Igel-Leistungen: Patient:innenbeauftragter fordert Verbot bestimmter Angebote

Aktuelle Stunde 04.04.2024 22:55 Min. UT Verfügbar bis 04.04.2026 WDR Von Andrea Moos

Selbstzahler-Leistungen: Warum sie für Patienten nicht immer sinnvoll sind

Stand: 04.04.2024, 19:46 Uhr

Der Bundespatientenbeauftragte Stefan Schwartze (SPD) fordert ein Verbot bestimmter Leistungen für Selbstzahler - etwa des Ultraschalls der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. Warum die sogenannten "IGeL-Leistungen" umstritten sind.

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) oder "Selbstzahler-Leistungen" sind Leistungen, die in Arztpraxen selbst bezahlt werden müssen. Diese können je nach Krankenkasse variieren, aber nach einer Definition des IGeL-Monitors zählen alle Untersuchungen dazu, "die nicht zum festgeschriebenen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören, die eine Kasse also nicht zahlen muss".

Fehlende Belege für Nutzen von IGeL-Leistungen

Dass bestimmte Leistungen nicht von Krankenkassen übernommen werden, habe meistens gute Gründe, erklärt Christina Sartori aus der WDR-Wissenschaftsredaktion. IGeL-Leistungen seien immer zusätzlich zu sehen. "Wo der Nutzen größer ist als der Schaden, zahlt in der Regel die Krankenkasse", so Sartori, und Untersuchungen, für die Studien dies nicht belegen könnten, seien oft ein Fall für Selbstzahler.

Sartori verweist auf zwei Beispiele, bei denen der vom Bundespatientenbeauftragten Schwartze (SPD) geforderte "Schutz vor nicht evidenzbasierten Behandlungen" durchaus seine Berechtigung habe. So sei der Nutzen weder beim Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung noch beim PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs belegt.

Schaden und Nutzen von Untersuchungen abwägen

Im IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst Bund fällt die Bewertung des PSA-Tests und seines Potenzials, Männer davor zu bewahren, an Prostatakrebs zu sterben "tendenziell negativ aus". Beim Ultraschall der Eierstöcke fällt das Urteil mit "negativ" noch eindeutiger aus.

Da die Folgen einer auf Krebs hindeutenden Diagnose gravierend sein können - bei den Frauen ginge es immerhin um die Entfernung eines Eierstocks zur Abklärung und bei den Männern würde eine "nicht angenehme" Gewebeprobe fällig, sollte man Nutzen und Schaden solcher Untersuchungen genau abwägen, so Sartori. So komme es sogar vor, dass Frauen aufgrund einer falsch-positiven Diagnose ein gesunder Eierstock entfernt werde.

Einige schaden sogar, weil sie häufig falsch positive Befunde liefern und dadurch unnötige weitere Untersuchungen und Eingriffe nach sich ziehen. Bundespatientenbeauftragte Stefan Schwartze (SPD) zu IGeL-Leistungen

Neue Studien können aus IGeL- auch Kassenleistungen machen

"Die Untersuchungen liefern nur einen Anfangsverdacht. Da sollte man nie schnell entscheiden und sich von seinem Arzt immer genau die Vor- und Nachteile erklären lassen", so Sartori. Es handele sich bei dem Katalog der IGeL-Leistungen aber nicht um eine starre Liste. So könne es etwa auch sein, dass ein PSA-Test zur Kassenleistung werde, wenn entsprechende Studien belegen, dass seine Vorteile überwiegen.

So war etwa die Dermatoskopie-Untersuchung zur Früherkennung von Hautkrebs eine viele Jahre umstrittene Leistung und Teil des IGeL-Katalogs, wird aber seit April 2020 von den Kassen im Rahmen der normalen Hautkrebsfrüherkennung übernommen. Auch gibt es Selbstzahlerleistungen, die der IGeL-Monitor "tendenziell positiv" bewertet - wie etwa die Akupunktur zur Vorbeugung von Migräneanfällen und die Lichttherapie bei der "Winterdepression".

Sartori denkt nicht, dass ein von Schwartze ins Spiel gebrachtes Verbot bestimmter IGeL-Leistungen wahrscheinlich ist. In Deutschland herrsche "Therapiefreiheit". Der Patientenbeauftragte wolle wohl eher eine alte Diskussion über schon lange umstrittene Untersuchungen neu anstoßen.

Christina Sartori sieht dabei durchaus die Gefahr, dass einzelne Ärzte nur am lukrativen Geschäft interessiert sind: Wenn etwa jungen Frauen eine Ultraschalluntersuchung zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke angeboten werde, obwohl das mittlere Erkrankungsalter bei 68 Jahren liege, sei das unseriös.

Verband der Frauenärzte weist Kritik zurück

Schwartze sagt etwas drastischer, dass "junge Frauen ohne Not in Angst und Schrecken versetzt" werden, was der Berufsverband der Frauenärzte vehement zurückweist. Dem Verband zufolge handele sich um eine umfassende Ultraschall-Untersuchung von Gebärmutter, Eileiter, Eierstöcken und Harnblase. Diese sei etwa bei übergewichtigen Frauen über eine Tastuntersuchung hinaus vorteilhaft, sagt Frauenärztin Julia Kühl aus Düsseldorf: "Weil es Strukturen sichtbar macht, die ich mit den Händen nicht beurteilen kann".

Der IGeL-Monitor stützt indes die Skepsis Schwartzes: Es fehlt demnach an Hinweisen auf einen Nutzen dieser Ultraschalluntersuchung. Patienten und Patientinnen können sich online via IGeL-Monitor über das jeweilige Selbstzahler-Angebot ihres Arztes informieren. Letztlich müsse der Patient sich den Sinn der IGeL-Leistungen vom Arzt genau erklären lassen, so Christina Sartori.

Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Christina Sartori aus der WDR-Wissenschaftsredaktion
  • IGeL-Monitor des Medizinischen Dienst Bund
  • Gespräch mit Frauenärztin Julia Kühl
  • Nachrichtenagentur dpa

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