Influencer in der Politik: Wann sind Blogger auch Journalisten?

Stand: 29.01.2025, 15:44 Uhr

US-Präsident Donald Trump holt Influencer in seine Pressekonferenzen. Ist das auch in Deutschland möglich? Welche Chancen und Gefahren birgt das? Und was macht einen Blogger eigentlich zu einem Journalisten?

Von Oliver Scheel

US-Präsident Donald Trump steht auf Kriegsfuß mit vielen klassischen Medien. Kritik an seiner Arbeit wertet er als Beleidigung. Deshalb sollen im Weißen Haus künftig auch Influencer, TikToker, Blogger, Podcaster und Reporter von nicht klassischen Medien einen Platz bekommen und Fragen stellen können. Sie könnten eine Akkreditierung beantragen, wenn sie "nachrichtenbezogene Inhalte" produzierten, so Trumps Sprecherin Karoline Leavitt. 

Trump umgibt sich gern mit Medien, die ihm nahe stehen. Im Wahlkampf gab er Bloggern und Podcastern Interviews, um seine Botschaften an die Wähler zu bringen. Bei einem Pressebriefing im Weißen Haus war nun erstmals ein Reporter des rechtspopulistischen Portals "Breitbart" dabei - eine kritische Distanz zu Trump darf man bezweifeln.

Trump und die Influencer WDR Studios NRW 29.01.2025 00:41 Min. Verfügbar bis 29.01.2027 WDR Online

In Deutschland kommt es auf die publizistische Leistung an

Prof. Dr. Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund | Bildquelle: technische Universität Dortmund

Und wie läuft das in Deutschland? Im politischen Berlin gibt es die Bundespressekonferenz (BPK). Sie ist tatsächlich ein Verein und somit dem Zugriff des Bundeskanzlers entzogen. Derzeit gehören der BPK etwa 900 Parlamentskorrespondenten an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Influencer Zugang zur Bundespressekonferenz bekommen, auch wenn es sich bei der Bundespressekonferenz um einen privaten Verein handelt. Wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne ein Anspruch auf Zugang zu den Veranstaltungen wie der Bundespressekonferenz bestehen, erläutert Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund, im Gespräch mit dem WDR.

In Deutschland stellt das Internet laut der Mediengewichtungsstudie 2023 inzwischen für 41,8 Prozent der Menschen das subjektiv wichtigste Informationsmedium dar. Damit liegt es deutlich vor dem Fernsehen (29,8) und vor Tageszeitungen (15,2) und Radio (8,4). Und tatsächlich erreichen Netzaktivisten und Blogger wie Rezo oder Netzpolitik.org viele jüngere Leute, die über die klassischen Medien nicht mehr erreicht werden.

"Wenn sie eine vergleichbare publizistische Leistung für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen, wird deshalb durch die Rechtsprechung regelmäßig nicht mehr getrennt zwischen einem traditionellen Medium und einer Einzelperson, die im Netz tätig ist", erklärt Gostomzyk. Entscheidend sei dabei immer die Frage, ob die "Leistung für eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung mit der klassischer Medien vergleichbar" ist.

Die Bevölkerung muss sich auf die Informationen verlassen können

Dabei, so Gostomzyk, stehe diesem Zugangsrecht aber auch die Pflicht zur sorgfältigen Berichterstattung gegenüber. "Die Bevölkerung muss sich auf die übermittelten Informationen verlassen können", dies sei nicht zu vergessen.

"Nachrichten sind vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen." Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund

Anja Köhler beobachtet für den WDR in Berlin das politische Geschehen. Sie weiß, dass auch in Deutschland "Podcaster regelmäßig Politiker interviewen, zum Beispiel "Jung & Naiv" oder "Lage der Nation". Das kann einen Mehrwert haben", so die Journalistin.

Eine Gefahr sieht Köhler aber auch: "Wenn die Podcaster keine Journalisten sind, besteht die Gefahr, dass sie nicht nach journalistischen Standards berichten, sondern eine bestimmte Agenda verfolgen — oder Parteien beispielsweise verstärkt Podcaster einladen, die ihnen wohlgesonnen sind. Das wäre nicht im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung", so Köhler. "Jung und Naiv" sind übrigens zur Bundespressekonferenz zugelassen.

"Influencer sind schon lange in der Politik vertreten." Robin Curtis, Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Uni Düsseldorf
Prof. Dr. Robin Curtis von der Uni Düsseldorf | Bildquelle: Heinrich Heine Universität

Die Düsseldorfer Medienkulturwissenschaftlerin Robin Curtis beobachtet die Entwicklung der sozialen Medien schon länger. "Social Media wurde ja nicht von Trump eingeführt. Viele Personen, die schon lange bei der Bundespressekonferenz sind, haben ihre eigenen Blogs oder sind aktiv auf Social Media. Influencer sind also schon lange in der Politik vertreten", sagt sie im Gespräch mit dem WDR. Seit mindestens zehn Jahren lebten wir daher in einer Welt, in der Social Media zu unserem Alltag gehört.

Sorge bereitet ihr eher die Art und Weise, wie die Debatten geführt werden. "Das betrifft nicht die Pressekonferenzen. Es ist eher die Frage, wie werden die Debatten in der Öffentlichkeit geführt?" Aber auch da sieht sie keine neuen Entwicklungen: "Ich sehe da Positionen, die vor 30 Jahren von der CDU/CSU vertreten wurden, die werden heute von der AfD vertreten. Es gab schon in den 80er-Jahren öffentliche Debatten, die mich schockiert haben. Ein Spektrum verschiedener Positionen gab es also schon immer, auch schon stark rechts."

Gefahr durch Algorithmen: "Was wir sehen bestätigt, was wir denken"

Bei Influencern mit hoher Reichweite ist allerdings oft nicht klar erkennbar, ob sie lediglich unterhalten oder einen klaren Meinungsjournalismus betreiben. Parteinahe Influencer gibt es mittlerweile auch.

So sieht auch die sonst sehr positiv auf aktuelle Entwicklungen blickende Professorin Curtis eine Gefahr durch die sozialen Medien: "Es ist schwierig, sich eine Meinung zu bilden jenseits von öffentlichen Umfragen. Die Algorithmen sind eine Black Box, das ist natürlich eine Gefahr. Was wir sehen bestätigt, was wir denken." Desinformation sei eine ernstzunehmende Bedrohung für freie und demokratische Gesellschaften.

Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Robin Curtis
  • Gespräch mit Tobias Gostomzyk
  • Gespräch mit Anja Köhler
  • bundespressekonferenz.de
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Mediengewichtungsstudie 2023