Nach seiner Festnahme am Dienstag war zunächst unklar, wie die Behörden weiter mit Tarik S. umgehen würden. Am Mittwoch wurde der 29-Jährige dann in Untersuchungshaft genommen. Es bestehe der Verdacht der Verabredung zu Mord und Totschlag, teilte die zuständige Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit. Gegenüber einem Chatpartner in Syrien habe sich der Mann "konkret zur Begehung eines islamistisch motivierten Anschlages bereit erklärt". Ein mögliches Anschlagsziel soll eine pro-israelische Demonstration gewesen sein.
"Nach allem, was wir wissen, handelt es sich um einen Einzeltäter", hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch gesagt. Der Hinweis auf den Verdächtigen sei von einem ausländischen Geheimdienst gekommen. Rund 50 Polizisten hatten daraufhin "nach weiteren Ermittlungen" am Dienstag die Wohnung des 29-Jährigen im Duisburger Dellviertel gestürmt und ihn vorläufig festgenommen.
Mit 20 beim "IS" radikalisiert
Dabei ist Tarik S. für die Behörden in Deutschland längst kein Unbekannter mehr. Der vorbestrafte Islamist aus Duisburg wurde in Bielefeld geboren und ist deutscher Staatsbürger. Nach WDR-Informationen hat er sich als Jugendlicher im Raum Herford in der Dschihadistenszene radikalisiert. 2013 reiste der damals 20-Jährige mit weiteren Männern nach Syrien und schloss sich dort der islamistischen Terrororganisation IS an.
Sein Kampfname lautete damals "Osama al Almani" ("Osama, der Deutsche"). Nach einem Aufenthalt in einem Ausbildungslager übernahm er nach Angaben des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter anderem Wach- und Kontrolldienste an verschiedenen Orten und arbeitete zeitweise für die Polizei des IS.
Jugendstrafe wegen IS-Mitgliedschaft
Tarik S. galt damals als "Star" der salafistischen Szene. Er trat in zahlreichen IS-Propagandavideos aus Syrien auf. Er nahm auch schon vor seiner Ausreise an salafistischen Veranstaltungen teil und gab dort Interviews. Bevor Tarik S. Deutschland verließ, soll er in einer Kita gearbeitet haben.
"Der IS hatte eine regelrechte Sogwirkung, besonders auf junge Islamisten. Dieser Mann war einer davon. Er ist in einem frühen Stadium zum IS gekommen, ist lange da geblieben und hier konsequenterweise verurteilt worden", sagt ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg.
Denn: Als Tarik S. 2016 aus Syrien zurückkehrte, wurde er am Flughafen Frankfurt am Main verhaftet und ein Jahr danach vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt - unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Nach der Haft noch Fußfessel
Nach seiner Haftentlassung 2021 zog er nach Duisburg. Die Behörden blieben offenbar an ihm dran: Eine Weile habe er noch eine Fußfessel tragen müssen, will die Deutsche Presseagentur "aus Sicherheitskreisen" erfahren haben. Der Versuch, in die Niederlande zu reisen, sei an der Grenze gescheitert, heißt es in der Meldung weiter.
Tarik S. habe dann ein Aussteigerprogramm für Islamisten absolviert und soll sich wohl auch "geläutert" gezeigt haben. Wie die "Rheinische Post" berichtet, soll der Mann, der angeblich Frau und Kind in Syrien habe - in Duisburg ein unauffälliges Leben gelebt haben. Bis Juni dieses Jahres sei er in einem Fitnessstudio angestellt gewesen. Dennoch sei er von den Behörden weiter als islamistischer Gefährder eingestuft worden, so Terrorismusexperte Götschenberg.
Anschlag mit Lkw geplant?
Vor der Durchsuchung in Duisburg gab es offenbar den Tipp eines ausländischen Geheimdienstes, dass Tarik S. nach pro-israelischen Demonstrationen in NRW gesucht habe. Aus Sicherheitskreisen erfuhr der WDR, dass Tarik S. wohl "Zugang" zu einem Lkw gehabt haben soll. Im Dezember 2016 war der islamistische Attentäter Anis Amri mit einem Lkw in Berlin in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gefahren und hatte zwölf Menschen getötet. Sicherheitsbehörden zufolge gibt es Hinweise, nach denen auch Tarik S. mit einem Lastwagen in eine "israelische Veranstaltung" fahren wollte.
Reul: Hinweise auf Anschlag
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: "Es gab Hinweise, dass dieser Mann einen Anschlag plant." Bei einer ersten Auswertung der bei ihm beschlagnahmten Datenträger seien weitere Anhaltspunkte entdeckt worden.
Rechtsanwalt Mutlu Günal sagte der Deutschen Presse-Agentur, er habe mit seinem Mandanten telefoniert: "Er möchte sich derzeit auf mein Anraten schweigend verteidigen und steht für eine Vernehmung nicht zur Verfügung." Günal verwies auf das Aussteigerprogramm, an dem sein Mandant teilgenommen hatte. Der Erfolg sei ihm damals ausdrücklich bescheinigt worden.
Auch Attacke auf Polizeistation geplant?
Wie am Donnerstag bekannt wurde, soll der Verdächtige bereits Wochen vor seiner Festnahme in den Fokus der Behörden geraten sein. "Wir hatten vage Hinweise, dass er die Absicht hat, einen Anschlag auf eine Polizeiwache zu begehen", zitiert die Deutsche Presse Agentur einen Vertreter der Sicherheitskreise. Für eine Festnahme hätten die Beweise nicht gereicht, es habe aber eine "Gefährderansprache" gegeben. Weil der 29-Jährige nach seinem Jobverlust im Juni "in alte Muster" verfallen sei, habe er sehr engmaschig unter Beobachtung gestanden.
Mehr als 180 islamistische Gefährder in NRW
Wie akut die Bedrohungslage war, ist also noch schwer einzuschätzen. Nach NRW-Polizeigesetz darf ein potenzieller Gefährder 14 Tage lang in Gewahrsam genommen werden, wenn von ihm Gefahr ausgeht. Ein Richter muss dem aber zustimmen.
Aktuell gibt es in NRW nach WDR-Informationen 186 islamistische Gefährder. Eine höhere zweistellige Zahl bezeichnen die Sicherheitsbehörden als "aktionsfähig".
Sicherheitskreise: Es "brodelt" an manchen Orten
Die Behörden halten die Sicherheitslage in NRW bislang für noch nicht besonders herausfordernd. Die Moscheevorsitzenden und Imame hätten dazu beigetragen, dass es in NRW - anders als in Berlin - bislang recht ruhig sei. Aber trotzdem "brodele" es an der Basis an manchen Orten.
In NRW habe es seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel bisher 204 antisemitische Straftaten gegeben. Das meiste davon seien Sachbeschädigungen, Volksverhetzung und Schmierereien an Häusern gewesen. Schwere Körperverletzungen habe es bislang noch nicht gegeben.
Unsere Quellen:
- Eigene Recherchen
- Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf
- Nachrichtenagentur dpa