Protest gegen Touristen auf den Kanaren 02:38 Min. Verfügbar bis 20.04.2026

Kanarische Inseln: Bewohner protestieren gegen Massentourismus

Stand: 20.04.2024, 17:40 Uhr

"Die Kanaren haben genug" - unter diesem Motto haben am Samstag tausende Bewohner und Aktivisten auf den Inseln gegen den Massentourismus demonstriert. Auch in anderen Touristen-Hochburgen regt sich Widerstand gegen den sogenannten Overtourism.

Von Oliver Strunk

Auf den Straßen der großen Städte der spanischen Urlaubsinseln protestierten nach Angaben der Polizei etwa 20.000 Menschen, die Organisatoren sprachen von knapp 50.000 Teilnehmern. Auf dem Festland fanden in der Hauptstadt Madrid und in der katalanischen Metropole Barcelona Solidaritätskundgebungen statt. Etwa 20 Organisationen und Vereine hatten zu den Protesten auf den Kanarischen Inseln aufgerufen. Vor einigen Tagen gab es bereits Demos im Norden von Teneriffa, einige Aktivisten starteten sogar einen Hungerstreik.

Tourismusphobie in Deutschlands beliebtestem Urlaubsland?

In Spanien wird viel über das Wort "Turismofobia" (Tourismusphobie) diskutiert. Nicht nur auf den Kanaren, sondern auch in Barcelona und auf Mallorca wird die Ablehnung des Massentourismus immer offener - und auch schon mal gewalttätig - zur Schau getragen.

Die Vereinigung der Naturfreunde Teneriffas (ATAN) erklärte, bei den Protesten am Samstag gehe es nicht um diese angebliche Tourismusphobie. Die Tourismuspolitik auf den Inseln sei völlig falsch und gescheitert, sie zerstöre das Land und die Artenvielfalt.

Proteste richten sich auch konkret gegen Hotelbau

Die Proteste auf den Kanaren richten sich auch gegen den Bau von Hotelkomplexen. | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER/Harry Laub

Die Bevölkerung der Inseln leide darunter, dass Immobilien vorrangig an Ausländer verkauft würden, was zu knappem Wohnraum und hohen Mieten führe. Zusätzlich richtet sich der Protest gegen den eigentlich gestoppten Bau zweier Hotelkomplexe.

Die Regionalregierung der Inseln erklärte, dass sie den Aufruf verstehe und begrüße. Dennoch müsse man vorsichtig sein, um keine Nervosität auf dem Tourismusmarkt zu erzeugen.

"Die Menschen, die zu uns kommen, um sich ein paar Tage zu amüsieren und ihr Geld auf den Kanaren lassen, sollten nicht beschimpft werden." Regionalpräsident Fernando Clavijo

Kanaren-Touristen sorgen für Rekordumsätze

Wie der Präsident des kanarischen Arbeitgeberverbandes dem spanischen Sender Cadana Ser sagte, sind 40 Prozent der Arbeitnehmer auf den Inseln direkt vom Tourismus abhängig, dazu kommen viele Sektoren, die indirekt von den Touristen leben.

Massentourismus in der Kritik auf den Kanaren 00:21 Min. Verfügbar bis 20.04.2026

Der Arbeitgeberverband behauptet, dass man auf den Inseln in eine Phase des Nachdenkens gekommen sei. Die Zahlen jedoch sagen etwas anderes aus: Die Kanaren haben 2023 einen neuen Tourismus-Rekord aufgestellt: 16 Millionen Besucher sorgten für einen Umsatz von 22 Milliarden Euro.

Umweltaktivisten fordern, eine Grenze zu ziehen

"Die Kanaren haben genug" skandierten Einwohner bereits beim Start der Proteste vor einigen Tagen. | Bildquelle: picture alliance/dpa/EUROPA PRESS Canarias

Eine Gruppe, die mit zu den Protesten aufgerufen hat und die vor 20 Jahren auf den Kanaren bereits das Motto "Die Kanaren haben eine Grenze" formulierte, ist "Ben Magec - Ökologen in Aktion". Sie kritisieren, dass sich die Politik mit den Rekordzahlen rühme, während die Inseln gleichzeitig andere Negativ-Rekorde aufstellten. So seien mehr als 35 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht, mehr als 13 Prozent lebten bereits in extremer Armut und die Arbeitslosenquote liege bei 20 Prozent.

Viele in der Bevölkerung fragten sich, wo der ganze Reichtum hinfließe.

"Während die Vorteile in Millionenhöhe an einige wenige verteilt werden, ist die lokale Bevölkerung gezwungen, die Probleme zu tragen, die diese Aktivität mit sich bringt." Erklärung von "Ben Magec - Ecologistas en Accion"

Schäden durch "Overtourism"

Für die Touristenmassen hätten die Inseln weder die Rohstoffe und Energie, noch die Kapazität, um die Mengen an Abfall und Schadstoffen aufzunehmen. Der ökologische Fußabdruck der Kanarischen Inseln sei 27 mal größer als das Territorium, so die Umweltschützer.

Overtourism, wie das die Fachleute nennen, richtet auch in europäischen Städten wie Amsterdam, Barcelona oder Dubrovnik inzwischen beträchtlichen Schaden an. Amsterdam versucht schon länger, etwas gegen die Touristenflut zu unternehmen. So will die Stadt zum Beispiel die Hälfte der anlegenden Flusskreuzfahrtschiffe verbannen. Als neueste Maßnahme verbietet die Stadt den Neubau von Hotels. Erst wenn eines schließt, darf ein neues öffnen.

Aktionen gegen Touristen auf Mallorca und in Barcelona

Die Politik reagiert damit auf Widerstände in der Gesellschaft gegen ausufernde Urlaubermassen. Auf Mallorca hat bereits im vergangenen Jahr die Aktivistengruppe Caterva für Aufsehen gesorgt, indem sie falsche Hinweisschilder aufstellte, die vor Quallen oder Steinschlag warnten. Damit wollte die Gruppe nach eigenen Angaben gegen die "Enteignung" der Strände durch Urlauber vorgehen.

In Barcelona sieht man Schilder, die "Tourist Go Home" fordern, und auch hier haben Anwohner Urlauber in die Irre geführt, indem Hinweisschilder zu Hotspots einfach umgedreht wurden. Der ewige Trubel und die hohen Preise bringen viele Anwohner aber auch dazu, ihre Heimat für immer zu verlassen.

Venedig: Kurzurlauber sollen zahlen

Nur für ein Selfie nach Venedig? In einer Testphase müssen Kurzbesucher nun eine Gebühr zahlen. | Bildquelle: imago

In Venedig lässt sich das schon längere Zeit beobachten: In der Altstadt leben heute keine 50.000 festen Einwohner mehr. Vor ein paar Jahrzehnten waren es noch 175.000. Dafür gibt es mehr als 50.000 Gästebetten. Als erste Stadt der Welt will die Lagunenstadt ab Donnerstag eine Gebühr in Höhe von fünf Euro von Touristen erheben, die nur für wenige Stunden bleiben. Insgesamt soll bis zum Sommer in einer Testphase an 29 Terminen gezahlt werden müssen.

Über das Thema berichten wir am Samstag ab 18.45 Uhr auch in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.

Unsere Quellen:

  • EFE
  • dpa
  • ecologistasenaccion.org
  • atan.org