KOLUMNE

EEG-Umlage entfällt: Keine große Entlastung!

Stand: 01.07.2022, 10:00 Uhr

Ab Freitag fallen die Kosten für die EEG-Umlage auf der Stromrechnung weg! Kolumnist Ralph Sina schaut noch mal auf die Anfänge zurück und zieht Bilanz.

Von Ralph Sina

Ich erinnere mich noch gut: Eine Kugel Eis konnte eine vierköpfige Familie in Deutschland 2013 schon mal über 29 Euro kosten.

"Bitte was?", fragen Sie sich jetzt? Ich rede von der EEG-Umlage, die wir ab heute nicht mehr über unsere Stromrechnung zahlen müssen.

"Es bleibt dabei, dass die Förderung Erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet - so viel wie eine Kugel Eis." ehemaliger Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Grüne)

Aber der Reihe nach:

2004 war Jürgen Trittin Bundesumweltminister. Er prophezeite allen Ernstes, dass die Förderung von Strom aus Sonne und Wind uns deutsche Durchschnitts-Haushalte monatlich nicht mehr als eine Kugel Eis kosten werde. Nämlich rund einen Euro pro Monat.

Jürgen Trittin, ehemaliger Bundesumweltminister | Bildquelle: Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Voraussage des ehemaligen Grünen-Chefs schmolz schneller dahin als jedes Eis in der Sonne. Aus den rund 12 Euro pro Jahr zur Förderung des Ökostroms, wurde für eine vierköpfige Familie bereits 2013 eine Mehrbelastung von rund 355 Euro.

Die sogenannte EEG-Umlage stieg seit ihrer Erfindung von einem halben Cent auf bis zu 6,88 Cent pro Kilowattstunde. Die Ökostrom-Zulage machte kurz nach ihrer Einführung durch Rot-Grün im Jahre 2000 gerade mal 1,4 Prozent der deutschen Stromrechnungen aus. 2013 waren es schon fast 23 Prozent.

Deutschland hat die EEG-Umlage vorgemacht

Dabei fand ich die Ökostrom-Idee namens EEG-Umlage ursprünglich brillant: Alle deutschen Stromkunden, mit Ausnahme einiger energieintensiver Industriebetriebe, wurden zur Kasse gebeten, um der Entwicklung regenerativer Energien eine Chance zu geben. Ein Quantensprung. Ein Booster für Wind- und Solarenergie in Deutschland. Die Idee schien sogar so gut, dass auch mehrere andere Länder Teile des Erneuerbare-Energien-Gesetzes - made in Germany - kopierten.

Ich lebte und arbeitete zur Jahrtausendwende im ARD-Studio Nairobi. Also auf einem Kontinent, auf dem die Mehrheit der Menschen keinen Zugang zu Strom hat. Und wo in vielen äquatornahen ländlichen Gegenden buchstäblich am frühen Abend das Licht ausgeht. Als ich Studenten in Nairobi von dem Solarenergie-Booster in Germany erzählte, waren sie fasziniert. "Was? Ihr im regenreichen Deutschland verstromt die Sonne? Und wir hier auf dem Sonnenkontinent Afrika lassen diese Energiequelle fast völlig ungenutzt?" Mittlerweile forschen kenianische Ingenieure, ähnlich wie Wissenschaftler an NRW-Hochschulen, an einer Energiewende durch dezentrale Stromerzeugung mit Hilfe der Sonne.

Bye, Bye EEG-Umlage!

Das Aus der EEG-Umlage kommt mindestens zehn Jahre zu spät. Aber besser zu spät als gar nicht! Die von uns finanzierte Umlage zerfiel im Lauf der Zeit zum Strompreis treibenden Bürokratiemonster. Die EEG-Umlage beschädigte aus Investorensicht zunehmend das Image des Industriestandortes Deutschland.

Allerdings sollten wir uns vor einer Illusion hüten: Unsere Stromrechnungen werden ab heute nicht sinken. Die Abschaffung der EEG-Umlage kostet den Staatshaushalt zwar rund 6,6 Milliarden. Aber sie wird unsere private Haushaltskasse nicht wirklich entlasten.

Single-Haushalte könnten künftig rund 50 Euro sparen. Ein 4 Personen Haushalt bis zu 300 Euro - so die Berechnungen der Verbraucherzentralen. Besser als nichts. Aber: Strompreiserhöhungen von bis zu hundert Prozent sind seit Beginn des Ukraine-Krieges und wegen der gestiegenen Stromnachfrage mittlerweile keine Seltenheit. An den Strombörsen explodieren die Beschaffungskosten. Da sind die bisherigen Belastungen durch die EEG-Umlage vergleichsweise Peanuts! Das zeigt mir der Blick auf die eigene Stromrechnung.

In der Nachbarschaft gehen die Lichter aus

Das zeigt mir aber vor allem auch ein Gang durch die Nachbarschaft. Was es nämlich bedeutet, wenn Strom zum Luxus wird, merke ich jedes Mal besonders drastisch, wenn ich Hosen, Pullover oder Mäntel zu meiner Änderungsschneiderei bringe.

Eine Stickmaschine, ein Schnell-Näher, eine Blindstichmaschine und eine Rollsaummaschine: Meine Lieblings-Änderungsschneiderin in Paderborn in NRW betreibt einen richtigen kleinen Maschinenpark. Ihre Kunden lieben den Ein-Frau-Betrieb wegen ihrer perfekten und liebevollen Arbeit. Manche wären sogar bereit, den doppelten Preis zu zahlen. Doch das will Daria, die Chefin, nicht.

Aber so weiter wie bisher geht es auch nicht. "Die Strompreise fressen mich auf", erzählt mir Daria. Sie kann auf ihre energieintensiven Maschinen nicht verzichten. Und ein ständiges An- und Ausschalten bringt es auch nicht. Dass die sogenannte EEG-Umlage schon zu Jahresbeginn reduziert wurde und jetzt ganz wegfällt, ändert nichts daran, dass sie bei diesen Strompreisen nicht mehr weiß, wie lange sie ihr Änderungsatelier noch betreiben kann.

Sechs Änderungsschneidereien in der Umgebung haben wegen der hohen Stromrechnungen in den letzten Monaten schon aufgegeben. Ob es eigentlich stimmt, dass wir in Deutschland die höchsten Strompreise in der gesamten EU hätten, will Daria von mir wissen.

Deutsche zahlen am meisten für Strom

Es stimmt! Deutschland ist Strompreis-Europameister. Allerdings sind die Durchschnittseinkommen in der Bundesrepublik auch höher als in den meisten anderen EU-Staaten. Deshalb zahlen zum Bespiel Bulgaren oder Spanier prozentual einen noch höheren Teil ihres Einkommens für Strom.

Deutschland liegt in Sachen Belastung durch Stromkosten nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln auf Platz 12 und damit im europäischen Mittelfeld. Nicht anders sieht es bei Gas und Benzin aus. Auch da steht Deutschland im EU-Vergleich relativ gut dar. Insgesamt kostet Energie in zwei Dritteln aller EU-Länder einen deutlich höheren Anteil am verfügbaren Einkommen.

Wie geht's jetzt weiter?

Aber der Blick in die EU tröstet nicht diejenigen, die in Deutschland an der Armutsgrenze leben. Und auch nicht Kleinstunternehmer wie meine Änderungsschneiderin Daria. Ich habe Angst, dass ihr Atelier diesen Herbst angesichts immer neuer Strom-Rekordpreise nicht übersteht. Denn es sind nicht zuletzt die kleinen und ganz persönlich geführten Läden, die für mich Heimat ausmachen.

Leider sind wir auch nach über zwei Jahrzehnten EEG-Umlage noch immer hochgradig abhängig von den Klimakillern Kohle, Öl und Gas. Und, wenn auch zu einem kleinen Prozentsatz, von der Kernenergie.

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine müssen wir uns deshalb die entscheidende Frage stellen: Wie sieht die Strom- und Gasversorgung im kommenden Krisenwinter 2022/23 aus? Bleiben die Wohnungen warm? Was können wir tun, damit im energieintensiven Exportland Deutschland nicht buchstäblich Lichter und Heizungen ausgehen?

Für mich ist klar: Wir müssen zähneknirschend und mit schlechtem Umweltgewissen alles an Energie zusammenkratzen was wir bekommen können. Dazu zählt auch genau zu prüfen, ob die drei noch laufenden AKW weiterlaufen können. Ich halte es da mit der erfrischend unideologischen Wirtschaftweisin Prof. Veronika Grimm. Obwohl sie der Kernenergie skeptisch gegenüber steht, plädiert die Beraterin der Bundesregierung dafür, angesichts der aktuellen Notlage einen Weiterbetrieb der AKWs nicht kategorisch auszuschließen.

Zu welchem Schluss kommen Sie? War die EEG-Umlage sinnvoll, um erneuerbare Energien in Deutschland zu fördern? Oder war sie am Ende doch nur eine gute Idee mit schlechter Umsetzung? Lassen Sie uns diskutieren. Schreiben Sie uns - in den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

  • Benno Witter 06.07.2022, 15:53 Uhr

    Es gibt keine Energie- oder Gaskrise. Nur eine komplett unfähige Bundesregierung und eine ebenso unfähige EU-Kommission. Mit diesen komplett schwachsinnigen Sanktionen, die die ganze Zeit wie ein Boomerang zurückkommen, ist das ganze Problem von unseren Politikern verursacht. Nordstream 2 muss sofort in Betrieb gehen und wir sollten Gas aus Russland kaufen was das Zeug hält. Anders ist unsere Wirtschaft und die Existenzgrundlage für uns alle nicht zu retten. Und dem Klima täte es auch besser als wie die Grünen auf Kohle zu setzen. Und direkt mal als Antwort die die nun folgenden Kommentare der russophoben Moralapostel: Wann haben wir das letzte Mal die USA sanktioniert und boykottiert, wenn die einen ihrer zahlreichen Angriffskriege gestartet haben??? Also verschont mich mit diesem Gewäsch.

    • D. Müller 06.07.2022, 23:06 Uhr

      eidideididei, ich mach die Welt wie sie mir gefällt, flöt, träller

  • Steuermann 05.07.2022, 13:12 Uhr

    EEG Umlage geht Gas-Umlage kommt.

  • Märchenpreis 04.07.2022, 20:07 Uhr

    Der WDR hat am 24.6 einen guten Artikel auf seine Seite gesetzt: "Gaskrise: Sollte ich auch Energiesparen, wenn ich kein Gas nutze?" In diesem Artikel steht eine Tabelle die unsere BRD Stromproduktion aufschlusselt nach Energieträgern für das Windarme Jahr 2021. Weil also regenerativ nur 17% Strom produziert wurde, musste das veteufelte Gas 37% des Stromes erzeugen,. Und jetzt möchte Habeck auf einen Schlag raus aus dem Gasgeschäft und die Heizungen auf Wärmepumpe sowie Verkehr auf E Mobilität umstellen . Weiß Herr Habeck überhaupt, dass die Wärmepumpe Strom benötigt? Man erzeugt also im Winter statt mit Gas per Strom Wärme!. Man erhöht also die Stromrechnung per Haushalt und den Strombedarf in BRD. D.h die regenerativen Stromerzeuger sollen demnächst( nächste Jahr) 3 AKWs und 37% Gas ersetzen und zusätzlich den Bedarf für Wärmepumpen und E Mobilität abdecken. Da hofft man , dass es bei den Erzählungen bleibt und am Ende der Seifenoper die Realität erkannt wird.

    • Dieter Buchholz 05.07.2022, 19:55 Uhr

      Sie vergessen (oder verdrängen) hier völlig, dass Wärmepumpen um den Faktor 3-5 und e-Autos um den Faktor 4-5 effizienter sind als ihre fossilien Gegenspieler. Das ist ein Umstand, den wirklich viele Kritiker einfach mal unterschlagen. Der Primärenergieverbrauch nimmt durch die neuen Techniken deutschlandweit gesehen ab! Wir müssen nicht Gas und Öl 1 zu 1 ersetzen. Da gibt es genug Berechnungen zu. Einfach mal googeln hilft.

    • Stromer 06.07.2022, 07:09 Uhr

      Sorry Herr Buchholz, Sie arbeiten hier mit einer einzigen theoretischen Zahl der Effizienz(Jahresarbeitszahl der Wärmepumpen) . Dazu schreibt DAS Umwelt Bundesamt schreibt dazu ( siehe Seite Wärmepumpen) ich zitiere: "Beachten Sie, dass die Angabe einer einzelnen Leistungszahl (COP) nicht ausreicht, da diese nur die (theoretische) Leistung der Wärmepumpe, nicht jedoch die weiteren Faktoren im laufenden Betrieb berücksichtigt." Sie verdrängen offensichtlich den Unterschied Theorie zur Praxis? Obendrein leugnen Sie auch, dass zunächst zusätzlich Strom für Hauswärme ins Netz gestellt werden muss?!

    • Dieter Buchholz 06.07.2022, 11:31 Uhr

      Ich habe ja gesagt "einfach googeln hilft". Leider müssen sie bei den Begriffen JAZ=Jahresarbeitszahl und COP=momentaner Faktor der WP wohl noch einmal nachlesen. Sonst würden sie sich in ihrem eigenen Text nicht widersprechen. Sie sprechen nämlich in ihrem eigenen Text von der JAZ während das Umweltbundesamt ganz klar von der COP schreibt. Mein Faktor für Wärmepumpen bezieht sich natürlich auf die JAZ. Und den Unterschied Theorie und Praxis kenne ich sehr gut, da ich meine eigene Wärmepumpe selber geplant und dazu noch selber installiert habe und damit die Gastherme abgelöst wurde. Zusätzlich habe ich nie bezweifelt (nach ihren Worten geleugnet), dass zusätzlicher Strom für Wärme gebraucht wird. Ich habe nur aufklären wollen, dass man die kWh Gas/Öl nicht 1 zu 1 mit der kWh Strom ersetzen muss, sondern durch die Effizienz (siehe Faktoren) dieser Mehrverbrauch deutlich geringer ausfällt. Mehr Strom wird auf jeden Fall benötigt, das ist doch wohl jedem klar...