Frauen am Strand, Baden und Malen an der Ostsee: Max Pechsteins "Akte im Freien" sind eine erotisch-arkadische Momentaufnahme aus dem Jahr 1911, frei von gesellschaftlichen Konventionen und wilhelminischer Sittsamkeit. Entstanden sind sie im Fischerdorf Nidden an der Kurischen Nehrung. "Dieser Sommer 1911 berauschte mich", schrieb der Künstler im Rückblick. Die Farbe ist mit breitem Pinsel wild aufgetragen. Verdünnte Ölfarbe schafft aquarellhafte Transparenz, Malerei unter Strom, die mit dem Unfertigen spielt.
Ästhetischer Barrikadensturm
Damit traf Max Pechstein (1881-1955) das Credo der Expressionisten-Gruppe "Die Brücke". 1906 hatte er sich dem Kreis um Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff angeschlossen und bis zu seinem Ausschluss 1912 – Pechstein hatte ohne Zustimmung der anderen in der Berliner Secession ausgestellt – nachhaltig geprägt.
Auf der Rückseite: der "Liegende Frauenakt". Die ausgewogene Komposition und die Eleganz der Ausführung lassen an die französischen Vorbilder von Cézanne bis Matisse denken. Farbe und Form sind nah am Gegenstand. Statt nervöser Pinselstriche kontrollierte Linien, der Körper scharf konturiert, wie in Holz geschnitzt.
Es ist die sinnliche Formensprache, die beide Bilder verbindet. Inspiriert von der Ausdruckskraft außereuropäischer Kunst, lässt sie die Faszination durch das Archaisch-Wilde spüren. Die Plastik afrikanischer Naturvölker entsprach damals dem künstlerischen Ideal. Den Menschen in seiner Natürlichkeit zu erfassen – Max Pechstein gelang es im Atelier und in der freien Natur.
Buchtipps
Max Pechstein. Ein Expressionist aus Leidenschaft.
Katalog zur Ausstellung in Kiel 2010/2011
Hrsg. von Peter Thurmann
Hirmer 2010; Preis: 39,90 Euro
Deutscher Expressionismus 1905-1913.
Brücke-Museum Berlin, 150 Meisterwerke.
Katalogbuch zur Ausstellung in Groningen 2009
Hirmer 2009; Preis: 39,90 Euro
Autorin: Martina Müller