Muslimisches Gräberfeld auf dem Kölner Westfriedhof

Muslimische Bestattung in NRW

"Integration endet nicht mit dem Tod"

Stand: 01.11.2011, 00:00 Uhr

Der Besuch am Grab: Für viele Christen gehört er an Allerheiligen dazu. Für die meisten Muslime in NRW bedeutet ein Besuch am Grab eines Angehörigen jedoch mitunter eine weite Reise ins Ausland. Denn das Bestattungsrecht hier erlaubt keine rein muslimischen Friedhöfe.

Von Lis Kannenberg

Gelb-rotes Herbstlaub liegt auf den breiten Alleen am Kölner Westfriedhof. Es ist eine besondere Stille, die den Besucher auch zu Allerheiligen dort empfängt. Wer vor der Trauerhalle links abbiegt, findet ein wenig abseits Gräber, die nicht im rechten Winkel zu den Wegen angelegt sind, sondern schräg. "Das ermöglicht die Beisetzung der Toten mit Blick gen Mekka", erklärt Stadtsprecher Stefan Palm. "Sie werden zwar im Sarg zum Grab transportiert, dort aber dann traditionell in Tücher gewickelt auf der Seite liegend beerdigt." Das muslimische Gräberfeld ist eines der ältesten in Deutschland, angelegt vor einem halben Jahrhundert. Vor 50 Jahren kamen auch die ersten Türken als "Gastarbeiter" hierher, mittlerweile leben Familien mit türkischen Wurzeln in dritter und vierter Generation in Deutschland.

Keine ewige Totenruhe in NRW

Erol Çelik

Erol Çelik, Vorsitzender des Wuppertaler Vereins Anadolu

"Inzwischen ist die erste Generation der Türken in Deutschland 60, 70 Jahre alt. Da gewinnen Themen wie Tod und Beisetzung an Bedeutung", sagt Erol Çelik. Er ist Vorsitzender des türkischen Kultur- und Bildungsvereins Anadolu in Wuppertal. Dass die meisten heute auch nach Jahrzehnten hier lieber in der alten Heimat begraben werden wollen, habe zwei Gründe: "Einmal haben die Alten noch mehr Bezug etwa zu ihrem Dorf in Anatolien als die Jüngeren, und dann ist dort auch gesichert, dass die ewige Totenruhe eingehalten wird." Tatsächlich bietet kein kommunaler Friedhof in NRW eine Grabstelle für immer an. Die längste Dauer sind 99 Jahre. Meist muss ein Vertrag nach 30 Jahren verlängert werden. Eine Lösung wären eigene Friedhöfe der Moschee-Gemeinden, aber das ist in Nordrhein-Westfalen verboten.

Initiative für neues Friedhofsrecht

Laut Landesgesetzgebung dürfen nur so genannte Körperschaften öffentlichen Rechts Friedhöfe führen, neben den christlichen Kirchen erfüllen nur jüdische Kultusgemeinden diese Voraussetzung. Einzelne muslimische Gabfelder gibt es in der Regel auf kommunalen Friedhöfen. Eine Initiative aus Wuppertal will nun den Muslimen die Möglichkeit zu eigenen Friedhöfen nach ihrer Tradition geben und hat sich an die Politik gewandt. "Wir leben in einer multireligiösen Gesellschaft. Unser Ziel ist es, dass zwar nicht private Dritte, aber Religionsgemeinschaften ihre Orte für Bestattung und Trauer haben können", engagiert sich Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) für den Vorstoß im NRW-Städtetag und im Innenausschuss des Landtags. Unterstützt wird die Initiative von den drei SPD-Landtagsabgeordneten aus der Stadt und den Moschee-Vereinen.

Wo sind die eigenen Wurzeln?

Muslimisches Gräberfeld auf dem Kölner Westfriedhof

Die muslimischen Gräber sind nach Osten ausgerichtet

Warum sich ausgerechnet Wuppertal in dieser Sache so engagiert, hat einen simplen Grund: Dort sind bis auf einen alle Friedhöfe in kirchlicher Hand. "Und wenn die Kinder der ersten muslimischen Gastarbeiter irgendwann hier begraben werden wollen, dann könnte uns der Platz fehlen", prognostiziert Kühn. Das Integrationsgesetz, das diesen Monat von Minister Guntram Schneider (SPD) in den Landtag eingebracht wurde, sieht zwar viele Änderungen zu Gunsten der Einwanderer vor, die Friedhöfe bleiben jedoch außen vor. Für Erol Çelik, selbst Türke der zweiten Generation, ist das ein Fehler: "Integration darf nicht mit dem Tod enden. Wenn sich Menschen hier verwurzelt fühlen und wollen, dass ihre Familie das Grab regelmäßig besuchen kann, dann wird es in den nächsten Jahrzehnten immer mehr muslimische Beisetzungen geben."

Nach dem Tod nicht alleine sein

Noch sind die Zahlen für NRW überschaubar: Im vergangenen Jahr waren es in Duisburg 22, in Münster nicht mehr als fünf Beisetzungen auf den kommunalen Friedhöfen. "Meist handelt es sich dabei um Kinder, die von ihren trauernden Eltern in der Nähe beerdigt werden", sagt der für die Friedhöfe zuständige Münsteraner Fachstellenleiter Wilhelm Klönne. Der Großteil der muslimischen Toten wird in das Heimatland der Familie überführt, aber Çelik kennt auch andere Beispiele: "Ich kenne die Familie eines Mannes aus der Ost-Türkei, der nach Jahrzehnten in Wuppertal den klaren Wunsch hatte, hier seine letzte Ruhe zu finden, wo seine Kinder und Enkel leben. Er hat immer gesagt, er wolle nach dem Tod nicht ganz alleine sein."