Heinrich Hoerle: „Zeitgenossen“

Kölnisches Stadtmuseum

Stand: 26.01.2011, 10:24 Uhr

1931/32 arrangiert der Kölner Maler Heinrich Hoerle (1895 - 1936) in Wachsfarben auf Pappe und Sperrholz ein Gipfeltreffen der bürgerlich Arrivierten mit den bunten Vögeln aus Sport und Kunst. Der Karneval gibt die Richtung vor: gleich neben dem Sänger Willi Ostermann Oberbürgermeister Konrad Adenauer und mit ein wenig Abstand die Soubrette Trude Alex, der Boxer Hein Domgörgen sowie der Künstler selbst.

Dokument politischer Grabenkämpfe

Hoerles "Zeitgenossen" spiegeln die politischen Grabenkämpfe seiner Zeit. Braun und grau ist das offizielle Köln am Ende der Weimarer Republik und am Vorabend der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Die Außenseiter sind so bunt wie die Narrenkappe. Der Maler ist ganz in Rot getaucht, in die Farbe des Kampfes und der Freiheit. Geprägt von den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und der gescheiterten Novemberrevolution, engagiert er sich nach 1918 sozialkritisch. Gemeinsam mit anderen Künstlern gründet er Ende der 1920er Jahre die Gruppe der Kölner Progressiven. Intensiv setzt sich Heinrich Hoerle mit der Welt der Arbeiter, mit Themen wie Streik, Fabrik und Maschine oder dem Phänomen der entindividualisierten Masse auseinander, konstruiert den neuen Menschen.

Seine auf kubische Formen reduzierten Körper sind grotesk überformt. Das Individuum wird zum groben Modell - Person und Schablone zugleich. Mechanisch sind die Arme gebogen, die Gesten stereotyp: Der Karnevalist steckt alle in die Tasche, der Politiker verhält sich abwartend. Die Soubrette ist bereit für den großen Auftritt, noch vor dem Faustschlag des Boxers. Der Maler schwingt die Kölner Stadtfarben, in letzter Konsequenz Garant für den lokalen Konsens. 27. Februar 1933: In Köln ist Rosenmontag, in Berlin brennt der Reichstag. Auf den Straßen wüten die Rollkommandos der SA. Auf dem Lumpenball der Progressiven wird Karneval gefeiert - und noch einmal die Internationale gesungen.