Durfte Pechstein in Polizeiuniform reden?

Stand: 19.06.2023, 17:55 Uhr

Der Wirbel um die Rede beim CDU-Konvent der Eissschnellläuferin Claudia Pechstein ist groß: Durfte sie in ihrer Polizeiuniform auftreten? Die zuständigen Gesetze sind da nicht ganz eindeutig.

Von Nina Magoley

Claudia Pechstein ist Eisschnellläuferin. Und sie ist Polizistin, arbeitet bei der Bundespolizei. Am Wochenende sprach sie beim CDU-Grundsatzkonvent in Berlin. Soweit alles in Ordnung. Doch die 51-Jährige trug dabei ihre Uniform. Bei Politikern und auch Kollegen löste das Bild einer uniformierten Polizistin bei einer Parteiveranstaltung Verwunderung bis Empörung aus.

So übte am Montag die Gewerkschaft der Polizei (GdP) grundsätzliche Kritik. "Ein Auftritt in Uniform bei politischen Veranstaltungen ist nicht in Ordnung, weil wir als Polizistinnen und Polizisten der Neutralitätspflicht unterliegen", sagte der Vorsitzende des Bezirks Bundespolizei, Andreas Roßkop, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Solche Auftritte seien deshalb grundsätzlich untersagt. "Durch ihren Auftritt in Uniform hat Claudia Pechstein die Bundespolizei nach außen präsentiert. Deshalb kann in dem Zusammenhang der Eindruck entstehen, bei ihren Äußerungen handele es sich um Aussagen der Bundespolizei."

Der SPD-Innenpolitiker und frühere Kriminalbeamte Sebastian Fiedler twitterte:

Und die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic, selbst Polizeibeamtin, sagte: "Ich wäre zu meiner aktiven Zeit nie auf die Idee gekommen, mich in Uniform auf einen Grünen-Parteitag zu stellen." Zudem äußerte sie die Vermutung, dass Pechstein mit dem Tragen der Uniform bewusst "sozusagen die CDU mit der Polizei verknüpfen" wollte.

CDU-Chef Friedrich Merz, der Pechsteins Auftritt im Publikum verfolgt hatte, sagte hingegen im ZDF: "Der Auftritt war brillant." Das Äußere interessiere ihn nicht.

"Dienstrechtliche Prüfung" des Falls

Die Bundespolizei teilte am Wochenende mit, sie habe eine "dienstrechtliche Prüfung" eingeleitet. Nähere Angaben dazu wollte ein Sprecher unter Hinweis auf das laufende Verfahren nicht machen, auch nicht zur möglichen Dauer der Prüfung.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Montag, man rechne mit einer baldigen Klärung. Grundsätzlich gebe es nach dem Beamtenrecht eine Pflicht zur Neutralität und zur Mäßigung, wenn man sich in der Funktion als Beamter oder Beamtin politisch äußere oder betätige. Als Bürger oder Bürgerin könnten es Beamte aber tun.

Verstieß Pechstein mit ihrem politischen Auftritt in Polizeiuniform tatsächlich gegen geltendes Dienstrecht?

"Missbrauch" von Dienstkleidung verboten

In der "Verwaltungsvorschrift über die Dienstkleidung der Polizeivollzugsbeamten in der Bundespolizei" ist zwar geregelt, wann und wie Bundespolizisten in ziviler Kleidung im Einsatz sein dürfen. Ob sie, umgekehrt, außerhalb ihrer Arbeitseinsätze in Uniform auftreten dürfen, ist darin allerdings nicht klar beschrieben. Unter Punkt 1 steht dort lediglich, dass jeder Polizeivollzugsbeamte dafür Sorge zu tragen habe, "dass ein Missbrauch der sich in seinem Besitz befindlichen Dienstkleidungs- und persönlichen Ausrüstungsartikel" ausgeschlossen sei.

Das Bundesbeamtengesetz wird da schon konkreter, ist aber auch nicht eindeutig. Unter Paragraf 60 heißt es dort: "Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben." Beamtinnen und Beamte dienten dem ganzen Volk, "nicht einer Partei". Sie hätten ihre Aufgaben "unparteiisch und gerecht zu erfüllen".

Eindeutiger ist die Lage für Mitglieder der Bundeswehr: Laut "Uniformtrageerlaubnis" dürfen Bundeswehrangehörige ihre Uniform zwar bei "festlichen Familienereignissen" wie Hochzeiten oder Taufen tragen, nicht aber bei politischen Veranstaltungen.

Neutralität: CDU-Rede in Polizei-Uniform I Knast wegen Schwarzfahren I Special Olympics I Westen spricht mit China I 0630 0630 - der News-Podcast 19.06.2023 20:58 Min. Verfügbar bis 19.06.2028 WDR Online

Download

Gerichtsurteil in Hessen: Uniform nur im Dienst

Im Jahr 2012 hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mal gegen einen Ersten Polizeihauptkommissar entschieden. Der Mann war stellvertretender Personalratsvorsitzender beim Polizeipräsidium Nordhessen und gleichzeitig Vorsitzender der Nordhessischen Polizeigewerkschaft. In dieser Funktion war er für ein Interview vor die Presse getreten - in Uniform.

Es ging um die möglichen Schließungen von Polizeirevieren aufgrund von Personalmangel bei der hessischen Polizei. Das Polizeipräsidium Nordhessen leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Das Gericht gab der Behörde Recht: Es sei richtig, dass das Tragen einer Polizeiuniform auf dienstliche Tätigkeiten beschränkt sei.

Pechstein sieht keinen Fehler

Pechstein selbst sagte der "Bild"-Zeitung: "Ein ausdrückliches Verbot des Uniformtragens auf Parteiveranstaltungen besteht nicht." Gemäß der Polizeidienstvorschrift sei das Tragen der Uniform außerhalb des Dienstes erlaubt und nur bei Krankheit oder der Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes verboten. "Ich bin kein CDU-Mitglied. Ich war bei der CDU zu Gast – und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin", sagte sie.

Laut "Bild" fragte Pechstein im Vorfeld des Auftritts sowohl einen Gewerkschaftsvertreter der Bundespolizei als auch einen Vorgesetzten. Der Auftritt in Uniform sei ihr freigestellt worden, sagte Pechstein.

Bei der Bundestagswahl 2021 war die Eisschnellläuferin für die Berliner CDU als Direktkandidatin angetreten, unterlag allerdings ihrem Wahlkreiskonkurrenten Gregor Gysi von der Linkspartei.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Claudia Pechstein sei CDU-Mitglied. Das ist sie laut eigener Aussage nicht. Zudem ist sie weiterhin aktive Eisschnellläuferin.