Neue Energieeinsparverordnung startet mit Empörung - bei Sportverbänden

Stand: 01.09.2022, 17:39 Uhr

Seit dem 1. September gilt die neue Energieeinsparverordnung, mit der wegen der Gaskrise ab sofort Energie eingespart werden soll. Ladenbesitzer reagierten bislang stoisch, Sportverbände dagegen sind hell empört.

Seit Donnerstag dürfen Ladentüren nicht mehr dauerhaft offen stehen, Leuchtreklamen müssen ab 22 Uhr erlöschen und Denkmäler sollen nicht mehr angestrahlt werden. Außerdem soll mit Beginn der Heizperiode auch in öffentlichen Gebäuden gespart werden. Es handle sich um eine "Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern", schreibt die Bundesregierung in der Verordnung.

Weniger Licht und weniger Heizen

Noch ist wohl kaum eine Heizung in Betrieb. Aber wenn die Temperaturen fallen und die Heizperiode beginnt, soll in öffentlichen Gebäuden nicht höher als auf 19 Grad Raumtemperatur geheizt werden - statt, wie bisher im Winter auf 20 Grad Celsius. Durchgangsbereiche wie Flure, Foyers oder Technikräume bleiben kalt.

Außerdem gibt es weitere Staffelungen: An Arbeitsplätzen, wo leichte Tätigkeiten "überwiegend im Stehen oder Gehen" verrichten werden, gilt eine Obergrenze von 18 Grad, für mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen 16 Grad und für körperlich schwere Tätigkeiten 12 Grad Maximalwärme. Wasser an Handwaschbecken soll nicht mehr über Boiler oder Durchlauferhitzer erhitzt werden. Ausgenommen von diesen Regeln sind medizinische Einrichtungen, Kitas und Schulen.

Für privatwirtschaftliche Büros oder Arbeitsorte gilt keine solche Pflicht. Arbeitgeber bekommen aber das Recht, weniger zu heizen - entsprechend den Regeln für den öffentlichen Bereich.

Ladentüren bleiben zu - oder auch nicht

Ladenbesitzer sind seit Donnerstag verpflichtet, ihre Eingangstüren geschlossen zu halten. Schaufenster dürfen aber weiter beleuchtet werden. An Tag eins der Verordnung schienen aber viele Einzelhändler offenbar nicht willens, der Regel zu folgen:

Damit bei geschlossenen Ladentüren nicht weniger Kunden ins Geschäft kommen, hatte der Handelsverband Deutschland (HDE) schon vor einer Woche Plakate mit der Aufschrift "Türen zu, Geschäft offen" entwickelt, die Händler in ihre Fenster hängen können.

Kölns "Henkelmännchen" ohne Henkel

Kölner Dom im Dunkeln | Bildquelle: picture alliance/dpa/Marius Becker

Viel Energie eingespart werden kann bei der öffentlichen Außenbeleuchtung: Licht an öffentlichen Gebäuden und Denkmälern "aus rein ästhetischen Gründen" soll ab sofort aus bleiben - außer bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten. Der Kölner Dom wird schon seit Mitte August ab 23 Uhr abends nicht mehr beleuchtet. Auf die Empörung einiger Kölner hatte der Dombaumeister auf typisch Kölsche Art reagiert: "Auch wenn nachts am Dom das Licht ausgeht, passt er gut auf die Kölnerinnen und Kölner auf.“ Der berühmte Aachener Dom dagegen wird ohnehin seit mehr als 20 Jahren nur bis 23 Uhr angestrahlt.

Auch an der Kölner Lanxess-Arena bleibt ab sofort der charakteristische Bogen über der Halle dunkel - obwohl genau am Donnerstag hier die Basketball-EM startet. Auch die Außenwerbeflächen werden, wie vorgegeben, um 22.00 Uhr ausgeschaltet, erklärte das Management der Halle. Die Beleuchtung der Außenfassade wolle man allerdings immer bis Veranstaltungsende anlassen - "aus Gründen der Verkehrssicherheit für alle Besucher". Das gelte auch für die digitalen Flächen in der Halle, die "der Besucherführung dienen und im Notfall essentielle Informationsmedien darstellen".

Sportverbände empört: Keine Reklame "geht gar nicht"

Für helle Aufregung sorgt diese Licht-aus-Regel auch für Reklametafeln bei den Sportverbänden. In der Verordnung heißt es: "Der Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen ist von 22.00 Uhr bis 16.00 Uhr des Folgetages untersagt." Die Handball-Bundesliga protestierte am Donnerstag lautstark dagegen. Man fürchte "schwerwiegende Konsequenzen": Eingeschränkte Werbemöglichkeiten könnten zu finanziellen Einbußen führen, auch bei anderen Sportarten.

Die Handball-Bundesliga finanziere sich zu zwei Dritteln über Sponsoren, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Deren Reklame auszuschalten sei "eine Geschichte aus dem Tollhaus", empörte er sich, das gehe "natürlich gar nicht". Noch hoffen die Verbände, dass es sich bei der Formulierung "16.00 Uhr" um einen "redaktionellen Fehler" in der Verordnung handele.

Am Nachmittag meldete die "Initiative Profisport Deutschland" dann, dass LED-Banden in Hallen oder Stadien "nicht von der Nutzungseinschränkung für beleuchtete Werbeanlagen erfasst" seien. In den Bauordnungen der Länder seien mit dem Begriff "Werbeanlagen" Außenwerbung definiert. LED-Banden in Hallen und Stadien fallen nach Ansicht der Initiative Profisport nicht darunter. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte unterdessen mit, man stehe mit dem für Sport zuständigen Innenministerium in Kontakt und führe derzeit Gespräche.

Einschränkungen im privaten Bereich

Auch im privaten Bereich sollen die Bürgerinnen und Bürger dazu angehalten werden, Energie zu sparen. Vermieter und Mieter sind für sechs Monate nicht mehr an Vertragsklauseln in Mietverträgen gebunden, die eine Mindesttemperatur in den Wohnungen vorschreiben. So sollen die, die Energie einsparen und die Heizung herunterdrehen wollen, dies auch tun dürfen, erläuterte das Wirtschaftsministerium.

Private Pools dürfen nun nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden. Ausnahme: Das Schwimmbad wird für therapeutische Anwendungen genutzt. Pools in Hotels, Freizeiteinrichtungen oder Rehazentren sind nicht betroffen.

Jährliche Heizungsprüfung

Zu den neuen Vorschriften gehört auch, dass Wohnungseigentümer jedes Jahr eine Heizungsprüfung durchführen müssen und ineffiziente Heizungspumpen in Gebäuden mit Erdgasheizungen ausgetauscht werden sollen. Die zweite Verordnung soll am 1. Oktober in Kraft treten und zwei Jahre lang gültig sein, bedarf aber noch einer Zustimmung des Bundesrats.

"Wir haben noch einen langen Weg vor uns." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) könnten mit den Maßnahmen zwei bis zweieinhalb Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland eingespart werden. Das sei "nicht so viel, als dass wir uns zurücklehnen können" - das Einsparziel der Bundesregierung im Winter laute 20 Prozent. Man stehe vor einer "nationalen Kraftanstrengung". "Jeder Beitrag zählt", so Habeck.