St. Petri, Dortmund

Das "Goldene Wunder"

Stand: 25.10.2010, 12:23 Uhr

Ein Zyklus in dreißig Bildern, ausgebreitet auf 41 Quadratmetern: Der Antwerpener Altaraufsatz in der Dortmunder Petrikirche gilt als der größte seiner Art. Er war für die heute nicht mehr existierende Kirche des Dortmunder Franziskanerklosters bestimmt. 1521 wurde in Antwerpen der Vertrag zwischen Meister Gielesz und dem Guardian des Klosters geschlossen. Das Honorar: 646 Goldgulden.

Die Figuren auf dem Altaraufsatz sind vergoldet.

Über 600 Figuren, kunstvoll geschnitzt und vergoldet.



Als das Kloster 1805 unter französischer Besatzung aufgelöst wurde, brauchte das "Goldene Wunder" eine neue Heimat. Interesse zeigten die Protestanten. Sie kauften den Franzosen das Schmuckstück ab, das seit nunmehr 200 Jahren in der Dortmunder Stadtkirche St. Petri zu bestaunen ist.

Die Passion Christi als Massenspektakel

Das Bildprogramm des Retabels illustriert die Sakramente der katholischen Kirche und würdigt auf der Innenseite die Vorfahren Jesu: von der Urgroßmutter Emerentia bis zur Mutter Maria. Die Abstammung des Gottessohnes - eine irdische Familiengeschichte, ausführlich erzählt aus der Perspektive der Frauen.
Der Altar ist nicht das Werk eines Einzelnen: Antwerpener Maler wie Adrian Overbeck, Tischler, Schnitzer, ganze Werkstätten waren daran beteiligt. Den Höhepunkt bildet zweifellos die Festtagsseite. Sie wird Meister Gielesz zugeschrieben. Über 600 Figuren, kunstvoll geschnitzt und vergoldet. Die Passion Christi als Massenspektakel. Im Zentrum steht die Kreuzigung. Menschen, Tiere, weinende Frauen, Soldaten zu Pferd und Schaulustige sind unter den bleichen Körpern der Hingerichteten übereinander getürmt. Auf kleinstem Raum wird jede Station der Vita Christi vorgeführt, vom Leidensweg bis zur Auferstehung. Jede Figur ist bis ins Detail ausgearbeitet. Frauen zeigen Tatkraft, Leidenschaft, Trauer. Modebewusst präsentieren sie sich bei der Kreuzabnahme in ihrer schönsten Garderobe. Besonders phantasievoll sind die Darsteller der Nebenrollen gestaltet. Befehlshaber in reich geschmückten Gewändern lenken von der Geißelung Christi ab. Kinder, die vor Pilatus spielen, interessieren sich nicht für die Dramatik der Haupthandlung. Sie reiten ihr Steckenpferd. Andächtig und erstaunt diskutieren die Apostel die Himmelfahrt Christi.

Barbara Welzel, Thomas Lentes, Heike Schlie (Hrsg.):
Das "Goldene Wunder" in der Dortmunder Petrikirche.
Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter
Verlag Regionalgeschichte 2004

Autorin: Martina Müller