Koen - Die Seele des Jizo

WESTART Meisterwerke 10.11.2015 04:48 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 WDR

Museum für Ostasiatische Kunst Köln

Kôen: Die Seele des Jizô

Stand: 03.11.2015, 10:20 Uhr

Kerzengerade steht er, der Kopf ist glatt poliert, das Gewand liegt in Falten. Ein buddhistischer Mönch, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt und an dem die Wellenringe eines dunklen Gewässers abperlen. Jizô, mit Priesterstab und Wunschjuwel, die japanische Kultfigur des Bodhisattva, geschnitzt in Zedernholz. Seine Gesichtszüge sind von schlichter Reduktion, ein fast wesenloses Abbild, das Freiraum bietet für die Aufnahme unterschiedlichster Wünsche und Gebete. Das magische Kraftfeld zur Überwindung von Krankheiten und Naturkatastrophen, zur Erlangung von Glück und Reichtum. Jizô, der Erlöser "im buddhalosen Zeitalter" und Seelenbegleiter der Verstorbenen in die Unterwelt, ist bis heute für die Japaner einer der beliebtesten Nothelfer.

Museum für Ostasiatische Kunst in Köln

Das Museum für Ostasiatische Kunst in Köln

Skulptur als Schatztruhe

Über Ort und Zeit der Entstehung der Statue rankten sich lange Zeit Spekulationen. Stilistische Ungereimtheiten erhöhten das Rätselhafte, Geheimnisvolle, das die Figur umgab. Bis 1983.

Als ihr bei Restaurierungsarbeiten der Kopf abgenommen wird, entpuppt sie sich als Schatztruhe, gefüllt mit zahlreichen religiösen Schriftrollen, Tausenden von Votivdrucken, Holz- und Bronzefigürchen sowie mit einer in ein Seidensäckchen eingehüllten Buddha-Reliquie. Die Gaben im Innern offenbaren die Seele des Jizô, die ihm überhaupt erst kultische Wirkkraft verleiht. Das wichtigste Dokument bildet eine Stiftungsurkunde, präzise datiert auf den elften Monat des Jahres 1249. Auch der ursprüngliche Ort der Aufstellung ist damit bekannt: ein Tempel nahe der alten Kaiserstadt Kyôto. Der Name des Künstlers: der große Buddha-Meister Kôen (1207-1275).

Jizô ist das früheste Werk dieses bekannten japanischen Bildhauers buddhistischer Kultfiguren. Das Hauptwerk einer Sammlung, die 1913 in Köln den Grundstein gelegt hat für das erste Museum Ostasiatischer Kunst in Europa.

Autorin: Martina Müller