WDR: Im Stadtarchiv lagerte fast der gesamte Nachlass von Heinrich Böll. Dann kam der 3. März 2009 – und es hieß lange Zeit, mit dem Archiveinsturz sei der Nachlass zum größten Teil vernichtet. Stimmt das tatsächlich?
Max Plassmann vom Historischen Archiv der Stadt Köln
Max Plassmann: Die meisten Unterlagen konnten aus den Trümmern glücklicherweise geborgen werden –wenn auch beschädigt, beschmutzt und völlig durcheinander. Sicherlich gibt es auch im Nachlass von Böll Totalverluste, aber wirklich verloren ist nur wenig. Der größte Teil ist in einem wiederherstellbaren Zustand geborgen worden. Das ist eine wichtige Botschaft.
WDR: Und wieviel ist inzwischen tatsächlich schon wieder einsehbar?
Plassmann: Das ist schwierig zu beantworten. Vor dem Einsturz hat der Nachlass knapp 200 Regalmeter umfasst. Jetzt steht er nicht mehr in einem Regal zur Verfügung, sondern ist auf ganz viele Kartons verstreut.
Der Böll-Nachlass befindet sich in rund 170 Kisten. Darin sind über 1.300 Einzelobjekte, wie Manuskripte, Briefe und Fotos, verteilt. Wenn sich jemand bei uns meldet und sagt, dass er ein bestimmtes Schriftstück für die Forschung benötigt, fangen wir an, dieses Dokument gezielt zu restaurieren.
WDR: Das hört sich an, als ob es nicht ganz so schlimm ist, wie es sich anfangs angehört hat.
Brief Heinrich Bölls an Eltern und Geschwister aus dem Jahr 1943
Plassmann: Das kann man tatsächlich sagen. Die Angst, dass dieser wichtige Nachlass verloren ist, war am Tag des Archiveinsturzes ganz groß. Durch den großen Bergungsaufwand ist diese Katastrophe aber beherrschbar geworden. Tragisch ist natürlich, dass vieles für längere Zeit nicht zugänglich ist.
WDR: Wie gefragt ist denn der Böll-Nachlass?
Plassmann: Im Vergleich zu anderen Beständen ist der Nachlass tatsächlich nicht so stark nachgefragt. Das könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass in der Öffentlichkeit viel von diesem Totalverlust die Rede war – sodass viele der Ansicht waren, dass der Nachlass von Böll weg ist. Das ist aber tatsächlich eine falsche Annahme.
Das Gespräch führte Nina Giaramita.