Im Alexandra Palace - kurz: "Ally Pally" - in London startet am Freitag die Darts-WM. Als erster Deutscher spielt am Sonntagabend der "Kölsche Jung" Florian Hempel. Insgesamt sind bei der Weltmeisterschaft fünf deutsche Spieler am Start - so viele wie noch nie. Neben Hempel sind das Martin Schindler, Ricardo Pietreczko, Dragutin Horvat und Gabriel Clemens.
Clemens zog bei der vergangenen WM überraschenderweise ins Halbfinale ein, was eine Art Darts-Fieber in Deutschland auslöste. Ein Viertel der rund 90.000 Tickets für die WM sind diesmal an Deutsche verkauft worden. Der oft belächelte "Kneipensport" entwickelt sich bei uns gerade zum absoluten Publikumsliebling.
Was macht den Dartsport aus?
Fast jeder Mensch kennt das Spiel. Entweder hat man selbst eine Scheibe im Keller hängen oder hat schon in der Kneipe zugeschaut, wie andere versuchen, mit gezielten Pfeilwürfen die schmalen Felder zu treffen. Die Regeln sind recht simpel: Man versucht, mit möglichst wenigen Versuchen eine bestimme Punktzahl zu erreichen. Selbst ohne Talent und Übung trifft man, mit etwas Glück, auch mal die Mitte ("Bullseye") oder erreicht sogar mit einem Wurf die höchste Punktzahl ("Triple 20").
Thomas Kientopf ist Darts-Abteilungsleiter beim SV Mauritz in Münster: Er spielt schon seit über 20 Jahren jeden Tag.
Elmar Paulke ist Sportwissenschaftler, hat Bücher über Darts geschrieben - und kommentiert für das deutsche TV-Publikum seit Jahren die WM. Er sagt, die Stärke des Darts sei, dass man Profis habe, die authentisch und nachvollziehbar seien.
Wenn der Fan dann denke: Hey, das da oben könnte ja vielleicht auch ich sein, dann hätte man eine sehr hohe Identifikation. Das sei ein großes Plus des Sports.
Was unterscheidet einen Hobby-Spieler von einem Profi?
Sich an die Scheibe zu stellen und ein paar Darts zu werfen, kann jeder. Aber Darts ist auch ein Spiel der Fehler. Selbst der Profi wirft mehr Darts am Ziel vorbei, als dass er das Ziel tatsächlich trifft.
Im Darts erzielt man mit etwas Übung rasch Erfolge. Wie schnell es im Dartsport nach oben gehen kann, zeigt Sven Hilling aus Gelsenkirchen. Erst mit Mitte 40 entdeckte er vor ein paar Jahren die fliegenden Pfeile für sich. Heute ist er Deutscher Seniorenmeister und war auch schon bei einem Profi-Turnier dabei. Dabei wollte er eigentlich nur mit dem Rauchen aufhören und suchte eine Beschäftigung:
Jeden Tag trainiert Hilling zwei Stunden an der Scheibe, trotzdem wurde er dann plötzlich nicht mehr besser. "Da hat der Kopf dann zu sehr mitgespielt – das hat es nur schlimmer gemacht." Auch wenn es bei Hilling inzwischen wieder besser klappt beim Darts - das Beispiel zeigt, wie sehr es bei dem Sport auf mentale Stärke ankommt.
Gibt es auch Frauen bei der WM?
Ja, aber "nur" zwei - und die dürften, wie in den Jahren zuvor, nicht weit kommen, sagen die Experten. Fallon Sherrock ("Queen of the Palace") aus England und die Japanerin Mikuru Suzuki gelten als krasse Außenseiterinnen. Sharrock schrieb 2020 bei der WM Darts-Geschichte, als sie als bislang einzige Frau ein Match bei der PDC-Darts-WM gewinnen konnte und erst in der dritten Runde ausschied. 2022 und 2023 scheiterte sie jeweils in der ersten Runde.
Beau Greaves ist die wohl beste Darterin der Welt. Auf die WM in London verzichtet sie aber - freiwillig, weil sie einen Start bei der Frauen-WM des Konkurrenz-Verbandes WDF bevorzugt. Warum so wenige Frauen im "Ally Pally" dabei sind? Sportwissenschaftler Elmar Paulke hat eine Erklärung:
Inzwischen würden Frauen aber immer mehr mitmischen, würden immer besser und schafften es auch immer häufiger, sich in diesem Sport durchzusetzen.
Was ist dran am Ruf des "Kneipensports"?
Der Ruf ist weiter da - schließlich wird Darts meist in geselliger Runde hauptsächlich in Bars gespielt. Thomas Kientop vom SV Mauritz in Münster stört das nicht. Das sei einfach ein Teil des Sports. Die Tendenz sei aber klar erkennbar und gehe dahin, dass Darts mehr aus den Kneipen verschwinde und in die Vereinsheime übersiedele.
Auch bei Trainingsabenden fließe das ein oder andere alkoholische Kaltgetränk und die Stimmung sei locker. Aber niemand werfe einfach nur ein paar Pfeile:
Dennoch ist das Thema Alkohol und Darts auch bei dieser WM präsent. Nicht nur bei den Fans, die den Ally Pally traditionell in einen "Hexenkessel" verwandeln - sondern auch bei den Profis.
Alkohol als Leistungssteigerung?
Der sorglose Umgang mit Alkohol setzt sich offenbar auch unter den Profis im Dartsport fort. Und das nicht nur zum Vergnügen: Das schreibt die Sportschau in einem Bericht auf ihrer Webseite zur Darts-WM. Demnach hatte bereits 2016 der niederländische Ex-Profi Co Stompé für ein Verbot von Alkohol im Dartsport plädiert, weil es nichts anderes sei als Doping. Dartspieler könnten mit Alkohol ihre Anspannung unterdrücken, sagte Stompé. Er wisse aus eigener Erfahrung, dass Bier vor dem Spiel durchaus die Leistung steigere.
Der Deutsche Dart-Verband (DDV) zieht jetzt Konsequenzen. Ab der kommenden Saison werde es Alkoholkontrollen geben, erklärte der Verband auf Anfrage der ARD-Dopingredaktion.
Zwar handelt der DDV damit nach eigener Auffassung vor allem "vor dem Hintergrund des Jugendschutzes". Doch Alkohol könne es den Spielern durchaus erleichtern, mit der Drucksituation eines Turniers umzugehen, "daher sieht der DDV an dieser Stelle durchaus ein gewisses leistungssteigerndes Potenzial."