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WM-Protestaktion der Nationalelf: "Mundzuhalten" reicht nicht!

Stand: 24.11.2022, 08:00 Uhr

Viele deutsche Fußball-Fans haben gespannt darauf gewartet, welches Zeichen die DFB-Elf beim WM-Auftakt in Katar setzen wird - als Protest gegen FIFA-Verbote und für Menschenrechte. Was dann kam, war schwach, findet Kolumnist Ralph Sina.

Von Ralph Sina

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich vor dem Anpfiff der Partie gegen Japan beim Gruppenfoto demonstrativ die Hand vor den Mund gehalten: Von der FIFA zum Schweigen verurteilt.  

Ein geschickter Versuch der Ehrenrettung. Plakativ, non-verbal und damit für alle verständlich. Jedenfalls für alle, die den erbärmlichen Machtkampf um die One-Love-Armbinde mitverfolgt haben. Das Verbot durch die FIFA und das Einknicken des mächtigen DFB und ihres Präsidenten Bernd Neuendorf.

War das jetzt der entscheidende deutsche Konter, der die Blamage des Einknickens vor der Mafia-ähnlichen Organisation namens FIFA und ihrem Paten Infantino vergessen macht?  Aus meiner Sicht: nein!

Die Aktion "Mundzuhalten" reicht nicht aus!

Natürlich ist es besser, in die nonverbale Protestkiste zu greifen, als gar nichts zu tun. Knutschen im Mittelfeld, Zungenkuss nach dem Tor, buntlackierte Fingernägel, die während der Hymne demonstrativ vors Herz gelegt werden - körpersprachlich ist da noch viel drin.

"Das Problem ist nur: Wer im entscheidenden Moment nicht den Mund aufmacht, wer nicht den Mut hat zu sagen 'nicht mit uns!', der hat die Chance für immer vertan. Egal was er sich hinterher an kleinen stummen Inszenierungen einfallen lässt." Ralph Sina, Kolumnist

Fehlender Mut der FIFA-Mitgliedsverbände

Geschäftsschädigung ist die einzige Sprache, welche milliardenschwere Kartelle wie die FIFA und milliardenschwere Terror-Staaten und Terrorfinanziers wie Katar verstehen. Eine WM ohne die 'Big Eight', ohne Deutschland, Frankreich, England, Italien, Portugal, Brasilien, Argentinen, Spanien - das wäre die richtige Antwort auf den FIFA-Machthaber Infantino und die mörderische Herrschersippe in Doha.

"Gemeinsam die Koffer packen und ab zum Airport Richtung Heimat - das wäre die einzig angemessene Antwort an die FIFA gewesen." Ralph Sina, Kolumnist

Und an die FIFA-Drahtzieher, die für die Vergabe dieser WM an Katar verantwortlich sind. Von denen die meisten mittlerweile wegen Korruption angeklagt, verurteilt oder verhaftet wurden.

Doch eine solche Aktion hätte unerschrockene Spielführer verlangt, wie früher Paul Breitner oder Oli Kahn. Die nicht nur an ihren Kontostand denken. Und mutige Präsidenten der FIFA-Mitgliedsverbände.

Aus WM in Russland nix gelernt

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte die Chance, Fußball-Geschichte zu schreiben. Ich habe ihn erlebt, wie er vor dem WM-Start geduldig durch Deutschland gereist ist. Und sich immer wieder der Diskussion gestellt hat, warum sich Deutschland darauf einlässt, vor einem Regime zu spielen, dessen WM-Botschafter Homosexualität als "geistigen Schaden" bezeichnet und in dem Schwule Gefahr laufen, in unterirdischen Gefängnissen zu verschwinden.

"Erst Russland, nun Katar", hieß die letzte Diskussion, die ich mit Neuendorf vor zwei Monaten erlebt habe. Beim Bodensee Business Forum. Der Titel der Veranstaltung traf genau den wunden Punkt: WM 2018 in Russland. Lothar Matthäus, der freudestrahlend Putin die Hand schüttelte während der Kreml-Kriegsverbrecher Krankenhäuser in Syrien bombardiert. Das war unsäglich und hätte vor vier Jahren zu einem Aufschrei führen müssen. Aber damals haben wir - mich eingeschlossen - ohne große Empörung Robbie Williams gelauscht, den Putin für die Eröffnungszeremonie hatte engagieren lassen. Nach der schizophrenen Devise: Sport ist Sport. Und Terror ist Terror.

Diesmal wollte Neuendorf es besser machen. Sein Motto: Die Machthaber in Katar spüren, dass die Augen der gesamten Fußballwelt auf ihr Land gerichtet sind. Vielleicht zwingt sie diese Kontrolle durch die Außenwelt, elementare Menschenrechte - zumindest während der WM - zu respektieren. Eine minimale Chance für einen kleinen Veränderungsprozess, so die Hoffnung Neuendorfs, der vor seiner Karriere als Journalist, Staatssekretär und Sportfunktionär in Bonn und Oxford Politikwissenschaft studiert hat.

DFB-Präsident Neuendorf sollte zurücktreten!

Aber spätestens seit das Regime in Doha über die FIFA erpresserischen Druck auf den DFB und Co. ausübte, ohne One-Love-Binde zu spielen, hätte Neuendorf sagen müssen: "Dann ohne mich". Wenn schon eine Koalition der One-Love-Willigen nicht zustande zu bringen war, dann wäre ein Rücktritt des DFB-Präsidenten richtig gewesen.

Nancy Faeser mit "One-Love"-Binde im Stadion | Bildquelle: dpa/ Federico Gambarini

Stattdessen reiste jetzt auch noch Innenministerin Faeser nach Doha, um dem FIFA-Präsidenten die Hand zu schütteln. Die One-Love-Binde an ihrem linken Oberarm wirkte auf mich jetzt nur noch peinlich. Sie gehört auf den Arm der Akteure. Oder diese gehören nach Hause.

Hoffentlich ist die WM für die Nationalelf schnell vorbei!

Je schneller diese WM für Deutschland zu Ende geht desto besser. Den ersten Schritt dazu hat die deutsche Nationalmannschaft mit der Niederlage in ihrem Auftaktspiel gegen Japan ja schon getan.

Der Titel gehört der todesmutigen Mannschaft des Iran. Vielleicht kann Innenministerin Faeser den iranischen Meistern des stummen Protests  ja einen Fluchtweg nach Deutschland ebnen. Dann hätte unsere Präsenz in Doha wenigsten einen Sinn.

Wie fanden Sie das Zeichen der deutschen Nationalmannschaft? Reicht ein "Mundzuhalten" aus, um sich deutlich für Menschenrechte und gegen die FIFA zu positionieren? Oder erwarten Sie bei den nächsten Spielen noch weitere Aktionen? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf wdr.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

  • Klaus Voigt 29.11.2022, 11:47 Uhr

    Der Artikel von Hn. Sina ist verträumt und realitätsfern.Wir brauchen keine Weltverbesserer die zu Hause auf dem warmen Sofa sitzen und über Werte schwadronieren. Wir brauchen auch keine seltsamen Auftritte von einer Sportministerin. Jeden Tag erzählen uns selbsternannte Moralisten wie wir zu denken haben. Wie wäre es Herr Sina, wenn Sie eine ukrainische Familie aufnehmen würden! Wie wäre es Frau Sportministerin, wenn Sie Ihre exorbitante Pension, die Ihnen nach vier Jahren Amtszeit zusteht, einem Waisenhaus zur Verfügung stellen würden! Es gibt in der katholischen Glaubenslehre einen Begriff für unsere Weltverbesserer: Heuchler. Auf solche Leute können wir verzichten, gerade weil nur Taten und aktives soziales Verhalten die Welt ein wenig verbessern hilft.

    • A. Wilf 29.11.2022, 18:36 Uhr

      Herr Voigt, wenn Sie mit Herrn Sinas Einschätzungen nicht einverstanden sind, fände ich es viel besser, Sie legten Ihre Kritik hier detailliert dar statt seine Meinung pauschal als "realitätsfern" abzutun. Ich kann seinen Ausführungen weitgehend zustimmen, nur was Frau Faeser angeht finde ich es richtig, dass sie sich mit der Armbinde neben Infantino gesetzt hat. Falls noch nicht alles an ihm abprallt, müsste ihn das geärgert haben. Noch etwas, Herr Voigt: Verzichten Sie doch bitte auf den Pluralis Majestatis. Schreiben Sie "Ich brauche keine" statt "Wir brauchen keine", "erzählen mir" statt "erzählen uns" etc ... .

    • jupp 29.11.2022, 21:15 Uhr

      Kath. Gaubenlehre!? Sie sollten einmal die Bibel lesen, da werden Sie in den Evangelien den Begriff "Heuchler" finden, und gesprochen von unserem Herrn...

  • Anonym 29.11.2022, 10:35 Uhr

    Nancy will sich nicht nur mit ihrem lächerlichen Stofffetzen am Arm in der VIP-Loge der FIFA-Bosse wichtig machen, sondern generell mit ihrer chaotischen Politik, besonders aktuell im Bereich der von ihr für Biodeutsche zu finanzierenden, für sie extrem teuren gepushten Massenmigration. Dabei schert sie Migranten,Flüchtlinge,Facharbeiter alle undifferenziert über einen Kamm. Die, die D benötigt, kommen nicht und die , die es nicht braucht, drängen heftig über die grüne Grenze direkt in die Sozialversicherung, Parallelgesellschaften ab und liegen dem Steuerzahler häufigst lebenslang auf der Tasche. Das gilt besonders für die künftige Dekade, in der eine weltweit schwere Wirtschaftskrise bevorsteht, die bereits vom IWF, , der Weltbank und sogar der Ampel vorhergesagt wird, mit regelmäßig millionenfacher Massenarbeitslosigkeit und Insolvenzen en masse, so daß diese Armutsmigranten gar nicht in Arbeit gebracht, integriert werden können; die ganze Sozi-Politik ist ein Totaldesaster !

    • Anonym 29.11.2022, 15:12 Uhr

      Nancy Faesers ständig wiederholte Behauptung, "D (sei) ein Einwanderungsland",verschleiert massiv das wahre Problem der Sozi-PolitiK. Diese Behauptung gilt nur für Ausländer; für Biodeutsche ist D inzwischen ein Auswanderungsland Jährlich emigrieren mehr als 200.000 gut und teuer ausgebildete dt. Akademiker mehr, als Deutsche wieder nach D zurückkehren, meist in USA,AT, Suisse. Im Ergebnis führt das zur erheblichen Minderung der dt. Volksbildung , denn aus Schwellenländern (Drittstaaten) besonders aus Afrika, kommen fast nur schlecht ausgebildete Migranten, bis häufig hin zum puren Analphabetismus ! Die massive Erodierung der Volksbildung zeigt sich inzwischen umfassend in D , z. B. in der PISA-Evaluation, den OECD-Bildungsberichten, den Klagen des Lehrerverbandes: 24 % der Volks-Grundschüler erfüllen danach nicht einmal mehr geringste Anforderungen und 10 % aller Schüler in der Volksschule scheitern komplett ohne Abschluß, mit Zukunft am Rand in D.

    • Anonym 29.11.2022, 16:17 Uhr

      Wieso heißt das Prestigeprojekt der Sozis eigentlich Bürgergeld , wenn 50 % der Leistungsempfänger gar keinen dt. Paß besitzen und wieso braucht es Fachkräfte aus dem Ausland, wenn bereits Millionen davon, bekanntlich ganz vorrangig junge kräftige Männer im wehrdienstfähigen Alter im Land sind und genau von diesem Bürgergeld alimentiert werden. Offenbar gehts Sozis bei ihrer Ausländerpolitik darum, Menschen mit Migrationshintergrund oder neu zugereist aus dem Ausland als Wähler zu kaufen als Ersatz für die, die ihnen bereits massenhaft davon gerannt sind. Auch hier zeigt sich einmal mehr der für Biodeutsche teure überstürzt mit heißer Nadel gestrickte Murks der Sozis und ihre Panik angesichts rasant fallender Umfragewerte. Trotz Wumms und Doppelwumms kommen sie einfach nicht raus aus dem aus dem Tal der Tränen und stagnieren nur noch.

    • Anonym 29.11.2022, 21:20 Uhr

      @Anonym: Sie nutzen die Spielposition Rechtsaußen zum Anknüpfen an das politische Rechtsaußen, um Ihre rassistischen Ansichten verbreiten zu können.

  • Peter Kolbach 28.11.2022, 10:03 Uhr

    Der klassische Fußball-Fan sind Sie nicht, Herr Sina. Bei einer Fußball-WM geht es aber zuerst um Fußball, nebenbei noch um Geld und Korruption aber nicht um Ihre Themenschwerpunkte in der Selbstdarstellung. So eine Armbinde würde in Europa nicht weiter stören. Im islamischen Raum ist das eine Provokation weil da die große Mehrheit einen ganz anderen Blick auf solche Botschaften hat, auch in weniger fundamentalistisch geprägten Staaten. Bei sportlichen Großereignissen wie Fußball-WM oder Olympiade müssen die Sportler den Kopf frei haben. Das war beim ersten Spiel nicht der Fall und prompt haben sie verloren. Gestern ein Unentschieden, das läuft jetzt auf Glücksache hinaus ob man schon in der ersten Runde rausfliegt oder nicht. Mein Mitleid für die armen reichen Profifußballer ist begrenzt aber jetzt können sie machen was sie wollen, es ist immer falsch; sowohl aus dem Blickwinkel der Fußball-Fans, als auch Sicht der Nicht-Fans.