Präsident Yoon Suk Yeol hatte das Kriegsrecht überraschend aufgrund einer Haushaltsblockade verhängt. Kurzzeitig waren damit sämtliche politischen Aktivitäten verboten. Auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen hatte der Präsident faktisch eingeschränkt.
In einer Rede im Fernsehen argumentierte Yoon, das Kriegsrecht ziele auf den "Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung der Freiheit" ab. Er beschuldigte die Opposition, mit dem kommunistischen Regime in Nordkorea zu sympathisieren.
Das wirft die Frage auf, ob so eine Situation auch in Deutschland möglich wäre. Welche Möglichkeiten hat die deutsche Bundesregierung? Und welche Auswirkungen wären damit verbunden? Fragen und Antworten.
Was sagt das Grundgesetz?
Auf der Website des Deutschen Bundestags wird erklärt, dass das Grundgesetz hauptsächlich eine Ordnung für den Normalfall festlegt. Um diese Ordnung jedoch im Krisenfall schützen zu können, kamen 1968 die so genannten Notstandsartikel hinzu. Unterschieden wird hier zwischen "inneren und äußeren Bedrohungsszenarien". Im Falle einer Bedrohung von außen könnte in Deutschland der Verteidigungsfall ausgerufen werden. Im Falle einer inneren Bedrohungslage würde es sich um einen inneren Notstand handeln.
Alexander Thiele, Staatsrechtler
Eine Situation wie in Südkorea ist in Deutschland jedoch nicht möglich. Denn die Ausgangssituation ist in Deutschland eine andere. "Sie unterscheidet sich fundamental", sagt Staatsrechtler Alexander Thiele. Allein schon deshalb, weil das Regierungssystem in Deutschland auf das Parlament und nicht auf einen Präsidenten ausgerichtet sei.
Wer kann den "Verteidigungsfall" ausrufen?
Der Bundestag kann den Verteidigungsfall auf Antrag der Bundesregierung ausrufen, wenn eine Bedrohung von außen besteht. Dafür ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig und der Bundesrat muss ebenfalls zustimmen.
Außerdem kann der Bundestag den Verteidigungsfall mit Zustimmung des Bundesrats auch jederzeit wieder für beendet erklären. Eigenmächtig hat der Bundeskanzler also keine Möglichkeit, den Verteidigungsfall auszurufen.
Welche Auswirkungen hat der Verteidigungsfall?
Thiele erklärt, dass die Bundesregierung im Zuge eines Verteidigungsfalls handlungsfähiger würde. Außerdem würde "alles etwas zentralistischer" und es gäbe bestimmte Veränderungen bei der Führung des Militärs. Die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte ginge beispielsweise mit Verkündung des Verteidigungsfalls automatisch auf den Bundeskanzler über. Die Exekutive würde laut der Website des Deutschen Bundestages insgesamt gestärkt.
Das Parlament würde seine Kontroll- und Informationsrechte laut der Website des Deutschen Bundestags jedoch nicht verlieren. Die Bundesregierung wäre demnach verpflichtet, das Parlament über die Ausübung von Notstandsbefugnissen zu unterrichten. Und auch das Bundesverfassungsgericht bleibt im Verteidigunsfall vollständig erhalten.
Szenarien wie in Südkorea, dass beispielsweise alle Medien und Publikationen der Kontrolle eines Kriegsrechtskommandos unterliegen, sind laut Thiele in Deutschland nicht denkbar.
Wie unterscheidet sich der "innere Notstand"?
Bedrohungen von innen werden in Deutschland grundsätzlich von der Polizei bekämpft. Der Einsatz von Militär im Inland ist in Deutschland sogar verboten und nur unter klar definierten Voraussetzungen möglich. Thiele sagt, dass die Bundeswehr in Deutschland erst eingesetzt werden darf, wenn eine ganze Kette an Versuchen scheitert, die Bedrohung andersweitig unter Kontrolle zu bekommen.
Eine Bedrohung im Inneren ist in Deutschland Ländersache, erklärt Thiele. Sollte die Polizei des Landes die Situation nicht gelöst bekommen, würden Polizeikräfte aus anderen Bundesländern angefordert. Wenn auch das nicht ausreicht, dann würde die Bundespolizei hinzugezogen. Erst wenn das alles nicht hilft, kann die Bundesregierung militärische Unterstützung anfordern.
Laut Thiele ist der Einsatz von Militär im Inneren des Landes also nur bei "revolutionären Unruhen" möglich. Wenn der Bundestag oder der Bundesrat Einspruch erheben, dann müsste der Militäreinsatz außerdem von der Regierung sofort wieder gestoppt werden.
Kann es in Deutschland einen "Ausnahmezustand" geben?
Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Südkorea wird auch häufig der Begriff "Ausnahmezustand" verwendet. In Deutschland ist ein Ausnahmezustand laut Thiele jedoch nicht möglich.
Er sagt: "Einen Ausnahmezustand nach dem Motto 'Not kennt kein Gebot' kennt das Grundgesetz nicht". Alles sei gesetzlich geregelt und das Grundgesetz bliebe selbst im Kriegsfall bestehen. Daher sei es in Deutschland nicht möglich, über Nacht einen anderen Rechtszustand - einen Ausnahmezustand - zu schaffen.
Unsere Quellen:
- Staatsrechtler Prof. Dr. Alexander Thiele im Gespräch mit dem WDR
- Website des Deutschen Bundestags
- Grundgesetz, Artikel 115a
- Grundgesetz, Artikel 91
- Grundgesetz, Artikel 87a
- Nachrichtenagentur DPA