"Höllenfahrt & Entenstaat" von Monika Rinck
Stand: 21.11.2024, 17:28 Uhr
Monika Rincks neuer Lyrikband "Höllenfahrt & Entenstaat" zeigt in einer poetischen Tour de Force die Brüchigkeit unserer in Zerstörung befindlichen Welt. Dabei macht sie in einem sprachlich mitreißenden Höllenritt über deutsche Autobahnen die Absurdität des Alltäglichen deutlich. Eine Rezension von Julia Trompeter.
Monika Rinck: Höllenfahrt & Entenstaat. Gedichte.
kookbooks, 104 Seiten, 24 Euro.
"Werden wir wirklich mit dem Verbrenner in die Unterwelt fahren?", fragt das lyrische Ich und beantwortet die Frage selbst: "Es sieht ganz danach aus." Monika Rinck nimmt uns in ihrem neuen Gedichtband mit auf eine poetische Höllenfahrt über deutsche Autobahnen und stellt alltäglichen Wahnsinn neben sublime Absurdität. Schaut man auf die Erhebungen des Statistischen Bundesamts zu den höchsten Feinstaubbelastungen liegen die in diesen Gedichten bereisten Gebiete ziemlich weit vorn. Unter Verweis auf „144 beschleunigte Straßenprojekte der Bundesregierung“ geht die Höllentour von Baden-Württemberg nach Bayern, von dort weiter nach Hessen, und nach Abstechern über Niedersachen und NRW endet die Fahrt schließlich in Rheinland-Pfalz.
"Aufgehackt ist die Erde! Die Erde! Sie ist aufgehackt! Bayern A3/A3, Anschlussstelle Nittendorf – Anschlussstelle Rosenhof. Vordringlicher Bedarf mit Engpassbeseitigung. Sie sehen und hören, meine Domen und Hörren, ich werde nun viel effizienter, denn ich fasse zusammen! Weg mit dem Ideal der unverletzten Erde! Dies is going to be tief! Bayern A8/A8, Autobahnkreuz München – das kann ich alles sehr schnell mit der Sprache machen und jetzt stellen Sie sich vor, das nicht mit der Sprache, sondern mit der Straße zu machen, mit Bitumen und Guss-Asphalt oder einem anderen visionären Fahrbahnbelag, der selbsttätig den Abrieb von Feinstaub verringert und den entstehenden Straßenverkehrslärm (das Reifen-Fahrbahn-Geräusch) dämpft."
Im ersten Teil chauffieren ein Ich und ein Du, einen Transporter voll Federvieh über marode, deutsche Autobahnen. Doch der "ewige Gesang des Müden" bei der apokalyptischen Autofahrt ist nur das Eine, schwerer wiegt die systemische Erschöpfung beim Anblick des Zustands unseres Planeten, nämlich (Zitat) "die Müdigkeit, die das betrifft, was kommt. Nicht mehr in der Lage sein, hier einzugreifen." Wenn die Aussichten derart düster sind, bleibt nur der Rückzug: (Zitat) "Still, still, still, immer stiller werden/ sich der Landschaft anverwandeln." Falls es Rettung geben sollte, kann sie nur durch die unterdrückte Kreatur erfolgen. War das "Federvieh" im ersten Teil noch verdinglichtes Frachtgut, mutiert es in der Oper "Der Entenstaat" zu tapsigen, allwissenden "Regenten", die mit ihrem "Todesatem" sogar Zerberus bezwingen.
"[...] Höllenhund so: Moment, Ente! Ente: Was? Ente atmet Zerberus dreimal kräftig an. Und der Hund kippt um. Hier sind minus 40 US-Dollar für den entstandenen Schaden, Kwahahahahak! Die Ente langsam ab. Hadesch ausgemacht. [...] Die Ente holt indes Musks Satelliten vom Himmel. Really? Aber so was von really. So wahr, wie es Atombomben gibt. Ohne jeden Zweifel. Really im Sinn von todsicher. Ja, klar."
Monika Rincks neuer Lyrikband zeigt mit einer poetischen Tour de Force über landesweite Autobahnen beispielhaft den Zerfall unserer Welt. Dabei macht sie in einem sprachlich mitreißenden Höllenritt die Absurdität des Alltäglichen deutlich. "Höllenfahrt & Entenstaat" überzeugt durch eine vielfältige und trotz freier Verwendung, hochbewusst eingesetzte Sprache. Vor allem aber ist es ein Band, der dort hinschaut, wovor Viele lieber die Augen verschließen: auf unsere in Zerstörung befindliche Welt. Wie schön wäre es doch, wenn tatsächlich schlaue Enten kämen, uns aus all dem selbstgemachten Wahnsinn zu retten!