, die verboten ist.

WDR 5: Herr Huth, die Diskussion des Racial Profiling kam ja auf, weil die Polizei am Hauptbahnhof die Leute durch zwei Eingänge rausgelassen hat - und zwar alle Personen, die sie verdächtig fand, durch einen anderen Ausgang zu einer Personenkontrolle. In den sozialen Netzwerken ging dann die Diskussion los, ob das eine rassistische Selektion sei. Wie sehen Sie das?

Oliver Huth, stellvertretender NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter: Wenn Polizei massiv auftritt und kontrolliert, stößt das bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht unbedingt auf Verständnis. Aber ich erinnere an die Silvesternacht 2015/2016. Die Polizei ist in diesem Jahr enorm gefordert worden. Sie hat ihr Bestes getan, die Situation zu beruhigen. Der Polizeipräsident hat darauf hingewiesen, dass er zeitweise das Gefühl hatte, dass die Situation wieder eskalieren könnte. Es ist so, dass die Polizei schon auf der Anfahrt insbesondere durch verdeckte Observationen homogene Männergruppen selektiert hat, weil wir die gruppendynamischen Effekte von bestimmten Personengruppen einfach kennen. Wir wissen, dass die Personen teilweise intoxikiert waren mit Alkohol und Drogen und wollten da jeglicher Eskalation Vorschub leisten. Deswegen waren die Kontrollen richtig.

WDR 5: Sie erklären das auch sehr gut, wie die Situation war. Trotzdem bleibt die Frage, ob das Racial Profiling war, was eigentlich laut Grundgesetz verboten ist?

Huth: Richtig, das ist verfassungswidrig. Die Vorgaben sind da eindeutig. Deswegen war es auch kein Racial Profiling. Was dort passiert ist, ist dass sich Gruppen, die nur aus Männern bestanden, zusammengefunden haben. Grundsätzlich ist das in Ordnung und ein normales Sozialverhalten. Dann haben sich diese Gruppen aber exponiert verhalten durch lautes Lachen und durch ein Gebaren, das deutlich machte, dass den übrigen Fahrgäste nicht mit Wertschätzung oder Rücksicht begegnet wird. Da hat man frühzeitig interveniert. Die Einschreitschwelle war sehr niedrig. Das wäre bei jedem anderen Volksfest auf einem Dorf anders gewesen. Man hätte die Vorgänge eben nicht so bewertet und einer Kontrolle unterzogen. Das war aber in dieser Silvesternacht, gerade in Köln, angezeigt.

Die Interviews führte Andrea Oster im WDR 5 Morgenecho.

Für eine bessere Rezeption weichen die schriftlichen Kurzfassungen der Interviews an einigen Stellen von den gesendeten Interviews ab und sind teilweise gekürzt. Die intendierte Ausrichtung der Fragen und Antworten bleibt dabei unberührt.

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