Bravo Bundesverfassungsgericht! Die endgültige juristische Niederlage des Milliarden-Players namens Deutsche Fußball Liga gegen die Hansestadt Bremen ist eine gute Nachricht für alle Steuerzahler, egal ob Fußball-Fan oder nicht. Zwar haben wir deswegen nicht mehr Netto vom Brutto. Aber ich sehe nicht ein, warum bei sogenannten "Hochrisikospielen" ausschließlich der Staat und damit wir für die Sicherheit rund ums und zum Teil auch im Stadion zahlen sollen.
Immerhin rund 50 Spiele pro Saison in der ersten und zweiten Liga fallen in diese Kategorie. Wann ein Bundesliga-Spiel in die Kategorie "Hochrisiko" fällt, bestimmt letztlich die Polizei.
Zu Recht. Die Polizei hat umfassende Erfahrung in Sachen Risiko-Minimierung und De-Eskalation. Polizisten und Polizistinnen halten bei dem häufig extrem militanten Ultra-Terror vor den Stadien buchstäblich ihre Knochen hin.
Ich bin sehr dafür, dass alle Bundesliga-Clubs der ersten und zweiten Liga in Deutschland bei den sogenannten "Rotspielen" finanziell in die Pflicht genommen werden! Ganz gleich, ob sich die Gewaltexzesse der Ultra-Fans in Dortmund, auf Schalke, in Gladbach und Köln, Frankfurt, Hamburg oder eben in Bremen abspielen. Ob die Vereine zur Kasse gebeten werden ist aber Ländersache und in NRW ist das aber wohl erstmal nicht vorgesehen.
Gewaltbereite Ultras verderben anderen Fans den Stadionbesuch
Damit wir uns nicht missverstehen: Die Sicherheit in den Stadien hat sich gerade wegen des Engagements der Vereine in den letzten Jahren verbessert. Als Essener und erklärter Rot-Weiss-Fan erinnere ich mich noch sehr genau an die Neunziger Jahre, als ich in Münster arbeitete und meinen damaligen Bundesliga-Club gern bei den Preußen erlebt hätte. Mein gesamter Freundeskreis traute sich nicht in das Preußen MS-Stadion. Schon gar nicht mit unseren damals kleinen Kindern. Die Situation im Stadion schien uns einfach zu unberechenbar. Das hat sich mittlerweile in der ersten und zweiten Liga geändert. Auch wenn es vereinzelt noch immer wegen der Pyrofetischisten und Rauchtopf-Brutalos zu Brandverletzungen im Stadion kommt.
Was aber nach wie vor bleibt und worum es mir hier geht, sind die Exzesse einer gewaltentschlossenen Minderheit von Ultra-Fans in Zügen und Straßenbahnen, an Bahnhöfen, in den Innenstädten und rund um die Stadien. Von deren Ausschreitungen bei Derby-Klassikern, wie Dortmund gegen Schalke, Köln gegen Mönchengladbach oder Köln gegen Leverkusen sind vor allem die Einsatzkräfte der Polizei betroffen. Und mit den damit verbundenen Mehrkosten indirekt alle, die Steuern zahlen.
Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, sämtliche Kosten für die Zuschauer-Sicherheit in den Fußballstadien der ersten und zweiten Liga den einzelnen Clubs oder der DFL aufzuhalsen.
Aber Steuerzahler sollten nicht blechen, wenn bestimmte Lokal-Derbys, wie Bremen gegen den HSV oder Köln gegen Leverkusen von Gewalt-Kriminellen systematisch seit Jahren als "Schlacht-Feld" instrumentalisiert werden.
Profiteure müssen zahlen
Vor dem Bundesverfassungsgericht wies die DFL als Vertreterin der 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga darauf hin, dass sie 110 Millionen Euro allein in der Saison 2022/23 in ein sicheres Stadionerlebnis investiert habe. Angesichts eines Jahresumsatzes von über 5,24 Milliarden Euro in derselben Saison finde ich dieses finanzielle DFL-Engagement allerdings auch angemessen. Ebenso angemessen ist es aus meiner Sicht, dass auch völlig Fußball-Desinteressierte einen Steuerzahler-Beitrag dafür zahlen müssen.
Ein guter Bekannter von mir, der passionierter Fortuna Düsseldorf-Fan und unerschütterlicher Stadion-Gänger ist, spricht von 90 Minuten in denen das "WIR gegen DIE" ausgelebt werden kann. Wohlgemerkt unter der Bedingung, die gute Kinderstube nicht vollends über Bord zu werfen. Und in der Hoffnung, dass es nach dem Spiel wieder mehr WIR als DIE gibt.
Die Kosten sind für die Vereine ein wichtiger Anreiz zu handeln
Ein Argument, das ich den letzten Tagen öfter gelesen habe: Ja, auch die Profi-Clubs sind Steuerzahler. Laut DFL waren es allein in der Saison 2022/23 insgesamt 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben. Deshalb haben sie auch ein gewisses Recht auf Sicherheit im und ums Stadion - aber eben bei gewöhnlichen Spielen. Hochrisikospiele dürfen aber nicht als "normal" angesehen werden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stranguliert außerdem finanziell keinen, der potenziell von Polizeirechnungen betroffenen NRW-Profi-Vereine. Dortmund, Mönchengladbach oder Leverkusen müssten keinen Spieler verkaufen, wenn die NRW-Landesregierung sie nach Hochrisikospielen an den zusätzlichen Polizeikosten beteiligen würde.
Aber der neue Kostendruck hätte aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Lern-Effekt auf die Vereine - gerade der ersten Bundesliga. Sie müssten sich deutlich stärker als bisher dafür engagieren, dass gewaltbereite Fans kein Eigenleben führen und nicht zu einem völlig unkontrollierbaren Machtfaktor innerhalb des Vereins werden.
Wer - wie nach meinen Beobachtungen zum Beispiel Eintracht Frankfurt - die Härtesten auf den Stehplätzen nicht verärgern will, der schafft ein massives Problem. Verräterisch ist nicht nur für mich, wie zögerlich, wortkarg und einsilbig sich Bundesligavereine, wie zum Beispiel der 1. FC Köln nach Gewaltexzessen der eigenen Fans äußern.
Natürlich hat ein Profi-Fußballverein keinen disziplinarischen Durchgriff auf alle Mitglieder und Fangruppen! Aber ich komme in diesem Zusammenhang gerne noch einmal auf meinen geschätzten Heimatverein Rot-Weiss Essen zurück.
Der Drittligist zeigt in Sachen Kommunikation den Erstligisten, was möglich ist. Vor drei Jahren durch Böller aus dem Fanblock wurde im Georg-Melches-Stadion ein Spieler und drei Zuschauer verletzt. Rot-Weiss sprach danach sehr klar und unmissverständlich mit 70 (!) Fangruppen und sprach im gleichen Jahr für 76 eigene Fans Hausverbote aus.
Kein "Soli" für Derby-Vereine
Eine "Solidargemeinschaft der Liga" - also so etwas wie einen gemeinsamen Geldtopf der Bundesliga-Vereine, aus dem zusätzliche Kosten für Polizeieinsätze gezahlt werden - sind angesichts des knallharten Fußballgeschäfts naive Träumereien.
Damit ist klar: Ihrer Mit-Verantwortung für die Mehrkosten bei den gewaltträchtigen Hochrisikospielen können die Vereine auf Dauer nicht entkommen. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht gesorgt. Das ist hart - aber alles andere als unfair. Und um Fairness geht es ja schließlich beim Sport. Auch beim Fußball!
Welche Lösung für die Mehrkosten bei Hochrisikospielen fändet ihr am fairsten? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
Kommentare zum Thema
Ich finde das in Ordnung. Warum sollen Nicht-Fussball- Leute dafür bezahlen? Die Vereine stehen auch in der Verantwortung für ihre Fans.
Da ist genug Geld, in den Vereinen. Sie sollten für die Sicherheit Ihrer Fans haftbar sein. Damit diese Hooligan Culture ein Ende hat in und um den Stadien.
Ich verstehe nicht, warum die Polizei vor den Einsätzen auch noch Essen bekommt?! Wer bezahlt das ?? Ich arbeite in einer großen Klinik und habe dort auch Bereitschaftsdienst. Da muss sich jeder seine Verpflegung selbst mitbringen. Und das mehrere Hunderttausende Euro jedes Wochenende vom Steuerzahler finanziert werden, ist mir als Nichtfußballfan unbegreiflich.