Von Arztlotsen und Lehrpraxen - Ideen, um Hausärzte aufs Land zu locken

Stand: 19.05.2022, 20:00 Uhr

Der Hausärztemangel auf dem Land ist bekannt. Doch es gibt Lösungsansätze. Kreise und Kommunen haben unterschiedliche Ideen entwickelt, um Mediziner aufs Land zu locken.

Von Katja Brinkhoff

Raphael Reß hört die Lunge eines Patienten ab. Er studiert im zweiten Semester Medizin an der neuen medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld. Zur Zeit macht er ein Praktikum in der Hausarztpraxis von Eva Hackländer im Kreis Herford.

Die Hausärztin befürwortet das Praktikum: "Wenn man das schon zu Beginn des Studiums mit einfügt, hat man vielleicht eine Chance, mehr junge Leute für den Hausarztberuf zu begeistern." Die Universität Bielefeld hat ein Netzwerk von bisher 60 Lehrpraxen aufgebaut.

Viele Ärzte und Ärztinnen brauchen Nachfolger

Mehr als 70 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner in Deutschland sind älter als 50 Jahre. Besonders auf dem Land fehlen Nachfolger. Ideen, für den Arztberuf auf dem Land zu werben, gibt es noch mehr als die Praktika in Lehrpraxen. Der Kreis Soest hat zum Beispiel einen Arztlotsen:

Marcel Frischkorn kümmert sich dabei um Mediziner, die einen Praxisnachfolger oder eine -nachfolgerin suchen und um diejenigen, die sich niederlassen möchten: "Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, mit Vorurteilen gegenüber der Landarztpraxis aufzuräumen", sagt er.

Arbeit auf dem Land bietet auch Vorteile

Jan Möhlenkamp hat in Berlin studiert. Er ist Hausarzt in Riesenbeck im Kreis Steinfurt. Dort leben knapp 7000 Einwohner und es herrscht Ärztemangel. Der 35-Jährige ist im Nachbarort aufgewachsen. Der Wechsel zurück aufs Land fiel ihm deshalb nicht so schwer.

"Die Patientenbindung ist viel enger." Jan Möhlenkamp

Die Vorteile der Arbeit als Hausarzt auf dem Land lägen für ihn klar auf der Hand, sagt Jan Möhlenkamp: "Die Patientenbindung ist viel enger. Die Fluktuation geringer. Kommt ein Patient zu mir, gehe ich davon aus, dass er die nächsten 30 Jahre mein Patient bleibt."

Viel Abwechslung in der täglichen Arbeit

Über Patientenbindung denkt Medizinstudent Raphael Reß noch nicht nach. Er erlebt gerade den zweiten Tag seines Praktikums im Kreis Herford. Hausärztin Eva Hackländer nimmt sich Zeit für ihn: "Was passiert hinter den Kulissen? Welche Geräte gibt es? Wie läuft eine Sprechstunde ab? Das sind Dinge, die in keiner Uni unterrichtet werden."

Der 20-Jährige hat schon jetzt ein Gefühl dafür bekommen, wie unterschiedlich die Patientinnen und Patienten in einer Hausarztpraxis sind. "Man hat viel mehr Krankheitsbilder. Es gibt alles aus allen Bereichen. Da muss sich der Arzt sehr breit aufstellen. Das macht es spannend", findet er.

Kreise und Kommunen polieren das Image des Landarztes auf

Das Interesse der Medizinerinnen und Mediziner an der Hausarztpraxis auf dem Land steigt, weil Kreise und Kommunen einiges dafür tun, das Image des Landarztes aufzupolieren. Im Kreis Soest sehr erfolgreich: Arztlotse Marcel Frischkorn hat es in fünf Jahren geschafft, dass 25 Arztpraxen weiter- und nicht dichtmachen.

Und auch in Bielefeld glaubt die Universität an den Erfolg ihrer Praktika in Lehrpraxen: 300 Praxen will sie in spätestens drei Jahren für 300 Studierende bereitstellen.

Über dieses Thema hat das WDR Fernsehen am 19.05.2022 ab 19:30 Uhr in der Lokalzeit Münsterland, der Lokalzeit OWL und der Lokalzeit Südwestfalen berichtet.