Bei einer gemeinsamen Krisensitzung haben Stadt Köln und Polizei Konsequenzen aus den Übergriffen in der Silvesternacht vereinbart. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte am Dienstag (05.01.2016) auf einer Pressekonferenz, schon an den Karnevalstagen werde es mehr Videoüberwachung und mehr Polizeibeamte zur Verbesserung der Sicherheit geben. Reker nannte die Vorgänge "unglaublich" und "nicht tolerierbar". Am Abend demonstrierten etwa 200 bis 300 Menschen vor dem Kölner Dom gegen frauenfeindliche Gewalt.
#einearmlaenge Distanz?
Zugleich betonte Reker, die Behörden hätten keinerlei Hinweise, dass es sich um Flüchtlinge handele. Entsprechende Vermutungen halte sie für unzulässig. Für viel Kritik und Spott in den sozialen Medien sorgte eine Äußerung von Reker, junge Frauen sollten zu Fremden in der Öffentlichkeit eine Armlänge Distanz halten. Der Hashtag #einearmlaenge trendete bei Twitter. "Wir haben derzeit keine Erkenntnisse über Täter", sagte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers. Neben dem Einsatz von mobilen Videokameras, wie sie die Polizei beispielsweise bei Großdemonstrationen einsetzt, soll auch eine bessere Beleuchtung öffentlicher Plätze künftig für mehr Sicherheit sorgen.
Auf der Pressekonferenz wurde der Polizeichef auch auf Gerüchte angesprochen, wonach Personen aus dem rechtsextremen Spektrum in Köln gewalttätig gegen Zuwanderer vorgehen wollen. Albers warnte vor jeder Form von Selbstjustiz. In den sozialen Medien wurden am Dienstag Warnungen gepostet, Neonazis wollten in Köln Jagd auf ausländisch aussehende Menschen machen.
Bereits 90 Strafanzeigen
Am Silvesterabend hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz laut Polizei etwa 1.000 Männer versammelt, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. Aus der Menge heraus sollen einige von ihnen Frauen umzingelt, ausgeraubt und sexuell belästigt haben. Eine Frau soll vergewaltigt worden sein. Die Zahl der Anzeigen stieg am Dienstag auf 90. Bei einem Viertel der Anzeigen handele es sich um sexuelle Übergriffe. Diese seien oft vorgenommen worden, um Diebstähle begehen zu können. Zugleich hofft die Polizei auf weitere Zeugenhinweise, Fotos oder Videos.
Zu dunkel zur Täter-Ermittlung?
Viele Fragen blieben bei der Pressekonferenz in Köln offen: Waren es überhaupt alles Ausländer - noch dazu Flüchtlinge - oder vielleicht Deutsche aus Zuwandererfamilien oder waren auch Deutsche unter den Tätern? Haben sie sich verabredet - und wenn ja, wie? War es eine gesteuerte Aktion? Wieso konnte die Polizei nicht einen einzigen Tatverdächtigen ermitteln? Alles unklar. Vor allem die Kölner Polizei steht in der Kritik.
In einer Zusammenfassung der Silvesternacht hatte die Polizei am Neujahrsmorgen noch ein positives Fazit des Jahreswechsels gezogen. Die Silvesterfeierlichkeiten seien "friedlich" verlaufen, hieß es in einer Pressemitteilung. Lediglich eine Räumung des Bahnhofsvorplatzes wird erwähnt, von den Übergriffen ist nicht die Rede. "Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt - auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte", lautete die Zusammenfassung. Polizeipräsident Albers räumte mittlerweile ein, dass diese Auskunft falsch gewesen sei. Tatverdächtige konnte die Polizei bislang nicht ermitteln. In der Tatnacht sei es auf dem Bahnhofsvorplatz zu dunkel gewesen, erklärten die Polizeivertreter auf der Pressekonferenz. Festnahmen in der Stadt stünden nicht in Zusammenhang mit der Silvesternacht.
Kraft "entsetzt"
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigte sich "entsetzt" über die Vorfälle in Köln. "Für die Opfer, insbesondere die betroffenen Frauen, waren das schreckliche, zutiefst verstörende Erlebnisse. Gegen diese neue Dimension von Gewalt und sexuellen Übergriffen durch Männer-Banden müssen und werden Polizei und Justiz konsequent vorgehen", sagte die Regierungschefin auf WDR-Anfrage. In den Fällen, wo die Voraussetzungen gegeben seien, müssten kriminelle ausländische Straftäter dann auch abgeschoben werden.
Sondersitzung im Landtag
Die Kölner Nacht hat ein politisches Nachspiel. Auf Antrag von CDU und FDP findet am kommenden Montag (11.01.2016, 10 Uhr) eine Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag statt. Nach den Hooligan-Krawallen vom Oktober 2014, bei denen rund 50 Polizisten verletzt worden waren, offenbarten sich in Köln nun erneut "eklatante Missstände bei der Inneren Sicherheit", kritisierte CDU-Landeschef Armin Laschet laut "Neue Osnabrücker Zeitung".
Gewerkschaft verteidigt Polizeivorgehen
Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, verteidigte das Vorgehen der Polizei. "Die Polizei hat ja eingegriffen", sagte er am Dienstag im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Wenn 150 Menschen Frauen umzingelten und einen Kordon bildeten, seien die Taten nur schwer zu sehen. Laut Hamburger Polizei-Angaben vom Dienstag sind beim zuständigen Landeskriminalamt 27 Strafanzeigen für die Silvesternacht eingegangen, bei denen auch um sexuelle Belästigung gegangen sein soll.