Ludwig Erhard hatte ihn sich gewünscht, den neuen Kanzlerbungalow am Rhein: „Sie lernen mich besser kennen, wenn Sie dieses Haus ansehen“, sagte er bei der Einweihung 1964. Das war ein klares Bekenntnis des damaligen Bundeskanzlers zu Baumeister Sep Ruf und seiner umstrittenen Architektur.
Viele, die die Residenz nur aus dem Fernsehen kannten, taten sich schwer mit seiner schlichten Eleganz. Sep Ruf (1908-1982) hatte den Sitz der Macht ganz ohne Prunk und Pomp konzipiert: zweckmäßig, nüchtern, eine Dienstvilla mit Flachdach, Klinkerwänden und viel Glas – im Geist der klassischen Moderne.
Luftig und transparent
Auch die Innenausstattung besticht durch klare Linien und Formen. Mobile Wände gestatten eine flexible Raumaufteilung. Wohn- und Empfangsbereich sind jeweils um ein Atrium ausgerichtet. Steinboden und Holzdecke im fließenden Übergang von innen nach außen. Im Salon: lichte Transparenz und gedeckte Farben, Clubsessel der amerikanischen Designer Charles und Ray Eames. Hier hat Willy Brandt Staatsgäste empfangen und Helmut Schmidt die Mogadischu-Krisengespräche geführt. Die Einrichtung des Speisezimmers ist dagegen ein zeitgeschichtliches Dokument aus der Ära Helmut Kohl: Pfälzer Wohngefühl unter halogenhellem Sternenhimmel.
Sep Ruf hat der westdeutschen Demokratie ein Domizil gebaut, weder bieder noch monumental. Mit dem Wechsel der Regierung nach Berlin hat der Kanzlerbungalow seine Funktion verloren. Unter Denkmalschutz gestellt und aufwändig restauriert, kann die Bonner Schaltzentrale jetzt von der Öffentlichkeit bewundert werden.
Autorin: Martina Müller