Faktencheck Artenvielfalt I WDR aktuell
02:32 Min.. Verfügbar bis 01.10.2026.
Biologische Vielfalt bedroht - Tier- und Pflanzenarten rückläufig
Stand: 01.10.2024, 10:16 Uhr
Um die biologische Vielfalt hierzulande sieht es nicht gut aus - nach Einschätzung von Wissenschaftlern ist sie stark gefährdet.
In Deutschland ist offenbar mehr als die Hälfte der unterschiedlichen Lebensräume in einem ökologisch ungünstigen Zustand, und immer noch verschwinden wertvolle Biotope. Das geht aus dem am Montagabend veröffentlichten "Faktencheck Artenvielfalt" hervor. Demnach nimmt die Zahl der Tier- und Pflanzenarten sowie ihre genetische Vielfalt ab. Ein Drittel aller untersuchten Arten sei gefährdet, etwa drei Prozent gelten als ausgestorben.
Der "Faktencheck Artenvielfalt" ist nach Angaben seiner Autoren die erste umfassende Bestandsaufnahme der Biodiversität in Deutschland. Etwa 140 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Stand des Wissens für die Hauptlebensräume Agrar- und Offenland, Wald, Binnengewässer und Auen, Küsten und Küstengewässer, Böden und urbane Räume zu einem mehr als 1.000 Seiten umfassenden Bericht zusammengetragen. Über 6.000 Publikationen und 15.000 Zeitreihen wurden ausgewertet. Finanziert wurde die Studie vom Bundesforschungsministerium.
Viele Lebensräume in einem schlechten Zustand
Besonders besorgniserregend ist dem Bericht zufolge die Situation im Grünland, also auf ehemals artenreichen Äckern, in Mooren, Moorwäldern und Sümpfen. Mehr als die Hälfte der Meeres- und Küstenlebensraumtypen der Nord- und Ostsee sei langfristig gefährdet.
"Die wichtigste Zahl aus der Studie, meiner Ansicht nach: 40 Prozent der Lebensräume verschlechtern sich, viele gehen komplett verloren", sagt der Wissenschaftsjournalist Joachim Budde im Gespräch mit dem WDR. Andere würden für die Natur unbewohnbar, durch zu viel Dünger, zu viele Pestizide.
Fast ein Drittel der Arten bestandsgefährdet
Der schlechte Zustand vieler Lebensräume habe Folgen auch für die Tier- und Pflanzenwelt: Ein Drittel der untersuchten Arten ist in ihren Beständen gefährdet. Von den etwa 72.000 in Deutschland einheimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wurden bislang etwa 40 Prozent auf die Gefährdung ihrer Populationen hin untersucht.
Fast ein Drittel dieser Arten sind bestandsgefährdet, das heißt, vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet; etwa drei Prozent gelten bereits als ausgestorben. Stark gefährdet sind insbesondere viele Reptilien- und Amphibienarten sowie zahlreiche Insektenarten und andere Gliedertiere.
Neue Formen des Wirtschaftens entwickeln
Die Wissenschaftler befassen sich in ihrer Studie auch mit der Frage, wie der negative Trend gedreht werden kann. Ihr Vorschlag: Wirtschaft, Waldbesitzer, Landwirte und Fischerei müssten neue Formen des Wirtschaftens entwickeln, die Ökonomie und Ökologie miteinander verbinden.
Dafür müsse sich der Mensch nicht unbedingt aus der Natur zurückziehen, sagt Christian Hönig, Abteilungsleiter Biodiversität beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Es geht darum, wie wir die Räume der Menschen und die Räume der nichtmenschlichen Lebewesen miteinander in Einklang bringen", sagt er im Gespräch mit dem WDR. Die Menschen müssten sich überlegen, wo sie es schaffen, mehr Lebensraum für Tiere zu lassen.
Es gibt auch Positives: Wieder mehr Waldvögel
Der Faktencheck Artenvielfalt dokumentiert auch eine Reihe von positiven Entwicklungen, die zeigen, dass sich biologische Vielfalt durch gezielte Maßnahmen erholen kann. So hat sich beispielsweise infolge der Abwasserreinigung seit 1970 die Vielfalt der wirbellosen Tiere - Schnecken, Muscheln, Würmer, Insekten - in Fließgewässern großflächig erholt. Ebenso wird die starke Zunahme der Waldvögel seit 2010 mit einer Verbesserung der Waldstruktur in Verbindung gebracht.
Unsere Quelle:
- Nachrichtenagentur KNA
- Interview mit Wissenschaftsjournalist Joachim Budde auf WDR2
- Interview mit Christian Hönig, Abteilungsleiter Biodiversität beim BUND
Über dieses Thema berichten wir am 01.10.2024 auch im Radio, unter anderem im WDR 5 Mittagsecho ab 13.00 Uhr.