Bücher aus Metall. Aufgestapelt, überdimensioniert. Immer wieder sind Bücher Thema und Material von Anselm Kiefer, dem Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2008. Seit Jahrtausenden sind sie Heimat des menschlichen Geistes. In ihnen versammeln sich: das Wort, die Geschichte, das Wissen. Was wir denken. Was wir glauben.
Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich der Künstler mit deutscher Geschichte, germanischer Mythologie, der jüdischen Kabbala
Wie ein Fund in einem Schiffswrack
"Das Tote Meer" hat Anselm Kiefer sein Werk aus dem Jahr 2003 genannt. Das Tote Meer, Israel, der Holocaust - eine mögliche Assoziation. Seine Buchskulptur hat er aus Blei geschaffen. Blei ist giftig. Es steht für lähmende Schwere, für Melancholie. Es dient als Hülle für Dinge, die uns töten können: Munition, Radioaktivität. Blei ist aber auch jener Stoff, den die Alchimisten im Mittelalter in Gold verwandeln wollten. "Ich als Künstler mache nichts anderes", meint Kiefer. "Ich beschleunige bloß die Verwandlung, die schon in den Dingen angelegt ist. Das ist die Magie, so wie ich sie verstehe."
Seit den 1970er-Jahren beschäftigt sich der Künstler mit deutscher Geschichte, germanischer Mythologie, der jüdischen Kabbala. "Ich denke vertikal", sagt er, "und eine der Ebenen war der Faschismus. Doch ich sehe alle diese Schichten. Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist."
Seine bleiernen Bücher sehen aus, als befänden sie sich unter Wasser, auf dem Meeresgrund, erinnern an einen Fund in einem Schiffswrack. Wie versteinert stehen sie da - ein Meer an Information. Doch ihr Wissen werden sie nicht mit uns teilen. Es bleibt verschlossen in ihrem Inneren aus Blei. Für immer.
Autorin: Lydia von Freyberg