Die Schulpolitik ist in NRW traditionell ein Thema, das bei Landtagswahlen im Zentrum der Debatten steht. Schließlich ist Bildung einer der wenigen Bereiche, in denen das Land quasi eigenständig entscheiden kann. Und da Millionen von Eltern und Lehrer auch Wählerinnen und Wähler sind, wird stets versucht, den Unmut nicht all zu groß werden zu lassen.
Vor allem in den Reihen der Lehrkräfte gibt es ein Thema, das seit Jahren für Ärger sorgt: die Bezahlung. So wird nicht verstanden, warum Lehrerinnen und Lehrer an der Oberstufe von Gymnasien mehr verdienen als etwa an Grundschulen. Immer wieder wird in Aussicht gestellt, dass alle die Eingangsbesoldung A 13 bekommen. Doch passiert ist bislang nichts.
Wüst räumt Versäumnisse ein
Das räumt nun auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ein. Im WDR-Interview sagte er am Freitag zur Angleichung: "War der Plan, haben wir nicht geschafft. Muss man ehrlich sagen." Als Grund nannte er, dass die Neueinstellungen von Lehrern "Priorität" gehabt hätten.
Dabei hatte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) kurz nach Beginn der Regierungszeit 2017 angekündigt, Ungerechtigkeiten in der Lehrerbesoldung zu beseitigen. Auch die CDU hatte im Wahlkampf eine Angleichung der Gehälter in Aussicht gestellt. Wüst hat nun offen eingeräumt, dass das nicht umgesetzt wurde.
Kritik an unkorrekter Aussage
Der CDU-Politiker ging in seinem Interview am Freitag allerdings noch einen Schritt weiter. Wüst behauptete: "Jetzt die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt ausgebildet werden, kriegen A13, weil sie das gleichlange Studium haben." Das erweckt den Eindruck, als ob diejenigen, die an den Universitäten auf Lehramt studieren, inzwischen alle das gleiche Einstiegsgehalt bekommen - egal, an welcher Schule sie unterrichten. So ergänzte Wüst: "Die, die gleichlang ausgebildet werden, kriegen es jetzt sowieso."
Auf den ersten Blick klingt das gut. Doch das Problem an der Sache ist: Es stimmt nicht. Darauf weist unter anderem die Lehrergewerkschaft GEW hin:
SPD und Grüne nutzen Steilvorlage
Auch die Opposition zeigt sich überrascht. "Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I dürften sich heute früh verwundert die Augen gerieben haben", sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. Wüst offenbare ein "erschreckendes Nichtwissen" in einem wichtigen Politikfeld.
SPD-Bildungsexperte Jochen Ott sagte: "Der Ministerpräsident kennt die Politik seiner eigenen Landesregierung leider nicht." Von einer angehobenen Besoldung unabhängig von der Schulform könne "keine Rede sein". "Das ist schlichtweg falsch", so Ott.
Die CDU versuchte am Freitag, Wüsts Aussage zu erklären. Die Parteizentrale verwies auf Passagen im CDU-Wahlprogramm und teilte mit: "Darauf bezog sich der Spitzenkandidat der CDU NRW, Ministerpräsident Hendrik Wüst in dem heutigen Gespräch mit WDR 2." Soll heißen: Wüst habe lediglich Wahlkampfforderungen formuliert.
Erneute Wahlversprechen in Parteiprogrammen
Übrigens: So wie 2017 spielt die Lehrerbesoldung auch in diesem Wahlkampf wieder eine Rolle. Die CDU verspricht zum Beispiel, Lehrern einen "Aufstieg in die Besoldungsgruppe A13" zu "ermöglichen". Das soll aber nicht automatisch erfolgen, sondern erst nach einer zusätzlichen Qualifikation. Im SPD-Wahlprogramm heißt es: "Wir werden für eine gerechte und gleiche Besoldung für Lehrkräfte sorgen." Wie genau das gelingen soll, wird aber offengelassen. Dabei hatte Spitzenkandidat Thomas Kutschaty noch Anfang des Jahres konkret angekündigt, ab dem 2023 beginnenden Schuljahr die Eingangsbesoldung A13 für alle greifen zu lassen. Auch Grüne und FDP sprechen sich für eine einheitliche Besoldung aus. Die AfD äußert sich nicht dazu.
Angesichts der vermeintlich großen Zustimmung in den Parteien sagt die GEW-Vorsitzende Çelik: "Wer auch immer ab dem 15. Mai in die Regierungsverantwortung kommt, sollte wissen, was zu tun ist." Die GEW will darauf achten, ob die Parteien zu ihren Versprechen stehen und ein Koalitionsvertrag eine gleiche Bezahlung beinhaltet.