Beluga, der teuerste Kaviar der Welt, über zwanzig Quadratmeter dort aufgetragen, wo er nicht hingehört: eine kulinarische Delikatesse in Schellack getaucht und pfundweise auf die Leinwand gestrichen. Das organisch-glibberige Material ist so verfärbt, als könnte Kaviar rosten. Der luxuriöse Gaumenschmaus verwandelt sich in eine ungenießbare Masse - mal dicht, mal locker, geschüttet wie Galaxien im Universum. Zwischen den Fischeiern sind winzige Ziffern zu entdecken - ein rätselhaftes Labyrinth aus endlosen Zahlenkolonnen, die magisch anziehen. In der aufgeplatzten Lackschicht versprengte Kaviarinseln - wie ausgefranste Küstenlandschaften, in die bräunliche Brühe dringt.
Eine kulinarische Delikatesse in Schellack getaucht und pfundweise auf die Leinwand gestrichen: Georg Herolds Triptychon "Ohne Titel - Beluga".
Pointillismus mit Störeiern
Das Triptychon "Ohne Titel - Beluga" von Georg Herold entstand 1991 im Jahr des Golfkriegs. Erinnerungen an Nachrichtenbilder, an Flugaufnahmen von Ölteppichen im Persischen Golf werden wach. Kaviarkörner verhalten sich wie die Punkte von Rasterbildern. Pointillismus mit Störeiern. Bei Sigmar Polke, dem Meister der Rasterpunkte, hat der 1947 in Jena geborene Herold studiert. Statt Pünktchen zu malen, öffnet er eine Dose Kaviar und fängt an zu zählen: eins, zwei, drei ... viertausendvierhundertfünfundachtzig, viertausendvierhundertsechsundachtzig. "Kaviar einfach stur durchzunummerieren, hat für mich einen großen Charme", so der Künstler. Dem Suchtmittel der Oberschicht entzieht er rigoros die Exklusivität, um dann mit feinstem Pinsel jedes Kügelchen zu beschriften, wobei Fischeier und Zahlen in breiten Bahnen auseinanderdriften.
Zwischen den Fischeiern sind winzige Ziffern zu entdecken - ein rätselhaftes Labyrinth aus endlosen Zahlenkolonnen.
Herolds Kunst ist aberwitzig absurd und gerade so durchsichtig wie nötig, um alle Bedeutungen offen zu lassen - immer auf dem Sprung, unsere Erwartungen aus den Angeln zu heben.
Autorin: Martina Müller