Nach Klima-Blockade: Kritik an Sicherheit von NRW-Flughäfen

Stand: 24.07.2024, 17:38 Uhr

Klima-Aktivisten haben am Mittwoch den Flugbetrieb in Köln/Bonn lahmgelegt. Experten kritisieren nun mangelnde Sicherheit an NRW-Flughäfen - auch vor Terrorismus.

Von Jörn Seidel

Die Terrorgefahr durch Islamisten ist laut Verfassungsschutz derzeit so groß wie lange nicht. Zugleich tobt in Europa ein russischer Angriffskrieg mit gezielten Attacken auf die ukrainische Infrastruktur. Trotzdem konnten am Mittwoch Klima-Aktivisten offenbar sehr einfach auf das Gelände des Flughafens Köln/Bonn gelangen.

Klima-Aktivisten kleben sich auf Rollfeld fest

Polizisten stehen am Mittwoch an einem Loch im Zaun des Flughafens Köln/Bonn. | Bildquelle: dpa

Nach Angaben der "Letzten Generation" durchtrennten ihre Mitglieder dafür einen Zaun. Danach klebten sie sich auf einem Rollweg fest. Eindringlinge wie sie hätten aber auch an voll betankte Flugzeuge herankommen und zahlreiche Menschen in Lebensgefahr bringen können.

"Man muss diesen letztlich harmlosen Störern schon dankbar sein, dass sie auf die massiven Sicherheitsmängel an Flughäfen aufmerksam machen. Es könnten auch Terroristen sein." Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte
Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte | Bildquelle: WDR

Wie kann es sein, dass Klima-Aktivisten rund zwei Jahre nach den ersten Vorfällen dieser Art immer noch ohne großen Aufwand auf das Gelände von Flughäfen gelangen können? Das fragt sich Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im Gespräch mit dem WDR - und ist damit nicht der Einzige. Er sei "entsetzt" darüber, wie allseits bekannte Sicherheitslücken ungeachtet blieben.

Flughafen Köln/Bonn: Sicherheit hat "oberste Priorität"

Als im November ein Mann in Hamburg mit seiner entführten Tochter auf das Gelände des Flughafens gelangen konnte, teilte der Flughafen Köln/Bonn auf WDR-Anfrage mit: Das Thema Sicherheit habe bei dem Airport "oberste Priorität". Man "überprüft und optimiert" fortlaufend Schutzmechanismen und Sicherheitsvorkehrungen. Für die Mitglieder der "Letzten Generation" am Mittwoch war das offenbar nicht genug. 

Auf WDR-Anfrage versicherte ein Flughafensprecher am Mittwoch dennoch: Das Sicherheitskonzept des Flughafens sei "sehr umfangreich und dynamisch". Der 19 Kilometer lange Zaun werde "engmaschig" durch Streifen der Bundespolizei und der Flughafensicherheit überwacht. Einzelheiten zum Sicherheitskonzept könne er aus Sicherheitsgründen nicht nennen.

"Meldekette hat funktioniert"

Den Vorwurf eines Rückschlags im Sicherheitssystem wies der Sprecher entschieden zurück. Im Gegenteil: Aus Sicht des Flughafens habe der Vorfall gezeigt, dass das Sicherheitskonzept funktioniere. Die Meldekette zu den Sicherheitsbehörden habe funktioniert, "die Personen konnten schnell lokalisiert werden".

Zeit genug, sich festzukleben: Aktivist der "Letzten Generation" | Bildquelle: Letzte Generation

Dennoch verstrich offenbar genügend Zeit, dass die Aktivisten einschließlich ihrer Fahrräder den Zaun überwinden, bis zum Rollweg gelangen, dort ihre Materialien auspacken und sich festkleben konnten.

Gewerkschaft der Polizei: "Das ist kritische Infrastruktur"

Flughäfen seien "kritische Infrastruktur", sagt Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Abteilung Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, dem WDR. Sie müssten zwingend ausreichend gesichert sein. "Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Da ist Handeln angesagt."

Das Problem: An vielen Stellen sei das Gelände des Flughafens Köln/Bonn - und auch das anderer Flughäfen in NRW und Deutschland - lediglich mit einem Maschendrahtzaun gesichert, sagt Großbongardt. Das sei wie ein erhöhter Gartenzaun.

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Mit Stacheldrähten darüber wolle man verhindern, dass man hinüberklettert. "Aber was bringt das schon, wenn man mit einem Bolzenschneider aus dem Baumarkt den Zaun durchschneiden kann?", bemerkt der frühere Boeing- und Cessna-Sprecher und heutige Berater von Luftfahrt-Unternehmen.

"Tatsächlich berichten Kollegen, dass die Überwachung an Flughäfen nicht auf Stand der Zeit ist." Andreas Roßkopf, GdP-Bundespolizei
Andreas Roßkopf, Gewerkschaft der Polizei | Bildquelle: Gewerkschaft der Polizei

Bundespolizist Roßkopf fordert eine lückenlose Kameraüberwachung, Bewegungssensoren und Flughafen-Personal, das regelmäßig Streife läuft. Auch künstliche Intelligenz solle man sich zunutze machen.

Ein naheliegendes Vorbild seien Industrieanlagen, sagt Großbonghardt. Da gebe es oft hohe Stahlzäune, überall Kameras und Sicherheitspersonal, das schnell eingreifen könne. Es stimme zwar, dass man nicht alles restlos absichern könne. Aber man könne es Eindringlingen schwerer machen.

Härtere Strafen durch geplante Gesetzesänderung

Roßkopf und Großbongardt hoffen auf die geplanten Änderung des Luftsicherheitsgesetzes. Vergangene Woche hat das Bundeskabinett sie beschlossen. Nun gehen sie in den Bundestag.

Die Änderungen zielen unter anderem auf härtere Strafen ab. Das Eindringen auf Flughafen-Gelände könnte dann mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden.

Es gehe aber auch um einheitlichere Sicherheitsstandards, sagt Roßkopf, der die Gesetzesinitiative begrüßt. Wahrscheinlich werde das vor allem für kleinere Flughäfen eine große finanzielle Herausforderung, sagt er. Aber es sei nötig, gerade in Zeiten wie diesen.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am 24.07.2024 auch in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.