KOLUMNE

Schröder-Rückzug bei Rosneft: Die Angst vor den Sanktionen

Stand: 21.05.2022, 06:00 Uhr

Wer hätte das gedacht: Gerhard Schröder verlässt den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft. Leider kommt dieser Schritt viel zu spät. Und nicht wirklich aus Überzeugung. Ralph Sina beschwert sich - beim Altkanzler selbst.

Von Ralph Sina

Lächerlich!

Gerhard Schröder, Ihr Rosneft-Rückzug ist nur noch lächerlich und blamabel. Er kommt nicht nur Monate zu spät. Denn Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine begann bekanntlich am 24. Februar. Er kommt interessanterweise auch genau zu einem Zeitpunkt, wo sich EU-Abgeordnete dafür stark machen, Sie genau so wie russische Oligarchen auf eine Sanktionsliste der Europäischen Union zu setzen.

Das große Geld ist der Antrieb

Da geht es nicht um ein paar Tausend Euro weniger im Monat, einige Mitarbeiter und ein Berliner Büro. Es geht nicht um das Klein-Klein der Alt-Kanzler-Annehmlichkeiten. Es geht ums Eingemachte. Um die ganz dicke Kohle. Und darum, dass Sie auf der EU-Bühne dann doch nicht als russischer Oligarch mit deutschem Pass gelten möchten.  

Aber genau das sind Sie für mich. Einer der wichtigsten und skrupellosesten Handlanger Putins auf der EU- und Weltbühne.

Immer noch loyal zu Putin

Selbst nach den russischen Massakern in Bucha, dem Vorort von Kiew, haben Sie Völkermörder Putin bei einem guten Tropfen Wein noch in Schutz genommen. Und zwar im Gespräch mit der New York Times.

Deren Berliner Büroleiterin Katrin Bennhold interviewte Sie jüngst und fragte dabei nach den Gräueltaten in Bucha. Und was antworteten Sie? Waren Sie etwa sprachlos vor Entsetzen? Distanzierten Sie sich von dem Mann, der Kinder, Frauen und Holocaust-Überlebende in der Ukraine abschlachten lässt und dem Sie Ihr Vermögen und Ihre Macht der letzten 15 Jahre verdanken?

Nein.

Als Jurist befanden Sie: Das Massaker müsse untersucht werden. Und dann fügten Sie - wieder ganz in der Rolle des Putin-Verteidigers - hinzu, Sie glaubten nicht, dass diese Befehle vom russischen Präsidenten gekommen seien. Sondern von einer niedrigeren Instanz.

Natürlich.

"That has to be investigated," Mr. Schröder said, but added that he did not think those orders would have come from Mr. Putin, but from a lower authority New York Times, 23. April 22

Wie hätte auch Putin, der mit Giftgasmörder Assad seit Jahren zusammen agiert, der Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten in Syrien in Schutt und Asche bombt und den Folter-Herrscher in Damaskus jetzt mit geraubtem ukrainischen Weizen versorgt, wie hätte auch ein Mann, der seine Gegenspieler seit Jahren vergiften und verstrahlen lässt, plötzlich eine solche Brutalität aufbringen sollen? Wo Putin doch ganz offen angekündigt hat, die ukrainische Kultur, den ukrainischen Staat auszulöschen?

Herr Schröder, die New York Times hat zurecht über Sie getitelt: "The Former Chancellor Who Became Putin’s Man in Germany" (übersetzt: "Der ehemalige Kanzler, der zu Putins Mann in Deutschland wurde").

Es ist zu spät

Gerhard Schröder, Sie sind und Sie bleiben in der öffentlichen Wahrnehmung Putins Mann. Der Günstling eines durch und durch mörderischen Tyrannen. Bis an ihr Lebensende. Egal, von welchen Posten Sie jetzt noch zurücktreten.

Sie hatten einmal Rückgrat. Als Sie den Angriffskrieger George W. Bush ganz klar mit Ihrem "Nein" zum Irak-Krieg konfrontierten. Doch diesen Gerhard Schröder der klaren Kante gibt es seit langem nicht mehr!

Ihren tragischen Abstieg zum "Putin-Schröder" mitzuerleben, und jetzt den verzweifelten Versuch, durch einen Rosneft-Rückritt zu retten, was nicht mehr zu retten ist, das stimmt mich nur noch traurig.

Was denken Sie? Kann Altkanzler Schröder seinen Ruf durch das Verlassen des Rosneft-Aufsichtsrats noch retten? Oder hat er den richtigen Zeitpunkt für einen Rückzug aus dem Unternehmen und für eine Distanzierung von Putin schon längst verpasst? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Sie haben Lust auf Meinungsaustausch und wollen keinen ImPuls mehr verpassen? Dann können Sie die Kolumne ganz einfach in der App unter "Meine Themen" abonnieren. Dafür müssen Sie nur die Nachrichten-Kategorie "Kolumne" auswählen.

Kommentare zum Thema

  • Bernd 27.05.2022, 18:12 Uhr

    Der Mainstream hat sich auf Herrn Schröder "eingeschossen". Es scheint einfach zu sein, eine Person auszugrenzen. Als Privatmann bleibt es ihm überlassen ob oder für wen er arbeitet.

  • Gucka 24.05.2022, 14:37 Uhr

    Nun ja... jeder von uns !!! sollte auch mal in den Spiegel gucken... Ob Schröder und Putin... Oligarchen und Sportvereine, der WDR und Oma-Umweltsau-Skandal und und und...: Der gravierendste Klimawandel ist ablesbar an der Art, wie heute gegeneinander gegiftet wird mit wechselnden Farben, Fronten und viel Heuchelei. Es grüßen Splitter und Balken, Quelle und Flussverlauf...

  • Hansi 22.05.2022, 19:34 Uhr

    @Klaus Dem kann ich nur zustimmen. Gibt es noch echte Journalisten beim WDR. Wohl kaum. Vor einiger Zeit hieß es der WDR hat sehr hohe Pensionsverpflichtungen, deshalb wird das Programm reduziert. Ab und an schaue ich bei Hier und Heute rein, sind zwar Moderatoren, oft habe ich den Eindruck, spielen die hier Burgtheater oder sind die so dxx. Pay peanuts get monkeys.

    • Carsten Mohr 23.05.2022, 15:26 Uhr

      Ich glaube eher, dass Herr Sina durchaus seine persönliche Meinung, etwas überdeutlich (nicht überspitzt) dargelegt hat. Zugleich aber dürfen die Leser Ihre Sicht auf die Dinge mitteilen, was insgesamt ein interessantes Format darstellt. Verunglimpfungen und übelste Beschimpfungen sind unwürdig, man sollte sich hier vor einem Stiel wie bei Facebook und Co. seitens der beitragsschreiber hüten und die angefachte Diskussion ordentlich führen. Ich finde das garnicht so schlecht, bei genauerem drüber Nachdenken.