Eine Leinwand, fast vier Meter breit: Durch stumpfe, brüchige Partien mäandert glänzender Lack. Ein Relief aus Krusten und Furchen. Zwischen staubig sandigen Flächen zerläuft Farbe wie zähflüssige Schlacke. Ein Bild, das etwas durchgemacht hat. Es trägt die Spuren eines anderen Gemäldes und einer anderen Zeit in sich.
Emil Schumacher (1912-1999), Mitbegründer der Abstrakten Kunst in Deutschland und wichtigster Vertreter des Informel, schuf „Palmarum“ 1991 auf dem Keilrahmen eines zerstörten Bildes, das er mit zwei weiteren Bildern 1964 für die Documenta III gemalt hatte. Als er nach dem Ende der Ausstellung das erste Bild noch einmal überarbeitete, vernichtete er es versehentlich.
„Ein wildes Tier“
27 Jahre später überführte Emil Schumacher die Dynamik des ursprünglichen Gemäldes in die Bildsprache seines Spätwerks. Dabei machte er den Malprozess selbst anschaulich: das Zögern, die Behutsamkeit, die heftigen Attacken. „Die Leinwand kommt mal vor und weicht wieder zurück wie bei einem Fechter. Das Bild sehe ich als ein wildes Tier an, das man zähmen und herausfordern muss.“
Ein Bild, das etwas durchgemacht hat: "Palmarum" von Emil Schumacher
Geprägt von zwei Weltkriegen, entwickelte Emil Schumacher von den 50er Jahren bis zu seinem Tod 1999 eine Kunst, die sich dem plakativen Abmalen der Welt verweigert und doch das Destruktive wiedergibt. Ständig war er auf der Suche nach ungewöhnlichen Materialien und neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Seine künstlerische Arbeit war ein Kampf mit der Fläche, ein rhythmisches Frage- und Antwortspiel, Abstraktion, die nah an der Wirklichkeit bleibt.
Buchtipp
Emil Schumacher. Leben in der Malerei.
Gespräche und Texte
Hrsg. von Ernst-Gerhard Güse
Hatje Cantz Verlag 2008; Preis: 24,80 Euro
Autorin: Martina Müller