"Goldener Windbeutel" an Alete: Darum ist Zucker für Kinder so gefährlich

Stand: 02.07.2024, 13:29 Uhr

Foodwatch hat den "Goldenen Windbeutel" 2024 verliehen. "Ohne Zuckerzusatz" steht auf dem Alete-Produkt "Obsties". Das hält die Verbraucherorganisation für eine "dreiste Werbelüge". Warum Zucker für Kinder so gefährlich ist und worauf junge Eltern achten sollten.

Von Oliver Scheel

Seit 13 Jahren verleiht Foodwatch den "Goldenen Windbeutel" gegen Etikettenschwindel. In diesem Jahr ging dieser Negativpreis an Alete für das Produkt "Obsties", ein Fruchtsnack für Kinder.

Beim "Goldenen Windbeutel" stimmen die Verbraucher selbst ab. Dieses Jahr nahmen 56.000 Menschen an der Umfrage teil, 57 Prozent davon entschieden sich in der Online-Umfrage um die "dreisteste Werbelüge" für das Alete-Produkt.

Was kritisiert Foodwatch genau?

Foodwatch kritisiert, dass Alete die Bezeichnung "ohne Zuckerzusatz" verwende, obwohl der Snack zu fast 72 Prozent aus Zucker bestehe. "Auch wenn es sich dabei ausschließlich um Zucker aus Früchten handelt, ist dieser nicht gesünder als anderer Zucker", so die Verbraucherorganisation.

Für Alete ist es bereits das dritte Mal, dass der "Goldene Windbeutel" an das Unternehmen geht: 2014 für eine hochkalorische Trinkmahlzeit für Säuglinge und 2017 für einen zuckrigen Babykeks. "Wie oft sollen wir Alete noch mit dem Negativpreis auszeichnen, damit der Konzern keine Zuckerbomben mehr an Kinder vermarktet?", fragt Rebekka Siegmann von Foodwatch.

Was sagt Alete dazu?

Der Hersteller des Alete-Produktes, der Molkereikonzern Deutsche Milchkontor (DMK), erklärte, auf der Packung werde angegeben, dass Kinder maximal eine Portion pro Tag essen sollten. Das entspreche einer Handvoll "Obsties", also etwa fünf Gramm des Snacks pro Tag. Die Angaben dafür fänden sich "transparent in der Nährwerttabelle wieder"

Aber warum ist Fruchtzucker nicht besser als Zucker?

Das Wort Fruchtzucker hört sich ja gar nicht so schlecht an, denn er stammt natürlicherweise aus Obst. Und "der Verzehr von Obst, in den üblichen Portionsgrößen, gilt im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung als unbedenklich", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn dem WDR.

Aber: "Fruchtzucker zählt zu den Einfachzuckern. Er geht besonders schnell ins Blut über." So sei die Sättigungswirkung nur von kurzer Dauer. "Häufiger auftretendes Hungergefühl führt dazu, dass große Mengen an Lebensmitteln außerhalb der Mahlzeiten verzehrt werden", so Donalies.

Was passiert eigentlich, wenn Kinder diese Zuckerbomben essen?

Astrid Donalies, Deutsche Gesellschaft für Ernährung | Bildquelle: DGE/Fotostudio Lichtblick VG Astrid Donalies

"Kurzfristig kommt es zu einem schnellen und starken Anstieg des Blutzuckerspiegels", erklärt Donalies. "Aber er fällt danach auch wieder schnell ab, es kommt zu Konzentrationsverlust und Müdigkeit und wiederum zu Hunger". Auch mittel- bis langfristige Gefahren bestehen:

Eine hohe und häufige Zuckerzufuhr fördert die Entstehung von Übergewicht und Adipositas. Dann treten mit dem Übergewicht in Verbindung stehende Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Auch Karies ist eine Gefahr beim Verzehr von zuckerhaltigen Produkten. Ernährungswissenschaftlerin Astrid Donalies, Deutsche Gesellschaft für Ernährung

Auf was sollte ich achten, wenn ich für meine Kinder einkaufe?

"Die meisten Kinder lieben Süßes", so die Ökotrophologin Donalies. Gegen maßvolles Naschen sei auch nichts einzuwenden. Sie schränkt aber ein: "Naschen sollte nicht nebenher passieren oder zur Beruhigung."

Donalies empfiehlt Lebensmittel, die reich an Mehrfachzuckern (Polysacchariden) inklusive Ballaststoffen sind: "Also besser die Vollkornstulle als diese schmelzenden Obsties."

Für den Einkauf hat Donalies folgende Tipps: "Wichtig ist, nicht hungrig einkaufen. Das gilt für Erwachsene genauso wie für Kinder, und idealerweise mit Einkaufs- und Essensplan für die Woche. Dann kann man auch planen, dass Obst oder Gemüse mit in die Brotbox kommt."

Bei verpackten Lebensmitteln sollte man auf die Nährwertangaben hinten schauen: "Da sind die Kohlenhydrate und der Anteil an Zucker ausgewiesen." Als Getränk empfiehlt die Expertin Wasser oder ungesüßte Tees.

Goldener Windbeutel" an Alete: Darum ist Zucker für Kinder so gefährlich |wdr aktuell 02:15 Min. Verfügbar bis 02.07.2026

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen AFP, epd
  • Foodwatch.org
  • Gespräch mit der Ökotrophologin Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn

Über dieses Thema berichtete der WDR am 02.07.2024 auch im Fernsehen, in WDR aktuell um 12.45 Uhr und zusätzlich im Hörfunk auf WDR2.