Ian Hamilton Finlay: "A view to the Temple"

Skulpturenpark Glaskasten Marl

Stand: 02.02.2016, 15:53 Uhr

Parkidylle im Ruhrgebiet: ein stillgelegter Friedhof als Bühne für die Kunst. Vier Exekutionsgestelle, harmonisch in die Landschaft eingepasst wie Arkaden für einen Spaziergang. Gedächtnisort, Kunstort, Spielort.

In seiner Installation "A View to the Temple", die erstmals 1987 auf der Kasseler documenta zu sehen war, beschwört Ian Hamilton Finlay (1925-2006) die blutigen Entgleisungen der Französischen Revolution: Gewalt als die Kehrseite des Erhabenen, das hoffnungsvoll Schöne nichts als des Schrecklichen Anfang.

Westart Meisterwerke: Ian Hamilton Finlay - A view to the Temple

WESTART Meisterwerke 18.01.2016 04:37 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR

Ambivalenz von Gedankenschärfe und Gewalt

Die Guillotine wurde zum Inbegriff einer Revolution, deren Kampf für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zur Gewaltherrschaft führte. Die Revolution fraß ihre eigenen Kinder. Die Fallbeile seiner Skulpturengruppe hat der schottische Künstler mit Zitaten zum Thema Terror und Tod versehen: "Terror ist die Frömmigkeit der Revolution." Die ideologische Sprache der Jakobiner auf Messers Schneide gebracht. "Bedrohe mich, wenn du willst, aber mildere den Terror, den du in mir hervorrufst, durch eine große moralische Idee."

Finlays Installation kam 2003 nach Marl, auf den alten Totenacker der Stadt, den neuen Skulpturenpark des Museums Glaskasten. Die Arbeit verstörte, provozierte und nahm einen Obelisken ins Visier: das Grabmal für sowjetische Kriegsgefangene – eine Mahnung an den Terror des Zweiten Weltkriegs.

Die Französische Revolution betrachtete Finlay als Modell für die Ambivalenz von Gedankenschärfe und Gewalt: Menschheitsbeglückende Ideen, rigoros durchgesetzt, lassen Köpfe rollen.

Autorin: Martina Müller