Konflikt im Roten Meer: Wie schützt man die Schifffahrt?

Aktuelle Stunde 20.12.2023 Verfügbar bis 20.12.2025 WDR Von Sebastian Galle

Höhere Preise und leere Regale durch Huthi-Angriffe im Roten Meer?

Stand: 20.12.2023, 19:53 Uhr

Auf der wichtigsten Schiffsroute zwischen Asien und Europa greifen Huthi-Rebellen seit Wochen Frachter an. Welche Folgen das für Verbraucher und Unternehmen in Deutschland hat.

Von Jörn SeidelJörn Seidel

Tausende Seemeilen liegt das Rote Meer von Europas größten Häfen in Rotterdam, Antwerpen und Hamburg entfernt. Aber die Angriffe der Huthi-Miliz auf Containerschiffe haben auch Auswirkungen auf Deutschland und NRW. Denn viele Schiffe werden nun umgeleitet und fahren dadurch länger. Kommt es somit erneut zu Lieferengpässen? Und steigen die Preise? Fragen und Antworten.

Drohen durch die Huthi-Angriffe in unseren Geschäften bald leere Regale?

Das Weihnachtsgeschäft sei nicht betroffen, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, dem WDR. Denn es handele sich bei der betroffenen Ware vor allem um Verbraucherprodukte aus Asien. "Für das Weihnachtsgeschäft ist diese Ware bereits in den Läden oder auf vorletzter Meile."

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland

Stefan Genth, Handelsverband Deutschland

Auch mittelfristig seien kaum sichtbare Engpässe zu erwarten, da Handelsunternehmen aus der Erfahrung früherer Engpässe ihre Lieferketten "resilienter" gestaltet hätten, so Genth.

So sieht es auch Jürgen Matthes, Leiter des Bereichs Internationale Wirtschaftspolitik am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln, wie er dem WDR sagt.

"Versorgungsprobleme dürften nicht entstehen." Jürgen Matthes, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Jürgen Matthes, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Jürgen Matthes, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Unternehmen hätten ihre Lager heutzutage "stärker als früher bestückt." "Außerdem bleiben die Waren auf den Schiffen ja nicht stecken, sondern kommen nur eine gute Woche später hier an, weil der Umweg rund um Afrika mehr Zeit kostet."

Das war bei der Havarie des Containerschiffs "Ever Given" im Jahr 2021 anders. Das Schiff blockierte den Suezkanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer, sodass sich hunderte Schiffe in beiden Fahrtrichtungen stauten.

Werden die Preise für Waren infolge der längeren Schiffsrouten steigen?

Die Umleitung der Schiffe habe "massive Folgen", sagt Nils Haupt, Sprecher des Hamburger Transport- und Logistikunternehmens Hapag Lloyd, dem WDR. Normalerweise brauche ein Containerschiff vom östlichen Mittelmeer nach Singapur durch den Suezkanal und das Rote Meer etwa 13 Tage. Durch die Umfahrung über das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas seien es 31 Tage.

"Das heißt: Knapp drei Wochen länger. Das ist schon enorm. Und das kostet natürlich auch erheblich mehr Treibstoff." Nils Haupt, Sprecher Hapag Lloyd
Eine grafisch dargestelte Weltkugel mit Blick auf Afrika, Asien und Europa; eingezeichnet ist die Strecke von Rotterdam nach Singapur über das Rote Meer (15.742 km) und der Umweg rund um Afrika (21.854 kn)

Schiffe müssen nach Huthi-Angriffen im Roten Meer einen Umweg fahren.

Hapag Lloyd will wegen der Huthi-Angriffe 25 Schiffe umleiten. Das führe allein im Dezember zu einem zweistelligen Millionenbetrag an Mehrkosten für den Treibstoff, so Haupt.

"Wir müssen sehen, ob die Großkunden, also die Industrie, die großen Speditionen die Kosten an die Endkunden weitergeben", sagt Haupt.

Stefan Genth vom Handelsverband ist da entschiedener: Mit Preissteigerungen sei "nicht zu rechnen".

Mit welchen langfristigen Folgen müssen die Menschen in Deutschland durch die Huthi-Angriffe rechnen?

Höhere Preise seien für die deutsche Wirtschaft eine schlechte Nachricht, sagt Matthes. "Denn die Konjunktur schwächelt, es droht womöglich eine Rezession. Da liegt die Hoffnung darauf, dass die Inflation sinkt und die Verbraucher wieder mehr Geld ausgeben. Höhere Preise für asiatische Waren, aber auch für Öl und Gas sind das Gift, wenn auch in nur moderater Dosis."

Was wollen die Huthis im Roten Meer?

Angriffe im Roten Meer

Huthi-Rebellen greifen aus der Luft ein Frachtschiff an (selbstgemachtes Foto der Huthi-Miliz)

Die Huthi-Miliz bekennt ihre Solidarität mit den Palästinensern. Sie fordert Nahrungsmittel-Lieferungen und medizinische Hilfsgüter für den Gazastreifen. Und sie hat angekündigt, ihre Angriffe fortzusetzen, bis Israel die militärische Offensive dort beendet.

Doch es stecke noch mehr dahinter, sagt ARD-Korrespondentin Anna Osius in Kairo und zitiert bei tagesschau.de Gerald Feierstein, Ex-US-Diplomat und heute tätig am Middle East Institute in Washington, D.C.. Demnach versuchten die Huthi, "ihr Profil zu schärfen" - als wichtiger Teil der iranischen Achse des Widerstands gegen Israel.

Zudem sei es im Jemen populär, die Palästinenser zu unterstützen, so Feierstein. "Das heißt, mit diesen Angriffen steigern die Huthi einerseits ihre Popularität im Jemen, und andererseits zeigen sie die Unterstützung iranischer Interessen in einer Linie mit Hamas und Hisbollah."

Unsere Quellen:

  • Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, auf WDR-Anfrage
  • Jürgen Matthes, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln, auf WDR-Anfrage
  • WDR-Interview mit Nils Haupt, Sprecher des Transport- und Logistikunternehmens Hapag Lloyd, in "Das Wirtschaftsmagazin" bei WDR 5.
  • tagesschau.de
  • Nachrichtenagentur dpa

Über dieses Thema berichtete am 19.12.2023 auch "Das Wirtschaftsmagazin" bei WDR 5.

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