Warum der Wohnungsmarkt noch lange angespannt bleiben wird

Stand: 27.04.2022, 13:14 Uhr

Wer in NRW eine Wohnung sucht, weiß, wie angespannt der Markt ist. Aber trotz vollmundiger Versprechen der Parteien vor der Wahl wird sich daran so bald nichts ändern. Eine Analyse.

Von Anna Kirberich

"Regionen, die wachsen und die, die schrumpfen, liegen in NRW nah beieinander", weiß Christian Oberst vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Während Menschen die Eifel oder das Sauerland verlassen, verzeichnen beispielsweise Köln oder Düsseldorf starken Zuzug. Zu den boomenden Regionen gehört auch Münster. Überall dort, wo viele Menschen hinzukommen, zeigt sich das gleiche Bild: Der Wohnraum wird knapp - und die Mieten steigen.

Angespannter Wohnungsmarkt

Die Kölner Wirtschaftsforscher zeigen das in einem Vergleich der Angebotsmieten für Zwei- bis Drei-Zimmerwohnungen. In nur drei Jahren, von Ende 2018 bis Ende 2021, stiegen die mittleren Mieten in Köln um zehn Prozent, Münster verzeichnete ebenfalls ein deutliches Plus von zehn Prozent. Die Mieten für Neubauwohnungen stiegen noch stärker: In Köln kletterten sie um fast 14 Prozent, in Münster um etwa 13 Prozent. "Der Anstieg spiegelt das geringe Angebot wider", sagt Christian Oberst. Eine Preisregulierung würde da nicht viel helfen. Die Mietpreise stiegen auch im Umland.

Diesen Trend registriert auch der Städtetag NRW. Hohe Mietpreise seien nicht mehr nur ein Problem der Boomstädte oder Hotspots, beschreibt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetags NRW, die Lage. So sei nicht nur Münster teurer geworden, "sondern auch die Kreisgebiete von Coesfeld oder Warendorf. Neben dem Münsterland sind auch Gebiete in Ostwestfalen wie Bielefeld und Paderborn und das jeweilige Umland betroffen."

Reichen 50.000 neue Wohnungen pro Jahr?

Bis 2040 wird die Zahl der Haushalte landesweit um rund 183.000 anwachsen, so steht es in einem Gutachten für die Landesregierung, das den Neubedarf an Wohnungen in NRW ermittelt hat. Gerechnet wird mit einem zusätzlichen Bedarf von durchschnittlich etwa 46.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Da die Zahl der Haushalte in den nächsten drei Jahren aber vergleichsweise stärker wächst, müssten bis 2025 sogar rund 51.200 zusätzliche Wohnungen jährlich gebaut werden. Der womöglich dauerhafte Zuzug von Menschen aus der Ukraine ist noch gar nicht berücksichtigt.

Auch dieses Gutachten geht von einem starken Wachstum der Einwohnerzahlen in Düsseldorf, Köln, Bonn und Münster aus. Wachsen sollen aber auch Essen und Dortmund, Aachen, Solingen, Bielefeld und Mönchengladbach. Die Landkreise, die an die Ballungszentren grenzen, werden wohl auch mehr Einwohner bekommen - etwa der Rhein-Erft-Kreis, der Rhein-Kreis Neuss, der Kreis Mettmann und der Rhein-Sieg-Kreis.

Zwischen 2017 und 2019 wurden jedes Jahr durchschnittlich 46.000 Wohnungen fertiggestellt. Bliebe es bei diesem Tempo, könnten nach Ansicht der schwarz-gelben Landesregierung die Neubauziele bis 2040 erreicht werden. Darin enthalten wäre auch ein Ersatz für alte Wohnungen, die irgendwann abgerissen werden. Die SPD beziffert den jährlichen Bedarf an Wohnungen in ihrem Programm zur Landtagswahl auf mehr als das Doppelte: 100.000 Wohnungen im Jahr.

Düstere Prognosen für Sozialwohnungen

Sozialwohnungen

Sozialwohnungen werden weniger

Im Jahr 2020 verzeichnete die landeseigene NRW-Bank 452.000 öffentlich geförderte Mietwohnungen in Nordrhein-Westfalen. Zudem stellte die Bank fest, dass der Anteil an Sozialwohnungen in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern besonders gering ist. Das Angebot an günstigem Wohnraum für die unteren Einkommensgruppen ist schon heute sehr knapp. Doch bis 2030 könnte sich die Situation dramatisch zuspitzen. Bis zum Ende des Jahrzehnts nämlich sollen der NRW-Bank zufolge rund 46 Prozent der Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen. Das wäre mit 208.000 Einheiten fast die Hälfte des Bestandes von 2020.

Für das vergangene Jahr verkündete Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) den Neubau von 5.200 Sozialwohnungen. Damit, so die Ministerin, seien ungefähr so viele neue Sozialwohnungen entstanden, wie 2021 aus der Mietpreisbindung gefallen waren. Ein Erhalt des Status quo, mehr nicht.

Helmut Dedy vom Städtetag NRW hält das für völlig unzureichend. "Gut 5.000 neugebaute, öffentlich geförderte Wohnungen in NRW pro Jahr – das wird nicht ausreichen, um den Bedarf langfristig zu decken. Wir brauchen einen stärkeren Zuwachs". Mit Blick auf die bis 2030 wegfallenden Sozialwohnungen ergänzt er: "Da muss gewaltig nachgelegt werden, um das zu kompensieren. Das ist die Folge von zu geringer Förderung. Der Bestand wurde gerade so konstant gehalten." Die SPD verspricht für den Fall eines Wahlsieges fünfmal mehr Neubauten von Sozialwohnungen als bisher. 25.000 neue Einheiten sollen jährlich hinzukommen.

Was das Bauen schwer macht

Bei der Ausweisung neuer Bauflächen seien die Städte und Gemeinden in den Wachstumsregionen bisher oft zögerlich, sagt Christian Oberst vom IW Köln. Sie fürchten den teuren Ausbau von Infrastruktur oder den Widerstand von Anwohnern.

Doch auch die rasant steigenden Grundstückspreise, immer höhere Baukosten, der Fachkräftemangel oder verschärfte Vorschriften zum energieeffizienten Bauen machten es zunehmend schwierig, das Angebot an Wohnungen auszuweiten.

Um Baukosten zu senken, kündigt die FDP in ihrem Wahlprogramm beispielsweise an, die Standards zu überprüfen und Baumaßnahmen zu vereinheitlichen. Die AfD setzt ebenfalls auf vereinfachte Bauvorschriften und will aus ihrer Sicht "überzogene Klimaschutzvorschriften" abschaffen. Die Grünen wollen den Kommunen rechtlich und finanziell helfen, eine "vorsorgende" Grundstückspolitik zu betreiben. Denn den Städten und Gemeinden fehle es an eigenem Grund und Boden.

Lieferengpässe bremsen Bau-Boom aus

Symbolbild: Eine Baustelle für Wohnungen (2021)

Steigende Baukosten bremsen

Aktuell bremsen jedoch Engpässe beim Baumaterial und Lieferschwierigkeiten die Baubranche aus. So führten die Sanktionen gegen Russland und ausbleibende Importe aus der Ukraine zu Problemen und erheblichen Preiserhöhungen – auch bei Baustoffen, beklagt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. In einer aktuellen Umfrage des Verbands berichteten 80 Prozent der Unternehmen von Lieferschwierigkeiten bei Material. Auf den Bau dringend benötigter Wohnungen habe dies natürlich Auswirkungen. Schon jetzt würden einzelne angebahnte Verträge nicht mehr abgeschlossen oder umgesetzt.

Die Prognose des Baugewerbes für preisgünstige Mietwohnungen in NRW-Großstädten ist daher wenig optimistisch: Für die Wohnungsmärkte in den Innenstädten könne man mit Sicherheit sagen, dass der Ukraine-Krieg das Bauen teurer machen werde. Dies könne den dringend notwendigen Wohnungsbau-Boom verschleppen.