Anfang September 1944 sieht es für die deutsche Wehrmacht schlecht aus: Seitdem die Alliierten im Juni in der Normandie gelandet sind, kämpfen sie sich immer näher an die Reichsgrenze. "Wenn der Feind an die deutschen Weststellungen herankommt, soll er auf unseren fanatischen Widerstand stoßen", verlangt nun der für Aachen und Köln zuständige Gauleiter Josef Grohé von der Bevölkerung. Doch die Alliierten lassen sich nicht aufhalten. Von Belgien aus übernehmen die US-Truppen am 12. September 1944 die erste deutsche Stadt: Roetgen in der Eifel. Von diesem Zeitpunkt an dauert es aber noch über sieben Monate, bis das Gebiet des späteren Nordrhein-Westfalens ganz erobert ist. Noch weit mehr als 100.000 Menschen werden sterben.
Neben Roetgen wollen die Alliierten die Reichsgrenze noch an zwei weiteren Stellen durchbrechen: am Niederrhein und in Aachen. Von den Niederlanden aus setzt der britische Feldmarschall Bernhard L. Montgomery deshalb am 17. September 1944 mehrere Luftlande-Divisionen hinter den deutschen Linien am Niederrhein ab. Doch die Mission bei Arnheim scheitert zunächst. Auch Aachen können die US-Verbände nicht schnell erobern. Der Kampf um die Stadt dauert mehrere Wochen, bis sie am 21. Oktober 1944 besetzt werden kann. Schon neun Tage später wird mit Franz Oppenhoff der erste deutsche Nachkriegsbürgermeister von den Amerikanern vereidigt. Seine Zusammenarbeit mit dem Feind bezahlt der Rechtsanwalt später mit dem Leben: Am 25. März 1945 ermordet ihn ein sogenanntes Werwolf-Kommando im Auftrag von SS-Chef Heinrich Himmler.
Monatelange Kämpfe in der Eifel
Im Herbst 1944 planen die Amerikaner ihren Vorstoß an den Rhein. Sie wollen durch das dünn besiedelte Mittelgebirge der Eifel nach Köln gelangen. Doch auch die Deutschen versammeln alle verfügbaren Kräfte in der Gegend. Der Hürtgenwald wird zu einem der blutigsten Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. Am 2. November 1944 kommt es zur sogenannten Allerseelenschlacht. Allein in den letzten Wochen des Jahres 1944 sterben im Hürtgenwald fast 70.000 Menschen, davon sind 55.000 US-Soldaten. In der amerikanischen Militärgeschichte haben diese enormen Verluste große Bedeutung: Im Hürtgenwald fallen fast genauso viele US-Soldaten wie später im gesamten Vietnamkrieg. Die Kämpfe im Hürtgenwald enden erst am 8. Februar 1945 mit der alliierten Einnahme des Eifel-Ortes Schmidt.
Parallel zu den Kämpfen im Hürtgenwald setzt die Wehrmacht in der Eifel auf einen Befreiungsschlag: Am 16. Dezember 1944 beginnt die Ardennenoffensive, der letzte große Angriff der Deutschen auf die Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen können fast hundert Kilometer vorrücken. Doch ihr Vorstoß über die deutsch-belgische Grenze scheitert im Januar 1945.
Luftangriffe bereiten Einmarsch vor
Hinter der Front werfen die Alliierten in diesen Tagen unvermindert Bomben über dem Rheinland, dem Ruhrgebiet und Westfalen ab. Das zukünftige Angriffsgebiet soll "sturmreif" gemacht werden. Dabei gibt es eine klare Arbeitsteilung: Die britischen Bomber kommen in der Nacht und werfen ihre Fracht vorrangig über Wohngebieten ab, um die Unterstützung der Bevölkerung für das NS-Regime zu brechen. Die Amerikaner hingegen fliegen bei Tageslicht und treffen vor allem kriegswichtige Betriebe und Verkehrswege. Ganze Stadtteile werden zerstört, zum Beispiel in Bielefeld (30.09.1944), Bonn (18.10.1944) und Siegen (14.12.1944). In Paderborn, das den Krieg bisher relativ unbeschädigt überstanden hat, versinkt am 27. März 1945 die gesamte mittelalterliche Altstadt in Trümmern. Fast täglich werden Einsätze geflogen.
Während die großflächigen Bombardierungen weitergehen, stehen die Alliierten im Februar 1945 kurz davor, endgültig bis zum Rhein vorzustoßen. Am Niederrhein haben Amerikaner, Briten und Kanadier Truppen und Material bereitgestellt, um nach Wesel vorzustoßen. Feldmarschall Montgomery will dort einen Flussübergang aufbauen. Auch in der Kölner Bucht beginnt am 23. Februar 1945 der Vorstoß Richtung Rhein. Nachdem sich die Alliierten Anfang Februar auf der Konferenz von Jalta über die Nachkriegsordnung verständigt haben und die Rote Armee sich im Osten bereits an das Oder-Ufer vorgekämpft hat, sollen nun auch im Westen schnellstmöglich alle Städte am linken Rheinufer erobert werden.
Rheinübergänge bei Wesel und Remagen
In Köln findet der letzte Bombenangriff am 2. März 1945 statt. Vier Tage später nimmt die US-Armee die völlig zerstörte Stadt ein. Nur der Dom ist fast unversehrt geblieben. Eine problemlose Rheinüberquerung ist jedoch nicht möglich: Nach Osten flüchtende deutsche Soldaten haben mit der Hohenzollernbrücke den letzten Kölner Rheinübergang gesprengt. Mehr Glück haben die Alliierten weiter südlich, wo ihnen fast gleichzeitig eine strategisch bedeutsame Eroberung gelingt: Am 7. März 1945 meldet die US-Armee die Einnahme eines unbeschädigten Rheinüberganges knapp 20 Kilometer südlich von Bonn: die Brücke von Remagen. Dort warten dann zehntausende US-Soldaten auf den Befehl zum weiteren Vormarsch.
Nun kann auch Montgomery seine Planungen bei Wesel umsetzen: Die Deutschen haben unter dem Bomben- und Granathagel der übermächtigen Alliierten die linke Rheinseite geräumt. Da sie dabei allerdings die Weseler Rheinbrücke gesprengt haben, müssen die 1,3 Millionen bereitstehenden Soldaten aus den Niederlanden, Tschechien, Belgien, Polen, Kanada, den USA und Großbritannien auf anderem Weg den Fluss überqueren. Sie setzen ab dem 23. März 1945 mit Schiffen über den Rhein, werden aber auch als Luftlandeeinheiten abgesetzt. Auch der britische Premierminister Winston Churchill ist vor Ort. Kurz nach den ersten Erfolgsmeldungen besichtigt er die andere Rheinseite - zusammen mit Montgomery.
Deutsche Soldaten im "Ruhrkessel" eingeschlossen
Auch beim südlichen Rheinübergang bei Remagen stoßen die Alliierten seit dem 22. März 1945 unter ständigem Kräftenachschub in den Westerwald vor. Sowohl die nördlichen als auch die südlichen Truppen bewegen sich in Richtung Osten und umgehen dabei innerhalb weniger Tage das Ruhrgebiet. Beide Verbände sollen das rechtsrheinische Gebiet zwischen Siegen und Dortmund in einer Zangenbewegung einschließen. Der Plan gelingt: Die alliierten Truppen treffen am 1. April 1945, ein Ostersonntag, in Lippstadt aufeinander - und nicht erst wie vorgesehen im gut 35 Kilometer weiter östlich gelegenen Paderborn. Damit sind nun 325.000 deutsche Soldaten und rund fünf Millionen Zivilisten eingekesselt.
Die Taktik der Alliierten: Ein großer Teil ihrer Kräfte kann ungehindert weiter nach Osten vorrücken. Er erreicht innerhalb weniger Tage die Weser und erobert unter anderem Münster, Bielefeld und Paderborn. Der verbliebene Teil der Alliierten drängt gleichzeitig die deutschen Einheiten im "Ruhrkessel" immer weiter zurück: Im Sauer- und Siegerland, im Bergischen Land und im Ruhrgebiet wird nun Ort für Ort eingenommen.
Befreiung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern
Besonders prekär ist die Lage der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter im "Ruhrkessel". Die Gestapo will alle möglichen Quellen des Widerstandes ausschalten. Unter anderem kommt es in Warstein, Lüdenscheid-Hunswinkel, Hagen, Solingen und Essen zu Mordaktionen. Auch in Dortmund kommt es im Rombergpark und in der Bittermark zu Kriegsverbrechen. Dorthin führt die Gestapo bis zum 12. April 1945 immer wieder Gefangene und ermordet sie per Genickschuss. Fast 300 Menschen werden auf diese Weise ermordet. Nach der Schließung des "Ruhrkessels" befreien die Alliierten tausende Internierte. Dazu gehören die riesigen Kriegsgefangenen-Lager, kurz Stalag, in Hemer bei Iserlohn und in der Senne zwischen Paderborn und Bielefeld. Über das ganze Land verstreut gibt es auch viele kleine Zwangsarbeiter-Lager, die meist einem Industriebetrieb zugeordnet sind. Auch das KZ Niederhagen unterhalb der Wewelsburg, die als SS-Weihe- und Schulungstätte dienen sollte, wird befreit.
In diesen letzten Kriegstagen bringen sich im "Ruhrkessel" viele NSDAP-Funktionäre, Beamte und Politiker aus Angst vor den vorrückenden Alliierten um. Der Dortmunder Kreisleiter erschießt sich ebenso wie der Bürgermeister von Hohenlimburg und der ehemalige Lüdenscheider Oberbürgermeister, der seine ganze Familie mit in den Tod nimmt. Andere versuchen zu flüchten, wie zum Beispiel die Gauleiter der Regionen Düsseldorf, Köln-Aachen, Westfalen-Süd und Westfalen-Nord.
Im Westen endet der Krieg am 17. April 1945
Die Einschnürung des "Ruhrkessels" verläuft zügig. Schon am 10. April 1945 werden Bochum, Essen und Olpe eingenommen. Andere alliierte Truppenteile kämpfen sich über Hamm, Werl und Kamen zurück nach Dortmund. Dort endet der Krieg am 13. April 1945. Im Süden überschreiten US-Soldaten die Sieg und gelangen in wenigen Tagen bis nach Hagen, wo sie am 14. April den Kessel in zwei Teile spalten. Der kleinere Teil der deutschen Soldaten sammelt sich um Iserlohn, die meisten ziehen sich nach Düsseldorf zurück. An einen deutschen Ausbruch aus dem "Ruhrkessel" ist nicht mehr zu denken, ebenso wenig wie an Unterstützung von außen. Trotzdem will der in Düsseldorf eingeschlossene Generalfeldmarschall Walter Model nicht kapitulieren. Ein entsprechendes Angebot der Amerikaner lehnt er ab.
Die deutschen Offiziere in Iserlohn hingegen ergeben sich am 16. April 1945. Kurz bevor die Amerikaner auch Düsseldorf einnehmen, werden dort noch fünf Männer erschossen. Sie haben es gewagt, heimlich die kampflose Übergabe der Stadt vorzubereiten. Wenige Stunden später, am 17. April 1945 ist der Krieg zwischen Rhein, Ruhr und Weser zu Ende - drei Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945.