Per Spritze zum Idealgewicht: Für viele, die mit den Kilos kämpfen, klingt das verlockend. Auch Elon Musk will 13 Kilo damit abgenommen haben, ebenso wie Kim Kardashian.
Daniel Kamp aus Dormagen versucht schon seit Jahren abzunehmen, doch Diäten halfen ihm meist nur kurzfristig. Mit Bewegung und einer Magenverkleinerung hat es der 35-Jährige mühevoll geschafft, abzunehmen: von 205 auf 160 Kilogramm. Ein Mittel, das all seine Gewichtsprobleme löst, dazu hätte er nicht "Nein" gesagt: "So eine Spritze, wenn sie dann wirklich helfen würde, wäre natürlich schön gewesen, wäre ein einfacherer Weg gewesen."
"Wegovy", "Ozempic" & Co: Spritze eigentlich für Diabetiker
Tatsächlich ist die im Netz so gehypte "Abnehmspritze" eigentlich für Diabetiker gedacht, die ihren Blutzucker mit Ernährungsumstellung und Sport nicht senken konnten. Sie erhalten die Fertigspritze wöchentlich. Der Wirkstoff in Präparaten wie "Wegovy" oder "Ozempic" ist Semaglutid. Er ahmt einen körpereigenen Botenstoff nach, senkt den Blutzucker und meldet dem Gehirn: "Ich bin satt", dazu verzögert er die Magenentleerung und zügelt auch so den Appetit.
"Ozempic" ist in Deutschland jedoch nur zur Behandlung von Diabetes zugelassen. Unter dem Namen "Wegovy" - und höherer dosiert – hat das Präparat seit Januar 2022 die Zulassung der EU-Kommission auch für die Behandlung von Adipositas erhalten. Voraussetzung ist jedoch ein BMI nicht unter 27 mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung oder ein BMI von 30 und höher.
Studie: Knapp 15 Prozent Gewichtsabnahme mit Diabetesspritze
Klinische Studien zeigen, dass mit dem enthaltenen Wirkstoff, für diese Menschen eine Gewichtsreduktion von 14,9 Prozent möglich ist - nach etwas über einem Jahr und einer Lebensstiländerung.
Professor Frank Granderath vom Adipositas-Zentrum Niederrhein in Mönchengladbach ist, was den Einsatz der Spritzen angeht, dennoch zurückhaltend: "Nach unserer Erfahrung sind sie für sehr stark Übergewichtige wahrscheinlich unzureichend. Es ist aber möglich, dass wir in den nächsten Jahren, wenn weitere Studien folgen, tatsächlich auf sie zurückgreifen könnten. Allerdings nur in Kombination mit Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und psychologischer Unterstützung."
TikTok-Trend mit Folgen: Nebenwirkungen und Verknappung
Viele junge Menschen aber fragen gar nicht erst danach, für wen die Spritzen sinnvoll oder eigentlich gedacht sind. Sie posten begeisterte Vorher-Nachher-Videos auf TikTok und Co. Denn vor allem in den USA wird das verschreibungspflichtige Diabetesmedikament "Ozempic" häufig im sogenannten Off-Label-Use, also ohne Zulassung, zur Gewichtsreduktion verwendet. Auch in Deutschland wird es von manchem Arzt zu diesem Zweck auf Privatrezept verschrieben. Und so hatte der Hashtag #Ozempic allein auf TikTok über 288 Millionen Aufrufe.
Doch gerade jenen, die nur ein paar Pfunde zu viel haben, rät der Adipositas-Experte Prof. Frank Granderath ab, er empfehle gesunden Menschen grundsätzlich keine Medikamente. Dazu käme, dass die Präparate auch Nebenwirkungen hätten: "Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfungen und es hat im Tierversuch tatsächlich auch Hinweise darauf gegeben, dass diese Medikamente unter Umständen krebserregend sein können, im Bereich der Schilddrüse und der Bauchspeicheldrüse."
Negative Folgen habe der Trend womöglich auch für Diabetiker, die auf die Fertigspritzen angewiesen sind. Im schlimmsten Fall könnten sie nicht mehr bestmöglich versorgt werden, wenn Medikamente wie "Ozempic" auf dem Markt fehlen. Bereits jetzt meldet der Hersteller einen Lieferengpass durch eine "stärker als erwartet" gestiegene Nachfrage.
Abnehmen auch ohne Spritze – drei Tipps vom Fitnesscoach
Daniel Kamp versucht, ohne Spritze weiterzumachen. Mit einem Trainer arbeitet er gegen die Kilos an. Sportwissenschaftler Marc Jonen sagt, man könne es auch ohne Medikamente schaffen: "Wichtig ist ein gezieltes Krafttraining zu machen, im besten Falle zwei bis drei Mal die Woche, ruhig ein bisschen außer Atem geraten. Dazu eine proteinreiche und gemüsereiche Ernährung". Gerade sei Grünkohl eine gute Wahl, so der Sportwissenschaftler. Und auch sich Zeit zu lassen, sei ein wichtiger Faktor: "Ein halbes Kilo pro Woche abzunehmen, ist besser als drei oder mehr. So verliert man nämlich wirklich Fett, schützt die Muskulatur und es setzt einen weniger unter Druck."
Auch wenn der Weg beschwerlich ist, Daniel Kamp aus Dormagen geht ihn. Er will fit werden - auch ohne schnelle Spritze für Diabetiker.