Merz plant Einreiseverbot: Reul für Lösungen, die auch mal nicht gehen

Stand: 24.01.2025, 20:27 Uhr

Für den Fall, dass Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt wird, will der CDU-Chef ein sofortiges Einreiseverbot umsetzen. Sein Parteikollege und NRW-Innenminister Herbert Reul zweifelt jedoch an der Machbarkeit dieser Pläne.

Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg, bei dem am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein 41 Jahre alter Mann getötet sowie drei weitere Menschen schwer verletzt wurden, diskutiert die Politik, wie solche Taten in Zukunft verhindert werden können. Als Tatverdächtigen nahm die bayerische Polizei einen Afghanen fest. Der 28-Jährige war laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ausreisepflichtig.

Der CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, kündigte daraufhin an, er werde - sofern er zum Kanzler gewählt wird - "am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen".

Es werde ein "faktisches Einreiseverbot" für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente geben, so Merz. Dies gelte auch "ausdrücklich für Menschen mit Schutzanspruch".

Zustimmung der AfD für Merz

Für diesen Vorschlag bekam Merz vor allem von der AfD Zustimmung. Partei-Chefin Alice Weidel schrieb Merz einen offenen Brief, den sie auf dem Kurznachrichtendienst X veröffentlichte. Darin begrüßte sie, dass Merz sich die "Lösungsvorschläge" der AfD "zu eigen gemacht" habe und bot ihm an, diese Pläne mit den Stimmen ihrer Partei bereits in der kommenden Woche im Bundestag umzusetzen.

Interview mit NRW-Innenminister Reul WDR Studios NRW 24.01.2025 08:20 Min. Verfügbar bis 24.01.2027 WDR Online

NRW-Innenminister Reul: Fast nichts klappt hundertprozentig

Der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat zwar für Merz' Vorstoß Verständnis, hält die Pläne jedoch nicht für so einfach umsetzbar. "Manchmal muss man Lösungen anbieten, auch wenn man weiß: hundertprozentig geht's nicht", sagte Reul im Gespräch mit dem WDR. "Es gibt übrigens fast nichts, was hundertprozentig klappt." Auch bei den bundesweiten Grenzkontrollen in den vergangenen Monaten sei es nicht möglich gewesen, alles lückenlos zu kontrollieren.

Merz: Menschen in Deutschland müssen sich wieder sicher fühlen

Merz hat sich in Postings auf der Online-Plattform X erneut zu seinem Vorstoß geäußert. "Was soll denn noch passieren?", fragte er mit Blick auf die Tötung des Kindes und des Mannes bei der Messerattacke in Aschaffenburg. Man bringe nun die nötigen Anträge in den Bundestag ein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass SPD, Grüne und FDP gegen mehr Sicherheit für die Menschen in unserem Land stimmen", so Merz.

„Die Menschen in Deutschland müssen sich wieder sicher fühlen. Und dafür werde ich kämpfen, mit aller Entschlossenheit und aller Entschiedenheit. Darauf können Sie sich verlassen.“ Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union

Migrationsforscher: "Massiver Verstoß gegen EU-Recht"

Nach Einschätzung des österreichischen Migrationsforschers Gerald Knaus verstoßen die Pläne des CDU-Kanzlerkandidaten aber massiv gegen sowohl geltendes EU-Recht, als auch gegen Schengen- und Dublin-Abkommen und sind faktisch nicht umsetzbar: Dazu müsse er zwingend eine nationalen Notlage erklären, sagt Knaus. "Eine solche Entscheidung würde sicher vor dem europäischen Gerichtshof landen und dieser würde die Notlage auch sicher ablehnen."

Knaus erinnert daran, dass der autokratisch regierende ungarische Staatschef Viktor Orban derzeit täglich eine Million Euro Strafe an die EU zahle - eben weil er Menschen die Einreise an der ungarischen Grenze verweigert und damit gegen EU-Recht verstößt.

Europäische Union in Gefahr

"Für eine Rechtsstaats-Partei wie die CDU ist das eine brandgefährliche Strategie", wundert sich Knaus. Würden nach Ungarn auch Deutschland und weitere Staaten beschließen, sich mit Berufung auf nationale Notlagen nicht an EU-Recht zu halten, "fiele die Europäische Union schneller in sich zusammen als ein Kartenhaus".

"Nicht umsetzbar": Migrationsforscher Gerald Knaus | Bildquelle: Christian T

Und er sagt: Wenn das möglich wäre, was Merz jetzt an den deutschen Grenzen fordert, hätten das andere Staaten - wie Österreich unter der Regierung von Sebastian Kurz - schon lange gemacht. Ohnehin ließe sich physische Kontrolle ohne Zäune nur in Kooperation mit den Nachbarländern umsetzen, aus denen potentielle Asylanwärter einreisen. "Ob in Österreich irgendeine Regierung bereit wäre alle Asylsuchenden zurückzunehmen, vor allem eine von Herbert Kickls rechtsextremer FPÖ geführte, bezweifele ich", so Knaus.

Dass mit dem Merz-Vorstoß jetzt ein alter Vorschlag der AfD im Zentrum der deutschen Debatte steht, sei ein Erfolg für die Partei, bilanziert Knaus. Umsetzbar wäre er wohl nur in einer Koalition mit der AfD, weil nur diese bereit wäre, "das EU-Recht und Schengen zu opfern".

Gewerkschaft der Polizei: Merz' Pläne "nicht umsetzbar"

Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei | Bildquelle: Gewerkschaft der Polizei

Das Merz' Plan schon rein organisatorisch nicht umsetzbar wäre, bestätigt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Wir haben eine Länge von 3.800 Kilometern Binnengrenzen. Wir sind mit der Art und Weise der Grenzkontrollen, die wir jetzt schon betreiben, am Rande des Machbaren", sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, am Freitag dem MDR. Für die Pläne von Merz seien "nicht nur hunderte, sondern tausende Kollegen mehr" nötig.

Ganz abgesehen davon seien die angekündigten Maßnahmen des CDU-Chefs "weder zielführend noch rechtlich umsetzbar", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz. Die Forderungen der Union seien nicht neu, daher sei die CDU schon früher vielfach hingewiesen worden, dass sie "weder verfassungs- noch europarechtskonform" seien, so der Innenexperte der Grünen.

Reul: Wer Abschiebungen will, muss Voraussetzungen dafür schaffen

Das ist offenbar auch NRW-Innenminister Herbert Reul bewusst. Im Gespräch mit dem WDR betonte er, dass in der Vergangenheit viel zu oft darüber geredet wurde, was alles nicht geht. "Wir müssen aber darüber reden, was geht und wie weit wir gehen können", so Reul.

Man komme um das Thema nicht mehr drumherum: "Da muss die Politik und am Ende die Gesellschaft mal entscheiden, wie weit wir gehen dürfen", forderte der Innenminister. Wenn man mehr Abschiebungen wolle, müsse man auch die Voraussetzungen dafür schaffen.

Unsere Quellen:

  • Interview mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im WDR2 Morgenmagazin am 24.01.2025
  • WDR-Interview mit dem Migrationsforscher Gerald Knaus
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP