Beim Thema Klima jagt ein Negativ-Rekord den nächsten. Das lässt so manchen Menschen abstumpfen. Was lässt sich dagegen tun? Man müsse davon wegkommen, von den apokalyptischen Folgen des Klimawandels zu sprechen und stattdessen mehr Menschen zum Klimaschutz motivieren, sagt ARD-Meteorologe und Klima-Experte Sven Plöger im WDR-Interview.
Anlass ist ein am Freitag veröffentlichter Bericht des EU-Klimabeobachtungsdienstes Copernicus. Demnach war der Sommer 2024 in Europa und weltweit der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch in Deutschland war der Sommer außergewöhnlich warm: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes landete er auf Platz fünf der heißesten Sommer.
WDR: Wieder ein Rekord-Sommer. Wieder eine schlechte Klima-Nachricht. Macht das noch was mit Ihnen?
Sven Plöger: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Klima. Nahezu immer, wenn neue Klima-Daten kommen, erschrecken wir uns. Dann beschäftigen wir uns zwei Tage damit. Und dann verschwindet das schleichende Thema Klima-Änderung wieder aus unseren Köpfen.
Das liegt zum einen daran, dass es erst mal keine konkrete Bedrohung gibt - nicht jeden Tag wird schließlich jede und jeder von einem Unwetter erwischt, auch wenn diese zunehmen. Zum anderen liegt es daran, dass wir ungern Abstriche an unserer Lebensweise machen wollen. Ein bisschen weg von unserem "schneller, weiter, höher, mehr" sollten wir schon kommen. Aber wenn wir uns um mehr Nachhaltigkeit bemühen würden, wären viele Abstriche gar nicht so einschneidend.
Und beim Klimaschutz erst mal auf die Chinesen zu verweisen, reicht nicht. Denn im weltweiten Ranking der CO2-Emissionen liegen wir in Deutschland auf Platz sieben - 188 Länder sind also besser als wir. Wir leben in einer Wunschwelt und machen so auch unsere Politik. Die Realität entfernt sich aber immer weiter davon und da liegt die Gefahr.
WDR: Haben Sie denn Verständnis, dass bei den vielen schlechten Klima-Nachrichten so mancher abstumpft und sich kaum noch dafür interessiert?
Plöger: Ob wir uns für das Klima interessieren, ist der Natur völlig egal. Es findet einfach Physik statt. Mit Hitzewellen, Dürren mit Waldbränden, mit Flutkatastrophen oder Engpässen in der Wasserversorgung. Die Natur interessiert sich schlicht nicht für uns. Mit den Problemen, die wir uns einbrocken, müssen wir schon selbst klarkommen.
Deshalb liegt es auch an uns, was wir jungen Menschen sagen wollen. Wollen wir den eigenen Kindern wirklich ins Gesicht sagen: Euch soll es mal schlechter gehen als uns? Für sie wünscht man sich doch ein besseres oder zumindest gleich gutes Leben. Wir sagen seit zig Jahren, dass man etwas gegen den Klimawandel machen muss, tun dafür aber leider vergleichsweise wenig.
WDR: Wie versuchen Sie, Ihre Leser, Hörer und Zuschauer immer wieder für das Thema Klima zu interessieren?
Plöger: Wir müssen unsere Klima-Kommunikation ändern. Unsere Erzählungen sind oft Dystopien oder hinterlassen das Gefühl einer drohenden Apokalypse und daraus folgender Hilflosigkeit. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, Möglichkeiten aufzuzeigen, etwas zu ändern. Wir müssen Mut machen für eine Transformation hin zur Nachhaltigkeit, Begeisterung wecken.
Wir schauen viel zu oft auf das Negative, zerreden Ideen so lange, bis man denkt, es geht nur so, wie es immer schon war.
Für mich in meiner Kommunikation des Themas ist es wichtig zu zeigen, dass ich weder Ideologe noch Missionar bin. Ich möchte einfach nur komplizierte Naturwissenschaft in für jede und jeden verständliche Sprache übersetzen und dies in spannenden Geschichten erzählen. Das darf auch trotz der Ernsthaftigkeit des Themas mit einer Prise Humor sein. Ich bin davon überzeugt, dass dann mehr hängen bleibt. Haltung mit Unterhaltung vermitteln, kann viel mehr erreichen als den Zeigefinger zu erheben.
WDR: Wo stehen wir denn in Sachen Klimawandel und Klimaschutz?
Plöger: Über das 1,5-Grad-Ziel vom Pariser Klima-Abkommen sind wir erwartungsgemäß hinaus. Stattdessen befinden wir uns auf einem 2,7-Grad-Pfad. Das bedeutet: Um diesen Wert erwärmt sich unsere Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, wenn wir unsere derzeitigen Emissionen nicht deutlich reduzieren. Wir sagen immer wieder, dass wir das wollen und tun es dann nicht. Wie soll man so Erfolge erzielen?
WDR: Jetzt meldet Copernicus den heißesten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn. Was steckt denn Motivierendes in dieser schlechten Nachricht?
Plöger: Die Stellschrauben sind ja bekannt, wie wir die immer stärker ausufernde Erwärmung bremsen könnten. Heizen, Kühlen, Mobilität und vieles andere konsequent zu verändern, könnte uns schon mit bereits auf den vergangenen Klimakonferenzen beschlossenen Maßnahmen von 2,7 auf 2,1 Grad bringen. Das ist eine Hausnummer, auch wenn es noch nicht 1,5 Grad sind. Es scheint mir ohnehin wichtig, dass wir Erfolge auch feiern können, wenn sie ein bisschen was bringen. Wir müssen nicht sofort perfekt sein, um unseren Freunden und Verwandten zu erklären, dass wir etwas angepackt haben.
Wenn man das mit acht Milliarden multipliziert - so viele sind wir -, dann wird der Beitrag eben groß.
WDR: Sie versuchen Optimismus zu verbreiten. Dabei wirken Sie auch noch stets gut gelaunt. Wie machen Sie das?
Plöger: Ich bin nicht immer gut gelaunt, aber häufig. So kommt man besser durchs Leben als mit ständigem Pessimismus, den man grimmig zur Schau stellt. Das kann jeder an sich ausprobieren - und schon wird das Dasein leichter.
Beim Klima-Thema versuche ich, die Hoffnung nicht zu verlieren - und das geht, wenn ich mir die Palette an Möglichkeiten vor Augen führe, die wir nicht oder zu wenig nutzen. Wenn man will, kann man sich einen der unzähligen Ratgeber anschauen, die einem zeigen, wie es gehen kann.
Und ich mache mir immer wieder klar, dass die Wissenschaft das Erreichen einiger Ziele theoretisch für immer noch möglich hält. Also wenn man denn beginnt zu handeln. Wir könnten in der Sache viel besser sein als wir derzeit sind - und selbst das motiviert mich irgendwie ein bisschen.
Das Interview führte Jörn Seidel.
Über dieses Thema berichteten wir am 06.09.2024 um 18.45 Uhr auch in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen.